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Das
Modejahr 1923 Mode – Mode von der stummen
Leinwand
Die wirtschaftliche Situation im Land steuerte auf
eine Katastrophe zu. Die innenpolitischen Ereignisse
nahmen beängstigende Ausmaße an und die Inflation,
die das Leben fundamental erschütterte, brachte etwa
115.000 Deutsche dazu, auszuwandern. Technischer
Fortschritt und die Entstehung des ersten
öffentlichen Rundfunksenders lösten bei denen, die
im Land blieben und sich redlich nährten, enorme
Begeisterung aus.
Die Mode in Deutschland wurde in der Hauptsache von
den Persönlichkeiten aus Film und Theater
geprägt. Erschienen die Damen auf der Leinwand in
langen Kleidern mit einem tiefen, bis zur Taille
reichenden Rückenausschnitt, dann setzte das
Maßstäbe. Auch die Mannequins in Paris und London
zeigten sich in der Garderobe der Berühmtheiten von
Leinwand und Revue. Das Flair war operettenhaft,
gerade richtig, um die eigene Misere vergessen zu
können. Stummfilmstars wie Pola Negri wurden auch
mit ihren Frisuren und der auffallenden Schminke zum
Leitbild der Frauen. Außer den Künstlern nahm ein
bedeutendes Ereignis ganz anderer Art Einfluss auf
die Damenmode: das Grab des Tutanchamun. Der Brite
Howard Carter hatte es im November des Vorjahres
entdeckt und einen Enthusiasmus ausgelöst, der sich
in der Mode widerspiegelte. Bei den abendlichen
Tanzvergnügungen sah man lange Gewänder mit
Ägypten-Motiven und Frischluft fächelte sich Frau
zeitgemäß mit einem Palmblattfächer zu.
Die Bekleidung einfacher Frauen betraf das weniger.
Sie mussten auf Extravaganz verzichten. Tagsüber
trugen sie Kleider, die schlicht und aus bezahlbaren
Stoffen gefertigt waren, meist natürlich in
Eigenarbeit. Bescheidenheit war der einzige Luxus,
den sich diese Frauen leisten konnten. Tuchstoffe,
Gabardine, ein robuster Stoff mit langer Haltbarkeit
und selten auch Kaschmir wurden bevorzugt. Die
Schnitte der Kostüme, die aus diesen Materialien
genäht wurden, entsprachen dennoch der schmalen,
modernen Silhouette. Die Röcke trug Frau
ausschließlich wadenlang. Wenn ein bisschen Stoff
übrig war,
leistete man sich kleine oder größere Drapierungen.
Ein schlichtes Mantelkleid war für die Mehrzahl der
Frauen auch für den Abend die ansprechende
Bekleidung. Neben den Kostümen kam eine lose Jacke
auf, die meist aus einem Samtstoff gefertigt und mit
einem bestickten Tuch kombiniert wurde. Auf der
Straße wurden die Kostüme fast nie ohne Hut
getragen. Der „Topf-Hut“, der sich an die Form des
Kopfes anschmiegte und höchsten mit einem Band
verziert war, charakterisierte den Zeitgeschmack.
Besonders schick, wenn auch nur bei den wohlhabenden
Damen zu sehen, waren Schneider-Kostüme, die
fachgerecht aus feinem, weißen Stoff gearbeitet
waren. Dazu, auch in Weiß, trug die Dame von Welt
einen kleinen Filzhut. Die Schlichtheit der
Bekleidung galt in allen Kreisen als angemessen,
auch wenn die Qualität der Stoffe einen deutlichen
Unterschied zeigte. Die Damen, die sich Extravaganz
leisten konnten, hielten Maß, waren sich ihrer
Eleganz dennoch bewusst. Zudem war eine knabenhafte
Figur angesagt. Wer sie nicht hatte, half mit einer
Korrektur in Form von Unterwäsche nach. Dabei war
jedoch das Korsett vollends verpönt. Es musste mit
einem entsprechenden Hüft- oder Busenhalter zu
schaffen sein.
Hoffnung auf eine Verbesserung des täglichen Lebens,
in dem ein
Brot 470 Milliarden Mark kostete, brachte
die Währungsreform, in der die Mark zunächst auf die
Rentenmark umgestellt wurde. Ein Lichtblick, obwohl
das Ende des Tunnels noch längst nicht erreicht war.
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