Literatur 1959 - Das literarische Jahr 1959
veränderte sich vor allen Dingen in Kuba die
Gesamtlage. Der revolutionäre Kampf endete
siegreich, der Diktator Fuglencio Batista wurde
gestürzt, der durch viel Korruption Geld angehäuft
hatte und seine Flucht plante. So entging er seiner
gerechten Strafe, seinen Platz nahm
Fidel Castro
ein.
Der Kalte Krieg dauerte zwar an, aber erste Schritte
wurden allmählich eingeleitet. So schüttelten sich
Richard Nixon, US-Vizepräsident der Vereinigten
Staaten, und
U die Hand und
statteten einander gegenseitig einen Besuch ab.
In der Alten Pinakothek in München verübte Walter
Menzl ein Säureattentat auf Peter Paul Rubens
Gemälde „Der Höllensturz der Verdammten“. Die
gesamte linke Bildhälfte wurde schwer beschädigt.
Auf dem Bild stürzt der Erzengel Michael aus den
Wolken und schleudert nackte Menschenleiber hinab.
Das Thema des Höllensturzes war ein traditionelles
in der Kunst, was bei Rubens wiederum auffiel, war
das Fehlen von Christus als Weltrichter. Eigentlich
wollte Menzl „Die vier Apostel“ von Alfred Dürer
zerstören, hatte dann aber dem Bild gegenüber
religiöse Skrupel. Der Schaden an Rubens Gemälde
belief sich auf achthunderttausend DM. Das Gemälde
konnte restauriert werden.
Die Blechtrommel 1959
Ein bahnbrechendes Werk erschien 1959 von
Günter
Grass. „Die Blechtrommel“ wurde gedruckt und gehörte
zu den wichtigsten Werken der Nachkriegsliteratur.
Grass erhielt für den Roman einige Jahre später auch
den Literaturnobelpreis. Unvergesslich wurde das
Kind Oskar Matzerath, das sich weigerte, weiter zu
wachsen und so zur Instanz des Geschehens um ihn
herum wird, Beobachter und Hinweisender, der nur
andeutet, nicht hilft, um den ganzen Wahn der
Ereignisse zu versinnbildlichen.
Ein anderer Wahn kündete sich in Amerika an. Mit „Naked
Lunch“ trug auch William S. Burroughs seinen Teil
dazu bei, der Beat-Generation neue Nahrung zu geben.
Die Veröffentlichung brachte sofort einen Skandal
mit sich, wurde als pervers und obszön eingestuft,
mit Verweis auf darin vorkommende Pädophilie und
Kindsmord. Zudem setzte sich Burroughs Roman mit
Tabus auseinander wie Drogensucht, Gewalt,
Homosexualität, Wahnsinn und Psychiatrie. Burroughs
war seit vielen Jahren heroinabhängig und hatte im
Rausch aus Versehen seine Frau erschossen. Er wollte
mit ihr die Wilhelm-Tell-Szene nachspielen, setzte
ihr einen Apfel auf den Kopf und schoss daneben.
Dieses Erlebnis verarbeitete Burroughs hauptsächlich
literarisch.
Interessant war auch der Roman „Zaza in der Metro“
von Raymond Queneau. Der experimentelle
Schriftsteller gehörte zu der faszinierenden
Kunstbewegung „OuLiPo“, gemeinsam mit anderen wie
Italo Calvino oder Georges Perec. Die Abkürzung
stand für „Werkstatt für Potentielle Literatur“, mit
dem Ziel, die Sprache in neue Möglichkeiten zu
führen und von Zwängen zu befreien. Darunter waren
Experimente wie das von Perec, der einen ganzen
Roman schrieb, in dem der Buchstabe E kein einziges
Mal vorkam. Queneau legte mit seinen „Hunderttausend
Milliarden Gedichten“ nach, ein Buch, das zehn
Sonette enthielt, die in etlichen Varianten neu
gelesen werden konnten.
Währenddessen starb Boris Vian an einem Herzinfarkt
oder vor Empörung. Er war gerade einmal
neununddreißig Jahre alt. Freunde hatten ihn dazu
überredet, zur Filmvorführung von einem seiner
Romane zu gehen, wobei das Drehbuch dermaßen vom
eigenen Werk abwich, dass ihn die Aufregung darüber
wohl das Leben kostete. Auch Raymond Chandler
segnete das Zeitliche. Fünf Jahre zuvor war seine
Ehefrau gestorben, Chandler versuchte sich zu
erschießen, der Versuch misslang allerdings. Aus
Frust begann er zu trinken, musste auch mehrfach ins
Krankenhaus eingewiesen werden. Er starb mit siebzig
Jahren, nachdem er schwer erkrankt war.
Der eigenwilligste Tod aber war der Sprung aus dem
Fenster des georgischen Dichters Galaktion Tabidse.
Er gehörte zu der avantgardistischen Lyrikgruppe
„Blaue Hörner“, die sich der experimentellen
Dichtung verschrieb und auf sich aufmerksam machte.
Tabidse war schnell sehr bekannt in Russland,
kämpfte aber ständig mit sich selbst. Er musste
miterleben, wie seine Frau und sein Schwager der
Stalinistischen Säuberung zum Opfer fielen, wurde
depressiv und ein Trinker. In Tiflis, wo er die
letzten Jahre verbrachte, war er bekannt, weil er
ständig betrunken durch die Straßen torkelte und
laut mit sich selbst sprach. Als er aufgrund seiner
Exzesse ins Krankenhaus eingeliefert wurde,
flüchtete er aus dem Fenster, sprang aus dem dritten
Stock und erlag seinen Verletzungen.
Den Nobelpreis für Literatur erhielt 1959 der
Italiener Salvatore Quasimodo. Er wurde für sein
lyrisches Werk ausgezeichnet.

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