Das Jahr 1993 war in literarischer Hinsicht im nicht
geringen Umfang durch Buch-Erscheinungen von etablierten
Autoren wie John le Carré,
Tom Clancy, Robert Ludlum oder
Stephen King geprägt.
Der seit 1901 verliehene Nobelpreis für Literatur, der
gleichbedeutend mit dem Einzug in den Olymp der
schreibenden Zunft ist, wurde aber in diesem Jahr einer
in der breiten lesenden Öffentlichkeít eher unbekannten
Autorin zugedacht. Als erst siebte Frau seit 1901 und
als erste afroamerikanische Autorin wurde die
US-Schriftstellerin und Professorin für
Geisteswissenschaften Toni Morrison (1931 – 2019) mit
dem Literatur-Nobelpreis geadelt. In den sechs bis 1993
erschienenen Romanen von Toni Morrison wie „The Bluest
Eyes“ (1970), „Song of Solomon“ (1977) oder „Jazz“(1992)
geht es durchgängig um die Darstellung prekärer
Lebenssituationen von Afroamerikanern in
unterschiedlichen historischen Phasen der USA. Dabei
verarbeitete Morrison häufig eigene Erfahrungen und die
Erfahrungen ihrer Familie mit Rassismus.
Vergleichsweise ebenbürtig wie der Literatur-Nobelpreis
ist der einzelwerkbezogene Pulitzer-Preis. Dieser seit
1917 verliehene US-amerikanische Edel-Preis ging 1993 in
der Kategorie „Dichtung“ an die US-Lyrikerin Louise
Glück (geb. 1943). Sie wurde für ihr im Vorjahr
erschienenen Gedichtband „Wild Iris“ ausgezeichnet.
(2020 hat Louise Glück für ihr Gesamtwerk den Nobelpreis
verliehen bekommen). In der Kategorie „Belletristik“ hat
sich die Pulitzer-Jury 1993 für eine
Kurzgeschichten-Sammlung des damals 48-jährigen
US-Schriftstellers Robert Olen Butler entschieden: „A
Good Scent from a Strange Mountain“ („Kinder des
Staubs“). Dabei thematisierte Vietnamkriegs-Veteran
Butler in 14 Erzählungen das Verhältnis von
vietnamesischen Migranten zur US-Gesellschaft.
Entsprechungen für den Pulitzer-Preis im
deutschsprachigen Kulturraum stellen der von der
Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ausgelobte
Georg-Büchner-Preis und der alljährlich auf der
Frankfurter Buchmesse vom Börsenverein des Deutschen
Buchhandels vergebene Friedenspreis dar. 1993 durfte
sich der in Dortmund geborene Lyriker Peter Rühmkorf
(1929 – 2008) über die Ehre freuen, in den Kreis der
Georg-Büchner-Preisträger aufgenommen zu werden. Genauso
konnte sich im selben Jahr der insbesondere als
Bürgerrechtsrechtsaktivist in der Endzeit der DDR
populär gewordene Autor und Theologe Friedrich
Schorlemmer (geb. 1944) freuen. Er wurde auf der
Frankfurter Buchmesse mit dem Friedenspreis geehrt.
Überschattet wurde diese Preisverleihung von politischen
Aufregungen. 1988 hatte der iranische Staatschef und
Religionsführer Chomeini gegen den des
indisch-britischen Schriftsteller Salman Rushdie (geb.
1947) eine Fatwa ausgesprochen, nach der Rushdie wegen
seines Romans „Satanische Verse“ mit dem Tode bedroht
wurde. Als Reaktion auf diesen babarischen Akt hatten
die Verantwortlichen der Frankfurter Buchmesse die
durchgehend staatlichen Verlage des Irans von einer
Teilnahme an der Messe ausgeschlossen. Nachdem diese
Entscheidung 1993 zurückgenommen worden war, gab es
energische Gegenproteste. Die Frankfurter Buchmesse
erlebte den größten Skandal ihrer Geschichte. Daraufhin
wurde die Einladung wieder zurückgenommen. Das löste
wiederum heftige Reaktionen von iranischer Seite aus.
Natürlich waren daneben auf der Buchmesse vor allem die
Neuerscheinungen des Jahres im Mittelpunkt des
Interesses. Darunter auch das Werk eines ebenso
berühmten wie wegen seines manchen Literaturkritikern
als zu schlicht schreibend bekrittelten Schriftstellers,
der 1993 bereits 23 Jahre tot war: Erich Maria Remarque
(1898 – 1970), der Autor des pazifistischen Romans „Im
Westen nichts Neues“ (1928). 1993 brachte ein Kölner
Verlag unter dem Titel „Der Feind“ eine Sammlung früher
Kurzgeschichten von Remarque heraus. In den zehn
Erzählungen reflektiert Remarque menschliche Reaktionen
auf den Ersten Weltkrieg und dessen Folgezeit.
Um eine ganz andere, ebenfalls 1993 erschienene Sammlung
von Kurzgeschichten handelt es sich bei den 24 Storys
des US-amerikanischen Grusel-Spezialisten Stephen King
(geb. 1947): „Alpträume“ („Nightmares and Dreamscapes“).
Ebenso ein Bestseller wie „Alpträume“ wurde der 1993er
Roman „Der Nachtmanager“ („The Night Manager“) des
britischen Spionage-Routiniers John le Carré (1931 –
2020). In Carrés 14. Roman geht es um Waffenhandel und
Geheimdienst-Ränke. Der US-Autor und gelernte Jurist
John Grisham (geb. 1955) hat 1993 mit seinem
Justiz-Roman „Der Klient“ („The Client“) ähnlich großen
Erfolg wie sein britischer Kollege. Grishams im Jahr
vorher erschienene, ähnlich justiz-bezogene Roman „Die
Akte“ platzierte 1993 ganz oben in den Charts.
Postum erschien der 1993 in Frankfurt/Main aufgelegte,
für erhebliches Aufsehen sorgende Brasilien-Roman
„Explosion. Roman der Ethnologie“ des Hamburger
Schriftstellers Hubert Fichte (1935 - 1998) .
Basis für einen Kultfilm wurde der 1993 in die Läden
gekommende Roman „Trainspotting“. Der schottische Autor
Irvine Welsh (geb. 1958) zeigte in seinem Erstling
verstörende, aber auch anrührende Aspekte der
Junkie-Szene in Edinburgh der Neunziger.
Für Trauer bei Literaturfreunden sorgte 1993 unter
anderem die Ableben der bayerischen Autorin und Bäuerin
Anna Wimscheider („Herbstmilch“ 1919 – 1993), des
englischen Schöpfers von „Clockwork Orange“ Anthony
Burgess (1917 – 1993), des US-Sachbuchautors William L.
Shirer („Aufstieg und Fall des Dritten Reiches“, 1904 –
1993) und des Schweizer Historikers und Schriftstellers
Niklaus Meienberg („Es ist kalt in Brandenburg“, 1940 –
1993).