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Das
Modejahr 1922 Mode – Grauer Alltag, glamouröse
Nächte
Der Alltag in der Weimarer Republik sah düster aus.
Vergnügungen wurden eingeschränkt, als seitens des
Innenministeriums eine Verordnung erlassen wurde,
die das sogenannte Schlemmerunwesen beschränken
sollte. Und das in einem Land, in dem Hunger,
Arbeitslosigkeit und Inflation die Realität waren!
Der junge Bertolt Brecht begann die Theaterszene zu
erobern. Die Künste fanden neuen Raum. Dem gegenüber
wurden auch die antidemokratischen Auswüchse
fataler. Deren Anschläge gipfelten in dem
Mord am
deutschen Außenminister Walther Rathenau. Die Vision
der Menschen, es würde ein
demokratischer Staat entstehen – immerhin war die
Novemberrevolution von 1919 noch gar nicht lange her
– wandelte sich allmählich in einen Albtraum.
Daran änderten auch die Ruhe ausstrahlenden, glatt
fallenden Gewänder nichts, die sich zunehmend
durchsetzten. Die Schnitte waren einfach. Bei den
Stoffen bevorzugten die Frauen edles und teures
Material. Jedenfalls in den Kreisen, die sich mit
Mode und Extravaganz beschäftigen konnten. Nicht nur
das Sprechtheater mit ernsten, aufrüttelnden Stücken
lockte die Menschen an. Viel mehr ließen sie sich
gern von großen Revuen begeistern, deren Aufwand in
keinem Verhältnis zu dem Elend des grauen Alltags
normaler Menschen stand. Eine Revue, die im Berliner
Metropoltheater aufgeführt wurde, erregte bei den an
Mode interessierten Damen besonders viel
Aufmerksamkeit. Es war ein Abend, an dem
Theaterstars Mode der Berliner Haute Couture auf der
Bühne zeigten. Hans Albers, Lil Dagover und
andere
Namen, die in aller Munde waren, wurden zu
Mode-Statisten ohne Text. Doch Mode sollte nicht nur
des Kaufanreizes wegen einen Formenwechsel
anstreben, war in der „Zeitschrift für Deutsche
Frauenkleidung und Frauenkultur“ zu lesen. Sie
sollte keine Rohstoffe und keine Arbeitskräfte
missbrauchen. Dass modische Kleidung als Billigware
in Massenherstellung großen Kreisen der Bevölkerung
zugänglich gemacht werden könnte, wurde ebenfalls
als verschwenderisch angesehen und abgelehnt. Also
nähten die Frauen ihre bescheidene Garderobe
weiterhin selbst, die Damen der Oberschicht kauften
weiterhin teuer ein.
Die einfache Silhouette war vorherrschend. Lockere
Etui- und Futteralkleider hatten eine tiefe
angedeutete Taille, waren ansonsten aber ganz gerade
geschnitten. Dieselbe Form hatten die Kleider des
Sommers. Diese wurden jedoch aus transparenten,
leichten Stoffen gefertigt. Voile war einer davon.
Auch das netzartige, feste Tüll-Gewebe oder Organdy,
ein feines, durchsichtiges Gewebe, kamen zum
Einsatz. Der schlichte Schnitt der Kleider wurde
durch Aufputz gemildert. Stickereien und Fältchen
fehlten an keinem Modell. Die Vielfalt der Spitzen,
wie sie in Berlin auf einer Spitzenmesse ausgestellt
wurden, bot Anregungen, um aus einem abgetragenen
Kleid ein modisches zu zaubern. Es gab Spitzen in
den
unterschiedlichsten Farben, wobei schwarze oder
dunkelblaue Grobspitze der Renner war. Häkelspitze
fertigten die Frauen selbst und verzierten damit
Kragen und Volants. Dabei fand gerade die Mischung
aus Hell und Dunkel besonderen Anklang. Zudem
machten vor allem die dreiviertellangen Kimono-Ärmel
den Reiz der Kleider aus. In der Modefarbe Weiß
sahen sie besonders edel aus. In der Abendgarderobe
hatten diese Ärmel sehr oft einen raffinierten
Schlitz.
Das Kostüm war im Alltag sehr gefragt. Die
Silhouette war schmal, die Jacke reichte über das
Gesäß. Die Röcke waren ebenfalls schmal geschnitten
und der Saum umspielte die Knöchel. Ein offener,
kleiner Seitenschlitz sollte die Bewegungsfreiheit
ermöglichen. In der Abendgarderobe war eine lockere
Drapierung modern, die in eine Seitenschleppe
überging. Dünne Träger vergrößerten das Dekolleté,
das mit Silberspitzen und im Gaufrierverfahren
veredelten Stoffen verfeinert war. Gaufrieren nannte
man das Druckverfahren, das Musterungen in die
Stoffe prägte. Derartige Ausschmückungen galten als
sehr schick. Asymmetrischer Aufputz mit echtem
Hingucker-Effekt setzte sich durch. Es reichte dazu
mitunter schon ein Spangen-Verschluss in Hüfthöhe.
So einfach war nicht alles in dem Jahr, in dem die
Nachwirkungen des Krieges noch deutlich spürbar
waren. Daran änderten auch die vielen Vergnügungen
nichts.
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