Deutschland Politik 1985 – Michail Gorbatschow übernahm
KPdSU-Vorsitz
Als im März des Jahres 1985 der 54-jährite Politiker in
Moskau zum neuen Generalsekretär des Zentralkomitees der
Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) gewählt
wurde, brach ein Zeitalter der Veränderungen in der
Sowjetunion an, das sich auf den ganzen Ostblock
auswirkte. Nicht nur, weil Gorbatschow in der Geschichte
seiner Partei der zweitjüngste Generalsekretär war,
sondern weil er weitreichende Reformpläne zu
verwirklichen gedachte. Mit ihm wurden die Worte
Glasnost (Offenheit) und
Perestroika (Umgestaltung) zu
einem Programm, das die DDR-Bürger und die Bevölkerung
der anderen sozialistischen Länder aufgriffen. Nicht
aber deren Regierungen. Gorbatschow trug durch seine
Reformpolitik entscheidend zum Ende des Kalten Krieges
bei, erreichte die Menschen in aller Welt und gab vor
allem den Bürgern in der DDR neue Hoffnung auf ein
freies Leben in einem freien Land.
Auch Gorbatschows Außenpolitik, mit der z. B. durch die
Wiederaufnahme der Abrüstungsverhandlungen („Abschaffung
aller Atomwaffen“) weltweit Hoffnung aufkeimte für
eine
friedliche Welt, verschaffte dem Generalsekretär
internationale Hochachtung. Auch die bundesdeutsche
Außenpolitik profitierte von der neuen Offenheit der
Sowjetunion, während die DDR über soviel Veränderung und
Reformdenken nur Ablehnung übrig hatte.
Dessen ungeachtet hatte das Jahr 1985 in der BRD mit
einem traurigen Rekord begonnen. Die Arbeitslosenzahlen
waren rasant angestiegen. Letztmalig waren sie 1948
derart hoch gewesen. Allein im Ruhrgebiet gab es
zunehmend Langzeitarbeitslose. Dagegen fehlten in
anderen Städten Facharbeiter mit Spezialkenntnissen.
Zu all dem kam „dicke Luft“. Im Westen des Ruhrgebietes
musste zu Beginn des Jahres das Gesundheitsministerium
in Absprache mit der Regierung Nordrhein-Westfalens
Smog-Alarm der Stufe III ausrufen. Dies war das erste
Mal seit Bestehen der Bundesrepublik. Die Grenzwerte für
Schwefeldioxid waren in bedenkliche Höhen gestiegen.
Ätzender Nebel aus Rauch und Abgasen machte das Atmen
schwer. Die Folge der dicken Luft war ein absolutes
Fahrverbot für Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren.
Das war nur eine von zahlreichen Maßnahmen.
Im Mai 1985 brillierte Bundespräsident Richard von
Weizsäcker mit einer historischen Rede. Er hatte zu
einer Gedenkstunde in den Plenarsaal des Deutschen
Bundestages eingeladen. Gedacht wurde des 40.
Jahrestages der Beendigung des Zweiten Weltkrieges in
Europa und der damit verbundenen Befreiung von der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Die Rede
Weizsäckers wurde später von der Presse als
wahrscheinlich wichtigste Rede bewertet, die in der
Bundesrepublik jemals zu diesem Thema gehalten worden
war. Weizsäcker war es gelungen zu vermitteln, dass der
Tag des Kriegsendes in Europa für die Menschen in
Deutschland keine Niederlage war, es war ein Niederlage
für ein menschenverachtendes System
nationalsozialistischer Diktatur. Die Rede Weizsäckers
hatte auch international hohe Aufmerksamkeit und große
Anerkennung gefunden. Dadurch war Weizsäcker der Weg
geebnet worden, um im Oktober 1985 eine Reise nach
Israel antreten zu können. In Israel bezeichnete man die
Rede von Weizsäcker als „Sternstunde der deutschen
Nachkriegsgeschichte“. Der Bundespräsident war seit dem
Ende des Zweiten Weltkrieges der erste Vertreter in
seinem Amt, der von
Israel zu einem Staatsbesuch
eingeladen worden war.
Noch im Mai hatte es zum gleichen Gedenk-Thema einen
anderen Staatsbesuch gegeben:
US-Präsident Ronald Reagan
kam zu einem sechstägigen Besuch in die Bundesrepublik.
Dieser Besuch allerdings hatte einen bitteren
Beigeschmack, denn ungewollt war die Stadt Bitburg in
den öffentlichen Fokus gerückt. Als Symbol der
Versöhnung zwischen den einstigen Kriegsgegnern,
Deutschland und den Alliierten, wollten Bundeskanzler
Helmut Kohl und sein US-amerikanischer Gast auf dem
Friedhof in Bitburg Kränze niederlegen. Doch dazu kam es
nicht mehr, denn es stellte sich heraus, dass unter den
dort beigesetzten Wehrmachtsangehörigen und
amerikanischen Militärs auch Soldaten lagen, die
eindeutig der Waffen-SS zugeordnet werden konnten.
Dieser Umstand führte zu einem politischen Eklat und zu
einer breiten Debatte, an der sich nicht nur die
deutsche Öffentlichkeit, sondern auch das Ausland
beteiligte.
Zum Thema 40 Jahre Befreiung und Ende des Zweiten
Weltkrieges blieb Richard von Weizsäcker das alleinige
Highlight, das bis heute nicht in Vergessenheit geriet.
Ein juristisches Ereignis beschäftigte die deutschen
Medien, vor allem in der Bundesrepublik. Im April waren
die Terroristen Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar in
Stuttgart zu einer mehrfach lebenslänglichen Haftstrafe
verurteilt worden. Die beiden Mitglieder der
linksextremistischen Vereinigung RAF galten als
fanatisch und extrem gewaltbereit. Aufgrund einer
„besonderen Schwere der Schuld“ wurde eine vorzeitige
Haftentlassung ausgeschlossen.
Zum Ende des Jahres 1986 sorgten weitere Pleiten und
Pannen beim Bundesnachrichtendienst für Schlagzeilen:
Der für die Spionageabwehr im Bundesamt für
Verfassungsschutz zuständige Regierungsdirektor
Hansjoachim Tiedge hatte sich in die DDR abgesetzt.
Zuvor waren noch weitere „Spionagepannen“ enttarnt
worden. Beispielsweise hatten sich einige Sekretärinnen
in die Bonner Behörden „eingeschlichen“.
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