Das Sportjahr 1956 Sportchronik
Die VII. Olympischen
Winterspiele
An den VII. Olympischen Winterspielen, die vom 26.
Januar bis 5. Februar im italienischen Cortina
d’Ampezzo ausgetragen wurden, nahmen 32 Mannschaften
teil. Sie waren zudem die ersten Spiele, die im
Fernsehen übertragen werden konnten. Die Sowjetunion
erkämpfte die meisten Medaillen, eine wahrhaft große
Leistung für das Land, das zum ersten Mal an den
Spielen teilnahm. Dennoch wurde der 20-jährige
Österreicher Toni Sailer besonders umjubelt, denn
mit seinen drei Siegen im alpinen Skirennen, die er
als erster Sportler in Folge gewann, schrieb er
Sportgeschichte. Dem Schweden Sixten Jernberg gelang
es, in allen vier Langlaufwettbewerben je eine
Medaille zu gewinnen, über 50 km war es ein
Goldmedaille, über 15 km und 30 km erzielte er
Silber und in der Staffel gewann er Bronze.
Für die beiden deutschen Staaten war eine
gesamtdeutsche Mannschaft an den Start gegangen, für
die der DDR-Meister Harry Glaß eine Bronzemedaille
im nordischen Skisport holen konnte. Es war in
dieser Disziplin die erste Medaille, die ein
Deutscher gewann und es war die erste
Olympiamedaille für die DDR.
Die XVI. Olympischen Sommerspiele
Das Jahr 1956 wurde sportlich von den beiden
Olympiaden dominiert. Bei den Sommerspielen, die vom
22. November bis 8. Dezember im australischen
Melbourne stattfanden, mussten die Wettkämpfe auf
verschiedene Standorte verteilt werden, die zudem
weit entfernt von einander lagen. Wegen sehr
strenger Quarantänebestimmungen durften die Pferde
für die Reitsportler nicht in Australien einreisen.
Es wäre ein halbes Jahr Quarantäne nötig gewesen, um
die Reitwettkämpfe dennoch in Australien
auszutragen. Die Entscheidung fiel deshalb auf
Stockholm. Dort wurden die sechs olympischen
Wettbewerbe im Reitsport vom 10. bis 17. Juni
veranstaltet. Und sie machten Schlagzeilen!
Hans Günter Winkler, ein renommierter Springreiter
und in jener Zeit einer der bekanntesten deutschen
Sportler, konnte einen Doppel-Olympiasieg erzielen.
Das gelang ihm nicht allein. Der entscheidende Lauf
brachte seinem Pferd Halla den Beinamen
„Wunderstute“ ein. Winkler, der schwer verletzt war,
hatte den Ehrgeiz, dennoch anzutreten. Die deutsche
Mannschaft wäre sonst aus der Wertung genommen
worden. Betäubt mit Spritzen, Zäpfchen und allem,
was seine Schmerzen lindern konnte und was ihn
letztendlich in eine fast vollständige Benommenheit
versetzte, wurde er mit Kaffee und einem steten
Rütteln so weit wach gehalten, dass er zwar auf
seiner Stute sitzen, ihr aber mit keinem gezielten
Schenkeldruck über die Hindernisse zu helfen
vermochte. Der Ritt und vor allem die Sprünge
brachten den Reiter zum Schreien. Seine Stute
vollbrachte tatsächlich wahre Wunder. Winkler
absolvierte alles fehlerfrei, aber unter welchen
Gegebenheiten! Das Ergebnis war olympisches Gold für
die deutsche Mannschaft der Springreiter und für
Winkler auch noch der Sieg in der Einzelwertung.
Damit machten die Reiterspiele in Stockholm
grandiose Schlagzeilen. Die Stute Halla und ihr
Reiter wurden zu Helden dieser Reiterspiele.
Die Spiele, die dann ab November in Melbourne
ausgetragen wurden und bei denen es durch die
Reiterspiele bereits Medaillenträger vor der
offiziellen Eröffnung gab, wurden als sogenannte
freundliche Spiele bezeichnet, sieht man von einer
Ausnahme ab, die als „Blutspiel von Melbourne“ in
die Geschichte einging. Zeitnah mit der brutalen
Niederschlagung des Ungarischen Volksaufstandes
durch die Sowjetunion, standen sich im Wasserball
eben diese beiden Länder gegenüber. Bei einem
Spielstand von 4:0 wurde der Ungar Ervin Zádor von
einem Russen durch einen Faustschlag verletzt. Das
Blut rann aus einer klaffenden Wunde und die Presse
gab dem Spiel den entsprechenden Namen. Dieses Spiel
war durchweg geprägt von Brutalitäten auf beiden
Seiten. Die mehr als 5000 Zuschauer standen auf der
Seite der Ungarn und feuerten sie an. Dieses
brutalste Spiel in der Wassersportgeschichte wurde
eine Minute vor dem Ende abgebrochen. Die Ungarn
hatten in doppeltem Sinne gesiegt.
Deutschland konnte bei dieser Olympiade die erste
Goldmedaille der Nachkriegszeit durch den
Zweierkajak mit Meinrad Miltenberger und Michel
Scheuer nach Hause holen. Aus heutiger Sicht war der
prominenteste Athlet dieser Spiele der Schwimmer
Carlo Pedersoli, besser bekannt als Bud Spencer, der
einen achtbaren elften Platz über 100 m Freistil
belegte.
Radrennen
Die 9. Internationale Friedensfahrt, das
bedeutendste Amateur-Radrennen, das es seit 1948
gab, fand vom 2. bis 17. Mai 1956 statt. Das Rennen,
das auch „Course de la paix“ genannt wurde, führte
über 12 Einzeletappen. Es mussten 2212 Kilometer
zurückgelegt werden. Traditionell wurde die Strecke
Warschau-Berlin(Ost)-Prag gefahren, mit in den
Jahren jeweils wechselnden Ausgangsstädten. Unter
den 144 Fahrern befanden sich erstmalig Rennfahrer
aus der Bundesrepublik, von denen Willy Funke als
bester Westdeutscher in der Gesamtwertung den 18.
Platz belegte. In diesem Jahr wurde für die
sogenannte „Tour de France des Ostens“, wie die
Friedensfahrt auch genannt wurde, eine Neuerung
eingeführt. Wenn auch noch vorerst ohne Vergabe
eines entsprechendes Trikots wurde die Wertung für
den „Besten Bergfahrer“ eingeführt. Der populärste
Amateur-Radrennfahrer Gustav-Adolf Schur, besser
bekannt als Täve Schur, gewann drei Etappen. Er
gehörte auch der gesamtdeutschen Mannschaft an, die
im selben Jahr in Melbourne bei der Olympiade eine
Bronzemedaille gewann.
Den Gesamtsieg der 1956er Friedensfahrt holte sich
der Pole Stanislaw Krolak.
Bereits zum 43. Mal fand vom 5. bis 28. Juli die
„Tour de France“ statt. Bei diesem Radrennen mussten
auf 22 Etappen 4498 km bewältigt werden. Insgesamt
120 Radsport-Athleten nahmen an der Tour teil, die
traditionell in Paris endet. Hier konnte der
Franzose Roger Walkowiak aus Montluçon einen
überraschenden und sensationellen Gesamt-Sieg
erringen, ohne eine Einzeletappe gewonnen zu haben.
Walkowiak, der ein ausgezeichneter Bergfahrer war,
nutzte eine Massenflucht, um das Gelbe Trikot in der
7. Etappe zu erobern und damit als führender Fahrer
kenntlich zu sein. Er konnte es zwar nur drei Tage
tragen, doch in der 18. Etappe gelang es ihm, sich
dieses Trikot erneut zu erkämpfen. Er behielt von da
an die Führung und fuhr in Paris als Sieger ein.
Der Ruf der Berge
Der Manaslu, ein Bergmassiv im nepalesischen
Himalaya-Gebirge, gehört mit 8163 Metern Höhe als
achthöchster Gipfel zu den vierzehn Achttausendern
der Erde. Dieser Berg, der auch Kutang benannt wird,
hat seinen Namen aus dem Sanskrit. Dahinter verbirgt
sich „Berg der Seele“. In den ersten fünf Jahren des
1950er Jahrzehnt begann die Erkundung des Manaslu.
Vorher war dieser Berg kaum von Interesse für die
Forschung gewesen. Nun versuchten Briten und er
Wege zu erkunden, auf denen eine Besteigung möglich
werden könnte. Yuko Maki, ein erfahrener ischer
Bergsteiger führte schließlich 1956 eine Expedition
an, die den Manaslu über die Nordostflanke zum
ersten Mal bestieg. Datiert ist diese Erstbesteigung
auf den 9. Mai, gelegentlich ist auch vom 11. Mai
die Rede. Toshio Imanishi und Kiishiro Kato gehörten
zu den Erstbesteigern, ebenso Minoru Higeta und der
Sherpa Gyaldzen Norbu, der bereits ein Jahr zuvor
bei der Erstbesteigung des Makalu, des fünfthöchsten
Berges, dabei war. Der Leiter der Expedition Yuko
Maki wurde als Erstbesteiger nicht aufgeführt. Der
Erfolg war dennoch seiner erfahrenen Führung zu
verdanken.
Der vierthöchste Berg der Erde, der Lhotse, ragt
8516 Meter in die Höhe. Er liegt im Himalaya-Gebirge,
bildet die Grenze zwischen China und dem
Nepal und
befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft des
Mount Everest. Sein tibetischer Name „Südspitze“
verdeutlicht seine Zugehörigkeit zum Massiv des
Mount Everest. Felswände, die mehr als 3000 Meter
abfallen, machen den Lhotse zu einem extrem
schwierigen und zu einem enorm gefährlichen Massiv,
dem anspruchsvollsten der Erde. Dennoch gelang es
den Schweizern Fritz Luchsinger und Ernst Riess, die
zu einer elfköpfigen und von Albert Eggler
geleiteten Expedition gehörten, den Lhotse am 18.
Mai 1956 zum ersten Mal zu bezwingen. Am 23. Mai
folgten Ernst Schmied und Jürg Marmet. Die
Bergsteiger Dölf Reist und Hansruedi von Gunten
kamen am 24. Mai auf dem Gipfel an.
Der „zweitkleinste“ Berg der vierzehn Achttausender,
der dreizehnte in der Abfolge, ist der Gasherbrum
II, der mit 8034 Metern immer noch ein gewaltiger
Gipfel ist, wurde erstmals am 7. Juli 1956 (genannt
wird auch der 25. Juli) bestiegen. Dieser
Hauptgipfel der Gasherbrum-Gruppe liegt im
zentralasiatischen Karakorum-Gebirge zwischen
Pakistan und der
Volksrepublik China. Es war eine
österreichische Expedition, die sich unter der
Leiter des Bergsteigers Fritz Moravec bis zum Gipfel
empor kämpfte. Josef Larch, Hans Willenpart und der
Expeditionsleiter Marovec konnten den Ruhm der
Erstbesteigung für sich beanspruchen.
Was sportlich sonst noch geschah
Jubel bei den Fußball-Fans löste der Sieg von
Borussia Dortmund gegen den Karlsruher SC aus.
Dortmund gewann das Endspiel zur Deutschen
Meisterschaft im Berliner Olympiastadion vor rund
75. 000 Zuschauern am 24. Juni mit 4:2 Toren, wobei
dem rechten Außenverteidiger der Dortmunder
Mannschaft, Wilhelm Burgsmüller, ein Eigentor
„gelang“. Das änderte nichts daran, dass Borussia
zum ersten Mal Deutscher Meister geworden war.
Die Formel-1-Weltmeisterschaft gewann am 2.
September Juan Manuel Fangio. Für den Argentinier
war das der dritte Weltmeistersieg in Folge.
Und am 30. November gelang es dem 21-jährigen
US-amerikanischen Boxer Floyd Patterson in Chicago
Archie Moore, ebenfalls ein US-Amerikaner, im
Schwergewicht zu besiegen. Durch einen KO-Sieg über
den 43-jährigen Gegner wurde Floyd der jüngste
Weltmeister jener Zeit.
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