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DDR Chronik - Die DDR im Jahr 1954


Der Arbeiter- und Bauernstaat ging in sein fünftes Jahr und hatte im Vorjahr den Arbeiteraufstand am 17. Juni mit Hilfe des Eingreifens sowjetischer Truppen und Panzer überstanden. Die Unzufriedenheit gärte nun im Verborgenen und wurde erst einmal durch andere Ereignisse verdrängt.
Mit Wirkung von 1. Januar 1954 wurden die Reparationszahlungen eingestellt und die letzten 33 Sowjetischen Aktiengesellschaften – SAG – in den Besitz der DDR übergeben, wurden in Volkseigene Betriebe – VEB – umgewandelt, waren so also zum Volkseigentum geworden, nur die Wismut AG noch nicht. Die war für das sowjetische Atomwaffenprogramm von großer Bedeutung. Zudem war dieser Reparationsbetrieb keine Aktiengesellschaft wie die anderen Betriebe. Die Wismut war 1947 in Moskau gegründet worden und die Hauptaktionäre waren mit 70 Prozent der Aktien die Hauptverwaltung des sowjetischen Vermögens im Ausland und unterstand dem sowjetischen Außenhandelsministerium. Die ebenfalls 1947 gegründete deutsche Zweigstelle, die im thüringischen Städtchen Aue ins Handelsregister eingetragen worden war, unterstand direkt sowjetischer Verwaltung. Zwar wurde auf Beschluss der Moskauer Aktionäre die Wismut AG in der Sowjetunion daraufhin liquidiert, doch die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft – SDAG – Wismut, die 1953 in Karl-Marx-Stadt (vordem Chemnitz) gegründet wurde, war kein Rechtsnachfolger, übernahm aber alle Vermögenswerte der Wismut AG.
Auf politischer Ebene und ebenso in allen anderen Bereichen gab es für die DDR viel zu tun. Der Gedanke an eine Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten war noch nicht endgültig vom Tisch. Der Ministerrat der DDR hatte im Januar die Gründung eines Ausschusses für die Deutsche Einheit beschlossen. Es wurde auch ein Kulturministerium gebildet. Minister für Kultur wurde der Dichter Johannes R. Becher (1891-1958), der auch den Text zur DDR-Nationalhymne verfasst hatte. Den Minister für Staatssicherheit hatte man schon im Juli 1953 aus seinem Amt entlassen und zu Jahresbeginn 1954 wurde Wilhelm Zaisser (1893-1958) auch aus der Sozialistischen Einheitspartei (SED) ausgeschlossen. Er verlor auch seinen Sitz in der Volkskammer. Zaisser hatte nach dem Aufstand vom 17. Juni 1953 gemeinsam mit dem Chefredakteur des Zentralorgans „Neues Deutschland“ versucht, Walter Ulbricht (1893-1973) zu entmachten. Ohne Erfolg. Zudem hatten sie den diktatorischen und bürokratischen Führungsstil Ulbrichts offen kritisiert und sich auf die Unterstützung des sowjetischen Geheimdienstchefs, Innenminister und Vizepremier Lawrenti Beria (1899-1953) verlassen, der aber, als Ulbricht 1953 nach Moskau reiste, bereits gestürzt war. Nikita S. Chruschtschow (1894-1971) und dessen Ministerpräsident Georgi Malenkow (1902-1988) waren Ulbricht-Anhänger. An Stelle von Zaisser trat Ernst Wollweber (1898-1967) das Amt des Staatssekretärs in dem inzwischen als Staatssekretariat herabgestuften Ministerium an, das dem Innenministerium unterstand.
Im Zuge strenger, stalinistischer Verfolgung war im Vorjahr der erste Außenminister der DDR, Georg Dertinger (1902-1968) verhaftet worden. Wegen angeblicher „Spionage und Verschwörung“ verurteilte ihn im Juni 1954 das Oberste Gericht der DDR in einem Schauprozess zu 15 Jahren Zuchthaus.
Im kulturellen Bereich geschah im Jahr 1954 viel in der DDR. Da wurde der Film von Kurt Maetzig (1911-1912) „Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse“ uraufgeführt, ein Film mit vielen propagandistischen Aspekten. Das Theater am Schiffbauerdamm in Berlin wurde als ständige Spielstätte von Bertolt Brecht (1898-1956) und seinem „Berliner Ensemble“ eröffnet. Brecht hatte auch das Molière-Eröffnungsstück, „Don Juan“ bearbeitet. Die „Volksbühne“ am Rosa-Luxemburg-Platz war wieder aufgebaut worden. Sie eröffnete ebenfalls 1954. „Wilhelm Tell“ war die erste Premiere. Und in Potsdam-Babelsberg wurde die „Deutsche Hochschule für Filmkunst“ gegründet, die heute noch als „Deutsche Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf“ immer noch existiert. Ihr erster Präsident war Kurt Maetzig, der Regisseur des Thälmann-Films.
Die DDR-Jugend und die Jugend aus der benachbarten Bundesrepublik trafen sich im Sommer zum II. Deutschlandtreffen der Freien Deutschen Jugend (FDJ) in Berlin und ebenfalls im Juni wurde im Berliner Kulturhaus des VEB Kabelwerk Oberspree die „Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse“ gegründet. Diese antireligiöse Vereinigung bestand bis 1990 und hatte die Aufklärung der DDR-Bevölkerung zum Ziel in technischen und gesellschaftswissenschaftlichen Bereichen. Sie hatte später (ab 1966) den Namenszusatz URANIA. Seit 1991 waren aus dieser Gesellschaft lokale Vereinigungen in den neuen Bundesländern entstanden, woraus der „Bundesverband Neue Urania“ hervorging.
Im August begann eine spektakuläre Verhaftungsaktion. Im Rahmen dieser Aktion „Pfeil“ wurden binnen kurzer Zeit Hunderte angebliche Agenten, Spione und Regimegegner festgenommen. Die DDR räumte politisch auf.
Seitens der Bundesrepublik wurde die von der DDR als Erwiderung auf die von der Sowjetunion abgegebene Souveränitätserklärung gleichfalls erklärte Souveränität für nichtig erklärt. Die BRD betonte ihren Alleinvertretungsanspruch für alle Deutschen. Dieser wurde von der 15-Mächte-Konferenz anerkannt, gleichzeitig war die BRD in die NATO eingeladen worden. Die Folge des derart betonten Alleinvertretungsanspruches waren erneute Spannungen zwischen den zwei deutschen Staaten. Erst recht, da das Internationale Olympische Komitee (IOC) den DDR-Aufnahmeantrag schon ablehnt hatte.
Die DDR tat alles, um ihre Eigenständigkeit unter Beweis zu stellen. Sie beschloss 1954 ihre eigene Fluggesellschaft zu gründen, die „Deutsche Lufthansa der DDR“, was dann auch ein Jahr später offiziell in die Tat umgesetzt wurde. Sie bestand bis 1963, wurde aber schon 1958 von der „Interflug“ weitestgehend abgelöst, ebenfalls eine DDR-Fluggesellschaft. Eine Verbindung mit der „Deutschen Lufthansa AG“ bestand übrigens nicht.
Zum Ende des Jahres fanden dann noch im Oktober Schauwahlen zur Volkskammer statt, die natürlich 99,46 Prozent für die Einheitsliste ergaben. Und im November wurde dann auch der „Zentrale Ausschuss für Jugendweihe“ gegründet. Die Jugendlichen sollten offiziell in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen werden, aber nicht mit einer kirchlichen Zeremonie. Die Jugendweihe mit 14 Jahren stellte die sozialistische Alternative dar. Wer dennoch an kirchlichen Ritualen festhielt, was durchaus möglich gewesen war, musste aber mit eventuellen Repressalien rechnen.
Das Jahr 1954 endete für die Volkspolizei mit einem modischen Highlight. Deren Uniformen, die bis dahin dunkelblau gewesen waren, wurden durch optimistisches Grün ersetzt. Mit dieser Wohlfühlfarbe konnte der „Freund und Helfer“ beruhigt ins neue Jahr gehen und sich selbstbewusst den „Grünen-Witzen“ stellen.
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