DDR Chronik 1967 - Eigene DDR-Staatsbürgerschaft
und 5-Tage-Woche
Während in der Bundesrepublik zu Jahresbeginn die
„Kommune 1“ gegründet wurde, die aus dem Sozialistischen
Deutschen Studentenbund (SDS) entstanden war und sich
als eine in das Alltagsleben umgesetzte Form der
Außerparlamentarischen Opposition verstand, in ihrer
gemeinsamen Lebensform eine „Revolutionierung des
Alltags“ anstrebte und in der die bürgerlichen
Beziehungen zwischen den Geschlechtern und zu den
Kindern aufgehoben worden waren, strebte die DDR immer
weiter nach Anerkennung. Konkret wurde es am 20. Februar
1967, als die Staatsbürgerschaft der DDR eingeführt
wurde, mit der die DDR eine eigene Nation „erfand“ und
damit unter anderem auf den Alleinvertretungsanspruch
der Bundesrepublik reagierte. Diese konsequente
Abgrenzung der DDR von dem anderen Staat auf deutschem
Boden war einer Wiedervereinigung natürlich nicht sehr
zuträglich. Die BRD
anerkannte die eigene
DDR-Staatsbürgerschaft nur bedingt an, solange das
Wiedervereinigungsgebot und damit auch der „Fortbestand
der [gesamt-]deutschen Staatsangehörigkeit“ gewahrt
wurden.
Dass andere Ostblockstaaten um ein friedliches
Miteinander mit der BRD bemüht waren, beäugte die DDR
mit Skepsis. Beispielweise kam es zu Spannungen, als die
Bundesrepublik mit Rumänien diplomatische Beziehungen
aufnahm. Rumänien war der erste Staat des Warschauer
Paktes, mit dem die BRD Beziehungen aufnahm. Daraufhin
kam es zu einer öffentlichen Auseinandersetzung zwischen
der SED und der Kommunistischen Partei Rumäniens (KPR).
Die KPR ließ sich davon nicht beirren.
Im Sommer war das wichtigste Ereignis in der DDR die
Wahl zur Volkskammer. Erwartungsgemäß erhielten die
Einheitslisten der Nationalen Front mehr als 99 Prozent
der Stimmen. Erstaunlich.
Walter Ulbricht wurde wieder
zum Vorsitzenden des Staatsrats und des Nationalen
Verteidigungsrates gewählt. Mit der konstituierenden
Sitzung der Volkskammer ging auch die Wiederwahl von
Willi Stoph zum Vorsitzenden des Ministerrats einher.
Eine Errungenschaft, über die sich die DDR-Bürger
wirklich freuen konnten, war die Einführung der
5-Tage-Arbeitswoche mit einer wöchentlichen Arbeitszeit
von 43 Stunden ab 28. August. Dies hatte der Ministerrat
im Rahmen verschiedener Maßnahmen zur Verbesserung der
Arbeits- und Lebensbedingungen beschlossen. Mit diesem
Beschluss hatte das Ulbricht-Regime erstmals einem
westlichem Beispiel dem sowjetischen Vorbild den Vorrang
gegeben. In der UdSSR und in allen anderen
Ostblockländern wurde nach wie vor an sechs Wochentagen
gearbeitet, während die Werktätigen in der DDR nur von
Montag bis Freitag im Berufsleben standen. Auffallend in
der DDR war der hohe Anteil an weiblichen Werktätigen.
Im Weltmaßstab stand die DDR damit mit 47 Prozent nach
der Sowjetunion (51,7 Prozent) an zweiter Stelle. In der
Bundesrepublik machte der weibliche Anteil der
arbeitenden Frauen 36,7 Prozent aus.
Für die DDR war ein chronischer Mangel an Arbeitskräften
ein dauerhaftes Dilemma. Die Produktionsmethoden waren
nicht auf dem modernsten Stand und die Ausrüstungen in
den Betrieben waren ebenfalls veraltet. Von stabiler
Wirtschaft konnte lange nicht die Rede sein. Das änderte
sich erst einige Jahre nach dem Bau der Berliner
Mauerbau, wodurch die Abwanderung von Arbeitskräften
deutlich verringert wurde. Nun konnte den
DDR-Werktätigen mit der Einführung der 5-Tage-Woche
endlich auch ein höheres Maß an Freizeit zugestanden
werden, ohne dass die Wirtschaft zusammenbrach.
Allerdings hatte die Neuerung auch ihre Tücken.
Irgendwie musste die ausfallende Arbeitszeit rationell
ausgeglichen werden. Dazu kam von der DDR-Regierung eine
neue Feiertagsordnung heraus. An den Feiertagen musste
nun wie an Werktagen gearbeitet werden und wer an
kirchlichen Feiertagen Zeit für entsprechende religiöse
Veranstaltungen beanspruchte, musste dies durch
„unbezahlte Freizeit“ verwirklichen.
Ganz reibungslos ging diese gewaltige Sozialmaßnahme
nicht vonstatten, aber sie wurde zunächst in der
Bevölkerung gut aufgenommen. Der Führung des Landes
machte es zudem noch Kopfzerbrechen, was die Menschen
mit der neugewonnen Freizeit anfangen würden.
Schließlich sollte „Gammelei“, „Müßiggang“ und „Beat“
diese Zeit nicht vollends bestimmen. Also mussten
gezielte politisch-kulturelle Angebote her, die dazu
dienten, die Freizeit sinnvoll zu nutzen. Auch die
Theater mussten sich darauf einstellen und erhielten
ihre entsprechenden Weisungen von „oben“.
Seitens der DDR war aus offiziellen Kreisen nur wenig
über die Wiedervereinigung zu vernehmen. Doch zu
Verhandlungen über eine Normalisierung der Beziehungen
zwischen der DDR und der BRD war das Land durchaus
bereit. So dargelegt beispielsweise in einem Brief des
Vorsitzenden des Ministerrates Willi Stoph an den
Bundeskanzler
Kurt Georg Kiesinger. Der seinerseits
erklärte ebenfalls die Bereitschaft der BRD, Sachfragen
durch Beauftragte beider deutscher Staaten zu behandeln.
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