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Das
Modejahr 1910 Mode – Die Mode humpelt
Das letzte Jahrzehnt hatte gezeigt, wie schwer
Reformen zu realisieren waren. Die angekündigte
Reform des Dreiklassenwahlrechts, die bereits 1908
angekündigt worden war, blieb erfolglos. Nach wie
vor war das direkte Steueraufkommen für den Gang zur
Wahl ausschlaggebend und das teilte die Verdienenden
in drei Klassen. Frauen hatten kein Wahlrecht.
Diesen Kampf mussten sie erst noch gewinnen. In
Sachen Reformbekleidung ging es auch nicht voran.
Doch wenigstens war die Mode des Korsett-Tragens auf
dem Rückzug. Während die „The Illustrated London
News“ das allererste Bild vom Nordpol abdruckte,
erschienen in den einschlägigen Modezeitschriften
Bilder von einer neuen Rock-Kreation. Was die
Sans-Ventre-Linie ein Jahrzehnt lang für den Bauch
war, übernahm nun der sogenannte Humpelrock für die
Beine. Das Fußkettchen, das eine
Zierde war, konnte
Frau ja noch gelten lassen. Aber die Stoff gewordene
„Fußfessel“ war einfach eine Zumutung. Dennoch
trugen alle Damen diesen Rock, um der neuen Mode im
Trippelschritt zu folgen. Allerdings ließ der
Humpelrock, so wurde er genannt, die Füße bis „hoch
hinauf“ zu den Knöcheln sehen. So ging es mit der
Rocklänge schon ein wenig aufwärts.
Der neue Rock gehörte zur Kleid-Linie des
französischen Modemachers Paul Poiret, der den
weiblichen Körper aus dem Korsett holte, um nun die
Beine zu fesseln. Was hatte es mit dem
sensationellen Rock auf sich? Vollkommen gerade und
dem Anschein nach bequem fiel er bis zu den Knien.
Unterhalb der Knie, fast an den Knöcheln, wurde der
Rock mittels eines sogenannten Sattels, also einer
Passe, bzw. einer Pelzbordüre so eng zusammen
gehalten, dass ein normales Laufen nicht mehr
möglich war. Um nun nicht auch noch den Rock beim
Laufen zu zerreißen, wurden die Waden mit einem
breiten Band verbunden. Trippeln erlaubt. Mehr
nicht. Ein Aufschrei der Frauenrechtlerinnen
hinderte jedoch die modebewussten Damen nicht –
schließlich kam dieses Modell aus Paris – diese
Kreation nach Poirets Vorstellungen zu tragen. Die
pfiffigsten Damen versuchten einen Kompromiss. Sie
ließen ein paar Falten seitlich einsetzen oder einen
Schlitz anbringen, der mit einem Steg zusammen
gefasst wurde. Eine echte Beweglichkeit war dadurch
nicht gegeben, aber das Trippeln war nicht mehr
nötig. Poiret war’s dennoch zufrieden. Immerhin
trugen die Damen kaum noch ein Korsett. In den
Alltag fand der Humpelrock nur in abgewandelter Form
Eingang. Die Röcke waren bis zur Wade weit
gebauscht. Am Ende dieser Aufbauschung raffte eine
Blende den Stoff eng zusammen. Das Laufen war auch
damit nicht gerade leicht. Zudem sah es plump aus.
Die Mode, die Poiret allerdings im Stil des Empire
kreiert hatte, fand leichter Anklang. Sie war
bequem,
auch wenn die bodenlangen Kleider in einer Schleppe
endeten. Die Tuniken, die darüber getragen
wurden
und deren Länge bis zu den Waden reichte, waren aus
transparentem Material. Das untere Kleid war immer
sichtbar. Poiret liebte leuchtende, auffallende
Farben. Doch die wurden so nicht in die alltägliche
Mode übernommen. Da hielten sich die Damen an eine
mildere Farbgebung.
Die schwingenden Bahnen- und Glockenröcke hatten
ihre Schuldigkeit getan. Nun trug Frau einen
Kostümrock, der gerade geschnitten war und schmal
ausfiel. Der Rocksaum zog durch eine Faltenpasse
oder eine Mäander-Bordüre die Blicke an. Die
Kostümjacken waren wie die Röcke aus Leinen- oder
Voilestoffen, bzw. aus Shantungseide, einer
chinesischen Seidenart, die kleine, plastische
Unregelmäßigkeiten aufwies. Die Blusen, die Frau zum
Kostüm wählte, waren leicht und luftig. Hier kam
Tüll zum Einsatz, auch Batist. Sehr beliebt waren
Blusen mit feinen Spitzeneinsätzen und solche, die
durch ihre Ajour-Stickerei auffielen. Das Besondere
der Ajour-Stickerei, die teilweise durchbrochenen
Maschen, ergab ein apartes Gesamtbild.
Während die Modezeitschriften die
unterschiedlichsten Umhüllungs-Kreationen anpriesen,
die die Kleider zusätzlich schmückten, während die
Damen außerdem ihre Vorliebe für Mäntel mit großen
Kragen aus Spitze entdeckten, die dennoch bis zum
Knöchel reichten und das Laufen wiederum
beschwerten, richtete in Paris Gabrielle Chanel
einen eigenen Modesalon ein – es war nur noch eine
Frage der Zeit, bis ihr Name in aller Munde und ihre
Mode an aller Damen Körper sein sollte.
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