Deutschland Politik 1986 – Auffrischung der
deutsch-deutschen Beziehungen
Die Änderungen, die zu Jahresbeginn in Kraft traten,
brachten für die Menschen in der Bundesrepublik einige
kleinere Verbesserungen: Das Wohngeld war erhöht worden
und das Kindererziehungsgeld wurde eingeführt. Das
Arbeitslosengeld wurde ebenfalls aufgebessert.
Die Grünen waren zwar bis in den Bundestag gekommen,
aber auch hier war ihr Stand schwer. Beispielsweise war
bezüglich der Beratungen des Etats des Geheimdienstes im
Bundestag ein Ausschluss der Grünen von diesen
Beratungen vom Bundesverfassungsgericht für
verfassungskonform erklärt worden. Die großen Parteien
blieben also unter sich. Auch die Versuche der Grünen
(gemeinsam mit der SPD), den Umweltschutz in das
Grundgesetz aufzunehmen, waren an der Gegenhaltung der
CDU/CSU gescheitert.
Es war wieder Leben in eine Annäherung der beiden
deutschen Staaten gekommen, als im
Februar der
Volkskammer-Präsident Horst Sindermann in Bonn empfangen
wurde. Das war der bis dahin ranghöchste Staatsbesuch
eines DDR-Politikers in der Bundesrepublik.
Bundeskanzler Helmut Kohl und Staatsratsvorsitzender
Erich Honecker hatten sich im März nach der Trauerfeier
für den zuvor ermordeten schwedischen
Ministerpräsidenten Olof Palme ebenfalls getroffen, wenn
auch auf neutralem Boden.
Und im Mai wurde dann sogar ein Kulturabkommen zwischen
der DDR und der Bundesrepublik in der DDR-Hauptstadt
Ost-Berlin unterzeichnet. Was lange währte, wurde
endlich gut: Die Verhandlungen für dieses Abkommen
hatten zwölf Jahre gedauert.
Im Sommer fanden in der DDR zudem Volkskammerwahlen
statt. Ein sehr spannendes Ereignis war das nicht
unbedingt, denn es wurde eine Einheitsliste gewählt, die
offiziellen Angaben zufolge auch fast ausnahmslos
einheitlich angenommen wurde. Das Ergebnis: Die
Staatsführung der DDR blieb bestehen. Wesentliche
Änderungen gab es nicht.
Doch immerhin war es nach vielen Jahren des Bestehens
zweier deutscher Staaten im September zu einer ersten
Städtepartnerschaft gekommen. Diese wurde zwischen dem
saarländischen Saarlouis und Eisenhüttenstadt vollzogen.
In der Bundesrepublik war das Thema
Atomkraft und
Wackersdorf noch längst nicht abgelegt worden. Im Mai
fanden in Wackersdorf die bisher heftigsten
Ausschreitungen wegen dieser Wiederaufbereitungsanlage
statt. Mehr als 300 Menschen, darunter 157
Polizeibeamte, waren bei den Auseinandersetzungen am
Bauzaun verletzt worden. Den Österreichern, die zur
Demonstration nach Wackersdorf kommen wollten, um
ebenfalls ihren Protest auszudrücken, war die Einreise
nicht möglich. Für 322 österreichische Demonstranten
hatte die bayerische Landesregierung ein Einreiseverbot
verhängt.
Bereits im Januar hatte es Auseinandersetzungen mit
Atomkraftgegnern gegeben. Das im Taxöldner Forst von
Gegnern der Wiederaufbereitungsanlage errichtete
Hüttendorf war von einigen tausend Polizeibeamten
geräumt worden.
Wie tief in den Menschen die Sorge um Leib und Leben saß
nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl zeigte sich auch
daran, dass die Bundesregierung gezwungen war, eine
Soforthilfe zu verabschieden, die Landwirten zugute
kommen sollte, deren Erzeugnisse aufgrund der
Verseuchung durch die Kernkraftschmelze in Tschernobyl
nicht mehr verkauft werden konnten.
Zwar war es zu Beginn des Jahres nicht gelungen, den
Umweltschutz ins Grundgesetz aufzunehmen, aber
wenigstens wurde im Juni von
Bundeskanzler Helmut Kohl
die Einrichtung eines Umweltministeriums in der
Bundesrepublik bekanntgegeben. Der erste Umweltminister
wurde Walter Wallmann von der CDU.
Die Bundesrepublik hatte mit Asylbewerbern zu kämpfen.
Deshalb beschloss die Bundesregierung im August
Maßnahmen, um die Einreise von Asylbewerbern zu
verhindern. Fluggesellschaften und Schifffahrtslinien
waren dazu verpflichtet worden, Personen nur noch mit
ordentlichen Papieren in die Bundesrepublik zu
befördern. Um dem Problem insgesamt besser begegnen zu
können, wurde im November das Asylrecht verschärft.
Demnach sollten Asylbewerber, die abgewiesen wurden,
schneller in ihre Heimat abgeschoben werden können,
während die Einreise ohne rechtmäßige Gründe für
Asylbewerber erschwert wurde.
Und wieder hatte die
RAF für Schlagzeilen gesorgt: Der
Leiter der politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes,
Gerold von Braunmühl, war am 10. Oktober auf offener
Straße in Bonn erschossen worden. Die Ermordung ging auf
das Konto der RAF.
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