Filmjahr 1940 – „Der große Diktator“ – Chaplins
Satire-Klassiker
Siegesmeldungen der Deutschen Wehrmacht versetzten
einen Großteil der deutschen Bevölkerung in
Euphorie, obwohl die Katastrophe noch kaum begonnen
hatte. Hitler und Mussolini vereinbarten eine
Allianz und im Mai begann der Westfeldzug.
Wie man sich anderenorts mit dem Zweiten Weltkrieg
auseinandersetzte, zeigte vor allem ein Film, der zu
den berühmtesten gehört, die Charlie Chaplin
(1889-1977) je drehte – „Der große Diktator“ („The
Great Dictator“). Diese Satire auf Hitler und den
deutschen Nationalsozialismus hatte am 15. Oktober
1940 ihre Uraufführung in New York, in die
US-amerikanischen Kinos kam der Film im Folgejahr.
Chaplin hatte zu Jahresbeginn 1940 bekannt gegeben,
dass die Uraufführung in Berlin stattfinden sollte.
Diese Aufsehen erregende Bekanntmachung wurde
natürlich nicht realisiert. In Großbritannien hatte
der Film im Dezember 1940, in Frankreich im April
1945 Premiere. In Italien wurde „Der große Diktator“
1946 aufgeführt und in der Bundesrepublik
Deutschland kam der Film erst 1958 in die Kinos. Der
Film war Chaplins erster Tonfilm, in dem er eine
satirisch fiktionale Sprache einsetzte. Die Sprache
war bewusst unverständlich gewählt, der Inhalt war
aber deutlich durch den aggressiven Tonfall, durch
die
Mimik und die Gestik. Hitlers Sprache und
Rhetorik wurde rundum persifliert. In den
Vereinigten Staaten wurde der Film als Beitrag zur
inneramerikanischen Debatte um den Kriegseintritt
der USA gewertet. Von der „New York Times“ wurde er
als der „vielleicht wichtigste Film, der je
hervorgebracht wurde“ bezeichnet. Allerdings wurde
Chaplin von den Blättern des Pressezaren William
Randolph Hearst (1863-1951) der Kriegshetze
bezichtigt und in Chicago wurde Chaplins Film wegen
des hohen Anteils Deutschstämmiger nicht gezeigt.
In Deutschland brachte der Regisseur Wolfgang
Liebeneiner (1905-1987) den Film „Bismarck“ zur
Uraufführung. Diese Filmbiografie gehört zu den
nationalsozialistischen Propagandafilmen. Otto von
Bismarck (1815-1898) wurde als Vorbild und als der
angebliche Vorläufer Adolf Hitlers in Szene gesetzt.
Der Chef der Tobis-Produktionsgesellschaft und
Reichsfilmdramaturg, Ewald von Demandowsky
(1906-1946), hatte die Idee zu diesem Film. Er
wollte damit den Wünschen des
Reichspropagandaministers Joseph Goebbels
(1897-1945) entsprechen. Am 6. Dezember 1940 hatte
der Film im Berliner Ufa-Palast am Zoo seine
Uraufführung. Der Film durfte nach dem Ende des
Zweiten Weltkrieges auf Weisung der Alliierten nicht
mehr gezeigt werden. In der später gegründeten
Bundesrepublik Deutschland wurde „Bismarck“ mit
einer Altersfreigabe ab 18 Jahren wieder zugelassen.
Ein Film, der von der Berliner Terra-Filmkunst GmbH
produziert und von Arthur Maria Rabenalt (1905-1993)
in Szene gesetzt wurde war im Jahr 1940 auch
„Achtung! Feind hört mit!“. Dieser
nationalsozialistische Propagandafilm wurde am 3.
September 1940 in Deutschland zum ersten Mal
aufgeführt. In der Hauptrolle war René Deltgen
(1909-1979) zu sehen, dessen Flug mit einer „Bücker
Bü 180 Student“ gedoubelt wurde. Die Piloten, die
für Deltgen die Maschine flog, hieß Beate Uhse
(1919-2001). Die Aufführung des Films wurde nach
Kriegsende von den alliierten Siegermächten
verboten.
Mit „Das Herz der Königin“, einem Film von Carl
Froelich (1875-1953), der sich mit dem Leben der
schottischen Königin Maria Stuart befasst und den
die Filmprüfstelle die Prädikate „Künstlerisch
wertvoll“ und „Kulturell wertvoll“ verlieh, war ein
echter Misserfolg entstanden. Der Film, der keine
Jugendfreigabe erhalten hatte, wurde am 1. November
1940 in München erstmals aufgeführt. Er gilt noch
heute als Zarah Leanders (1907-1981) schwächster
Film.
Dem deutschen Regisseur Helmut Käutner (1908-1994)
gelang eine intelligente Gradwanderung. Mit dem Film
„Kleider machen Leute“ schuf Käutner nach Motiven
der gleichnamigen Novelle von Gottfried Keller
(1819-1890) einen Kostümfilm in romantischem
Zeitkolorit des frühen 19. Jahrhunderts, der nicht
nur eine Liebesromanze ist, sondern zugleich einen
falschen romantischen Anschein bloßstellte. Der Film
folgte keiner NS-Propaganda, hatte nicht zum Ziel,
die Zuschauer vom Krieg abzulenken und war in den
Hauptrollen mit Heinz Rühmann (1902-1994) und dessen
Ehefrau Hertha Feiler (1916-1970) besetzt. Eine
Ablenkung von den Kriegsgeschehnissen benötigte die
Deutsche Wehrmacht in jenem Jahr ohnehin nicht. Die
Eroberungspolitik hatte noch einen siegreichen
Verlauf, durch den die Menschen Erfolgsmeldungen
gewohnt waren und im Kino einfach Unterhaltung
suchten.
In Großbritannien entstand im Jahr 1940 ein Film,
der durch seine aufwändigen Spezialeffekte zum
Meilenstein des Genres Abenteuerfilm- und
Fantasyfilm wurde – „Der Dieb von Bagdad“ („The
Thief of Bagdad“). Eine der Hauptrollen spielte der
deutsche Schauspieler Conrad Veidt (1893-1943), der
mittlerweile die britische Staatsangehörigkeit
hatte. Die Dreharbeiten zu dem Film waren im Herbst
1939 nahezu abgeschlossen, als sie jäh unterbrochen
werden mussten, weil Großbritannien in Zweiten
Weltkrieg eintrat. Die Pläne, die Außenaufnahmen in
Afrika zu drehen, waren damit hinfällig geworden.
Alexander Korda (1893-1956), der Produzent des
Films, entschloss sich, die Außenaufnahmen in den
USA zu drehen, was dann auch in der
beeindruckenden
Kulisse des Grand Canyon, Bryce Canyon und der
Painted Desert realisiert wurde. So entstanden
faszinierende Szenen, die den Film noch heute
sehenswert machen. Als der Film endlich am 5.
Dezember 1940 in der „Radio City Music Hall“ in New
York seine Uraufführung hatte, waren Kritiker und
Publikum gleichermaßen von dieser Weltpremiere
begeistert.
Im April 1940 hatte der deutsche Spielfilm „Der
Postmeister“ Premiere. Das Sujet basiert frei auf
der gleichnamigen Erzählung von Alexander Puschkin
(1799-1837). Die Titelrolle wurde von Heinrich
George (1893-1946) gespielt, von dem im „Lexikon des
internationalen Films“ steht, dass die Rolle des
Postmeisters zu Georges besten Rollen gehört. Seine
Filmtochter Dunja wurde von Hilde Krahl (1917-1999)
gespielt und als Rittmeister Minskij war Siegfried
Breuer (1906-1954) zu sehen. Der Film, den Gustav
Ucicky (1899-1961) inszeniert hatte, wurde bei den
Internationalen Filmfestspielen in Venedig mit dem
Mussolini-Pokal als bester ausländischer Film
geehrt. Der Film kam nach dem Beginn des Krieges
gegen die Sowjetunion im Sommer 1941 nicht mehr zur
Aufführung. Das Propagandaministerium unter Joseph
Goebbels (1897-1945) war der Ansicht, dass das Bild
der russischen Menschen zu sympathisch gezeigt
wurde, da eben diese ja nun als Feinde galten.
Die Oscarverleihungen / Academy Awards
Die Verleihung der Academy Awards war wohl einer der
wenigen großen Auftakte, die das Filmjahr 1940 mit
sich brachten. Der bereits zu dieser Zeit als
größter Filmpreis angesehene Award ging nur an die
erlesensten Werke und zeichnete nur die Besten der
Filmbranche aus. Moderiert wurde das Spektakel von
Bob Hope. Als Räumlichkeiten dienten am 29. Februar
die Hallen des Ambassador Hotels in Los Angeles.
Bester Film wurde „Vom Winde verweht" von Victor
Fleming. Das Meisterwerk war schon seit seiner
Ausstrahlung 1939 im Munde vieler Menschen und
Kritiker. So überraschte es nicht, dass auch der
Preis für die beste Regie an Fleming ging – einher
mit der besten hauptdarstellerischen Leistung von
Vivien Leigh für ihre Rolle als Scarlett O’Hara.
Filmfestspiele von Venedig
Vom 08. August an bis zum 01. September vergab die
ausgewählte Jury
die begehrten Preise. „Der Postmeister“ von Gustav
Ucicky überzeugte die kritischen Juroren und
schaffte es, sich als bester ausländischer Film
durchzusetzen. Bester nationaler Film wurde „L'Assedio
dell'Alcazar“ von Ausgusto Genina. Mit seinem
sozialkritischen Stück spiegelt der Italiener viele
alltägliche Aspekte des Lebens wieder.
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