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Das Musikjahr 1955 - Buddy Holly und Little
Richard
Die Fünfziger lösen heute umso mehr einen
nostalgischen Blick in die Vergangenheit aus, als
sie noch zwischen einer ruhigen Entwicklungsphase,
dem bereits leicht angestaubten Konservatismus und
dem allmählichen Lösen aus diesen Bedingungen
schwankten. 1955, zehn Jahre nach dem Ende des
Zweiten Weltkriegs, war der Wiederaufbau in
Deutschland in vollem Gange und die Gemüter waren
optimistisch gestimmt. Evelyn Künneke sang „Du bist
ein Tiger“ und die Menschen erfreuten sich an einer
ruhig dahinfließenden Zeit, in der man die Dinge
noch langsam angehen konnte.
Die Wirtschaft ging 1955 weltweit bergauf, ein
Mittel gegen Kinderlähmung wurde entdeckt, Albert
Einstein und Thomas Mann starben, die Kleidung war
leicht zugeknöpft, noch ganz beeinflusst durch den
„Pariser Chic“, elegant und im Trend von Designern
wie Dior. Die
Massenkonfektion kam in Mode, Hüte
schmückten die Köpfe, insbesondere die der Frauen,
die Frisuren wurden schon kürzer und waren toupiert,
was ihnen die treffende Bezeichnung „Bienenkorb“
einbrachte. Die Autos, besonders in Amerika, waren
groß und gemütlich, das Radio war ein wichtiger
Alltagsbegleiter, getanzt wurde sittlich und zu
zweit, man sparte für ein Eigenheim und irgendwo
dahinter machte sich ein Sound bemerkbar, der gerade
den älteren Generationen auf die Nerven fiel. Die
Musik nannte sich Rock 'n' Roll.
1955 war die Entwicklung und Befreiung aus alten
Konventionen in vollem Gange. Das galt auch für die
Musik. Während Jonny Cash Anfang des Jahres noch mit
„Hey, Porter“ und Chuck Berry mit „Maybellene“ in
den Charts vertreten waren, die „Muddy Waters“ ihr „Mannish
Boy“ und die „Fontane Sisters“ „Sincerly“ sangen,
meldeten sich die „Haley & His Comets“ auf einmal
mit „Rock Around The Clock“ und einem dazugehörigen,
neuen Kinofilm, der alles zuvor Dagewesene
verdrängte und durch den dann wiederum die Welle
dieser Musikrichtung immer populärer wurde. Das war
das erste Mal, dass der Rock 'n' Roll als Filmmusik
verwendet wurde und die Begeisterung war
bahnbrechend. Eine neue Ära begann, in der
insbesondere der junge
Elvis Presley seine Erfolge
feierte, nun unterstützt durch den neuen Manager
Colonel Tom Parker, der die Vermarktung in die Hand
nahm, gemeinsam mit ihm „Mystery Train“
herausbrachte und zusah, wie Elvis auf der Bühne die
Hüfte schwang, der kreischenden Damenwelt zuwinkte
und das Mikrophon zum Klang seiner Songs in den
Händen rotieren ließ.
Doch der King war nicht alleine. Rock 'n' Roll
boomte. Viele sprangen auf diesen Zug auf. So
zum
Beispiel, damals zwar noch unbekannt, aber schon im
Aufstieg begriffen, Größen wie Buddy Holly oder
Little Richard, die diesen Musikstil ordentlich
mitprägten.
Gerade Gestalten wie Buddy Holly verkörperten
anschaulich den typischen, männlichen
Fünfziger-Jahre-Typ. Mit dicker Hornbrille, dem
Markenzeichen schlechthin, in Anzug und Krawatte,
dabei die Gitarre umgeschnallt, war Buddy Holly eine
eigenartige Mischung aus Zeitgeist und Musik. 1955
wurde er durch den Talentsucher Jim Denny entdeckt,
machte vier Jahre lang Rock 'n' Roll und kam dann
tragischerweise 1959 bei einem Flugzeugunglück ums
Leben.
In der verrauchten Atmosphäre der Jazzkeller hatten
wiederum solche Künstler wie Chat Baker, John
Coltrane, Philly Joe Jones und
Miles Davis das
Sagen. Letzterer trat im Musikjahr 1955 beim
spektakulären „Newport Jazz Festival“ auf, das für
die Nachwelt auf Platte aufgezeichnet wurde und
heute als Klassiker gilt. Thelonious Monk tat sich
währenddessen für ein neues Album mit Duke Ellington
zusammen und Charlie „Bird“ Parker, der große
Saxophonist und Quergeist, starb in jenem Jahr an
den Folgen seiner lebenslangen Heroinsucht.
Da Musik ein wesentlicher Teil des Alltags der
fünfziger Jahre wurde, die Jugend nach neuen Platten
gierte und sich in der Musik befreit fühlte, passte
sich die Musikindustrie natürlich schnell an den
allgemeinen Trend und Geschmack an. Der Verkauf von
LPs schoss in die Höhe, Plattenläden wurden
Kultstätten, der Markt stieg auf 45er-Platten um,
die mehr Anklang fanden. Auf diese Weise konnte dann
z. B. Jimmy Youngs Popsong „Unchained Melody“ zum
Millionenseller geraten oder „Rock Around the Clock“
zur Hymne einer ganzen Jugend-Revolution, die die
Geburtsstunde der Popmusik einleitete.
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