Das Musikjahr 1925 - Josephine Baker, der Charleston-Star
1923 war der Charleston ein Modetanz in den USA
geworden. Auch in Europa war der wilde Charleston
mit seinen ausgelassenen Verrenkungsmöglichkeiten
zum das Lebensgefühl der „Goldenen Zwanziger“
ausdrückenden, überaus beliebten Tanz geworden, wenn
auch mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung. Den
letzen Schub bekam der Tanz durch die Amerikanerin
Josephine Baker, die 1906 als Tochter einer
schwarzen Mutter und eines weißen Vaters in New York
geboren worden war. Die stets gutgelaunt wirkende
Vaudeville-Tänzerin und -sängerin wurde 1925 für die
am 2. Oktober im Pariser „Théâtre des
Champs-Elysées“ uraufgeführte Show „La Revue Nègre“
verpflichtet. Ihr barbusiger und im knappen Röckchen
präsentierter
Charleston-Tanz löste beim
begeisterten Pariser Publikum ein rasch ganz Europa
erfassendes Charleston-Fieber aus und machte
Josephine Baker zum Star.
Auch für eine andere begnadete afroamerikanische
Musiker-Persönlichkeit war das Jahr 1925 ein
wichtigen Einschnitt der Karriere. Der noch
unbekannte Jazz-Sänger und -trompeter und spätere
Titan des „New Orleans Jazz“-Stils Louis Armstrong
gründete in Chicago mit „Louis Armstrong & The Hot
Five“ seiner erste eigene Jazz-Band und begann
Platten aufzunehmen. 1925 wurde die Fachwelt auf ihn
aufmerksam, als er am Kornett die Blues-Sängerin
Bessie Smith bei deren auf Platte gebrannten
Variante des Jazz-Standards „Saint Louis Blues“
begleitete.
Auf den großen Aufstieg in die Top-Charts musste
Armstrong allerdings noch etwas warten. Dort war Al
Jolson, der gern schwarz geschminkt auftrat, 1925
wie in den Vorjahren bereits gut platziert. Unter
anderem mit seinem Nr.-1-Hit „All Alone“ brachte er
das Publikum zum Schmelzen. Das 1924 von Irving
Berlin komponierte Schmacht-Stück wurde zum
Klassiker der U-Musik. 1925 landeten John McCormack
und Paul Whiteman mit ihren „All Alone“-Varianten
ebenfalls Hits und noch in den 1960er Jahren
fesselten Stars wie
Doris Day und
Frank Sinatra mit
dem Berlin-Standard ihre Fans.
Wesentlich beinzappeliger als diese Edel-Schnulze
von Al Jolson & Co. wirkten 1925 das aufgekratzte „Yes
Sir! That's My Baby“ von Gene Austin, das ebenso
quicke „O Katharina!“ von Ted Lewis, das „ If You
Knew Susie“ von Eddie Cantor, das banjo-lastige „Collegiate“
von Fred Waring´s Pennsylvanians und das berühmte „Sweet
Georgia Brown“ in den Versionen von Ben Bernie (sehr
schnell) und von Ethel Waters (bluesig). Mit dem
jazzigen „Squeeze Me“ schuf Fats Waller 1925 einen
in Folge von vielen Stars in ihr Repertoire
aufgenommenes heiter-ruhiges Meisterstück.
Zunehmend gekauft wurden 1925 in den USA auch
Country-Platten wie Vernon Dalharts elegischer „Prisoner´s
Song“ oder das Old-Time-Fiedel-Stück „Old Dan
Tucker“ von Fiddlin' John Carson. Wesentlich zum
kommerziellen Country-Boom beigetragen hatte die
1925 erstmalig vom Nashviller Rundfunksender WSM
ausgestrahlte Radioshow „Grand Ole Opry“ (bis 1927:
„Barn Dance Show“). Die jeden Sonnabend gesendete
Radioshow entwickelte sich zu einer nationalen
Kulturinstitution in den USA und konnte 2015 ihren
90. Geburtstag feiern.
Aus den
Broadway-Musical „No, No Nanette“
ausgekoppelt wurde der von Marion Harris gesungene
Song „Tea for Two“ zu einem Evergreen.
In Frankreich hatte Berthe Sylva mit dem zur
Kategorie „Chanson réaliste“ zählenden Lied „Les
roses blanches“ Riesenerfolg und in Deutschland
freute sich das Volk, das nach dem Ende der
Inflationszeit und dem Beginn der
Weltwirtschaftskrise die Illusion genoss, dass es
vielleicht
doch noch aufwärts gehen könnte, über
Fred Raymonds frech-harmlosen Schlager „Ich hab’ das
Fräulein Helen baden seh’n“. „Gern hab ich die
Frauen geküsst“ war ein deutscher Hit des Jahres,
dessen Textzeilen „....hab’ nie gefragt, ob es
gestattet ist; dachte mir: nimm sie dir, küss sie
nur, dazu sind sie ja hier!“ in den 1920er-Jahren
anscheinend nicht anstößig erschienen. Das
überforsche Küsserlied hatte 1925 als Teil der
Franz-Léhar-Operette „Paganini“ in Wien Premiere.
Aus der Operette „Annemarie“ von Vater und Sohn
Gilbert konnte sich das Stück „Durch Berlin fließt
immer noch die Spree“ für den Fundus unkaputtbarer
Berlin-Lieder qualifizieren. Schmissig und etwas
schlüpfrig war der 1925er Gassenhauer „Was machst du
mit dem Knie, lieber Hans?“, der unter anderem von
Franzi Ressel geschmettert wurde. Mit viel
Tschintaratata im Bezug auf die neue
Radio-Technologie besang Max Kuttner „Die schöne
Adrienne...“ mit ihrer Hochantenne.
Ernsthafter ging es da bei Alban Bergs, bereits 1924
in Ausschnitten vorgestellter, Premieren-Oper „Wozzeck“
zu, die an Büchners Drama „Woyzeck angelehnt war.
1925 hatte auch die von Ferrucio Busoni geschaffene
Oper „Faust“ in Dresden Uraufführung.
Hits des Jahres 1925
Die Hits des Jahres 1925 sind unter anderem "I'm
Sittin' On Top of the World" von Art Gillham und "Alabamy
Bound" von den Goofus Five. Außerdem "If You Knew
Susie Like I Knew Susie" von Eddie Cantor und "Sweet
Georgia Brown" von Ethel Waters. Des Weiteren landen
die Goofus Five einen weiteren Hit mit "Yes Sir,
That's My Baby" und Fats Waller verzeichnet mit "Squeeze
Me" einen großen Erfolg.
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