DDR Chronik 1966 - Verbohrte Politik und
Ausgrenzung der Kritiker
In der strengen Kulturkontrolle änderte sich nicht viel,
wohl aber auf dem Posten des Kulturministers. Der wurde
im Januar neu mit Klaus Gysi besetzt. Er war der
Nachfolger von Hans Bentzien, der das Amt von 1961 bis
1965 inne hatte. In der Folge des 11. Plenums des ZK der
SED 1965 war er wegen „ernsthafter Fehler“ von seinem
Posten entbunden worden, wobei unklar blieb, ob für die
Absetzung das Bekanntwerden seiner NSDAP-Mitgliedschaft
durch den Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen
oder sein Widerstand gegen die Abrisspolitik Walter
Ulbrichts ausschlaggebend war. Sein Nachfolger Klaus
Gysi war vordem (seit 1963) Mitglied der Westkommission
des Politbüros des ZK der SED gewesen.
Ebenfalls im ersten Monat des Jahres hatte sich in
Ost-Berlin ein Rat für gesamtdeutsche Fragen
konstituiert. Der Staatssekretär für gesamtdeutsche
Fragen, Joachim Herrmann, hatte
die Bereitschaft der
DDR-Regierung zu Verhandlungen mit der BRD erklärt,
allerdings auf der Grundlage völliger
Gleichberechtigung.
Die DDR wähnte sich souveräner als es die internationale
Politik bewertete, ausgenommen die im Ostblock. Als
jedoch die DDR im Februar einen Antrag auf Aufnahme in
die UNO stellte, wurde dieser abgelehnt. Der Weg zur
internationalen Anerkennung eines eigenständigen
deutschen Staates war steiniger als gedacht.
Für die Menschen in den beiden Teilen Deutschlands gab
es zu Ostern und Pfingsten eine kleine Erleichterung
durch das 4. Passierscheinabkommen, so dass wenigstens
West-Berliner ihre Verwandten im Ostteil der Stadt
besuchen durften. Andersherum führte kein Besuch hinaus
aus Ost-Berlin.
Dafür hatte das Zentralorgan der SED, die Zeitung „Neues
Deutschland“, „einschneidende Veränderungen“ im
Schriftstellerverband angekündigt. Das bedeutete wieder
neue Einschränkungen und Weisungen, wie die
DDR-Literatur auszusehen hatte. Ohnehin waren ein paar
Wochen später die Literaten Wolf Biermann, Stephan Heym
und der
Wissenschaftler Robert Havemann vom Mitglied des
Politbüros Erich Mückenberger als „Verbündete der Gegner
des Sozialismus“ diffamiert worden. Die DDR-Führung
unter
Walter Ulbricht handhabte ihre Politik derart
engstirnig, dass die positive Wirkung von konstruktiver
Kritik – und nichts anderes betrieben Biermann, Heym und
Havemann – für die Entwicklung des Landes gar nicht zum
Tragen kam. Stattdessen wurden die „Züchtung von
Ja-Sagern“ vorangetrieben und so auch eine Doppelmoral
bei den Menschen hervorgerufen. Mit einer einzigen
Stimme hatte die Mehrheit der Mitglieder der Akademie
der Wissenschaft Robert Havemanns Ausschluss aus der
Akademie abgelehnt. Dennoch wurde er wenige Tage nach
dieser Ablehnung aus der Akademie der Wissenschaften
ausgeschlossen.
Auch fehlte es der Regierung generell an einer gewissen
Lockerheit in kulturellen Dingen. Das zeigte sich
beispielsweise daran, dass eine Tournee der
Schlagersänger Rex Gildo, Christa Williams und Sven
Jenssen durch die DDR nach einer „Testveranstaltung“ vor
Kulturfunktionären abgesagt wurde. Damit konnte sich die
DDR dennoch nicht von dem Einfluss der West-Musik
freimachen, die so oder so durch den Äther drang und
gehört wurde. Umso mehr förderte man die sogenannte
Singebewegung, die mit ihren Texten auf der Partei-Linie
waren, wie es sich durch die Gründung des
„Oktober-Klubs“ im Land verbreiten sollte, der im Jahr
seiner Gründung noch „hootenanny-club“ hieß. Inspiriert
vom Vorbild des US-Amerikaners
Perry Friedman war diese
politische Liedgruppe zunächst eine recht zwanglose
Sache musikalischer Mischung aus Politik, Folk und
eingängigen Versen. Der erste offizielle Auftritt ist
auf den 4. März 1967 datiert. Es folgte dann auch die
Umbenennung in „Oktoberklub“. Anglizismen waren von den
Oberen nicht gern gesehen. Den Aufschwung erhielt diese Singebewegung unter der Führung der Freien Deutschen
Jugend (FDJ).
Im letzten Jahr war noch als einer von zahlreichen
DEFA-Filmen der Streifen „Spur der Steine“ unter der
Regie von Frank Beyer verboten worden. Im Jahr 1966
konnte der Film doch endlich seine Premiere feiern.
Zu feiern gab es auch den 20. Jahrestag der Gründung der
Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), wobei
der Staatsratsvorsitzende
Walter Ulbricht in seiner
Festrede die Bereitschaft der SED zur Normalisierung der
Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten auf
dem Hintergrund des Gedankenaustauschs mit der
SPD
herausstrich. Die Rede stand unter dem Motto „Der Weg
zum künftigen Vaterland der Deutschen“.
Das Jahr 1966 war für die DDR auch das Jahr, in dem in
Rheinsberg (Brandenburg) das erste Atomkraftwerk des
Landes ans Netz ging. In Berlin wurde zudem das
Interhotel „Unter den Linden“ eröffnet sowie das
„Lindencorso“, ein Restaurant im modernen Stil der
sechziger Jahre.
Was die DDR aber richtig groß feierte, war der 5.
Jahrestag der Berliner Mauer. Da gab es in der
Hauptstadt eine große Militärparade, die die Stärke des
Sozialismus demonstrierte.
Ein Wermutstropfen im Aufwärtstrend des Landes war die
Rückkehr der DDR-Mannschaft von den vorolympischen
Spielen in Mexiko. Diese hatte die Veranstaltung
vorzeitig verlassen, weil sie nicht unter der
Bezeichnung DDR antreten durfte. Stattdessen sollte sie
unter dem Namen „Ostdeutschland“ antreten. Das kam
natürlich nicht in Frage.
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