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Literatur 1943 Das literarische Jahr
1943 war das Jahr der verheerenden Rückschläge für
die Deutschen. Anfang des Jahres wurden sie sowohl
im Kaukasus als auch in Stalingrad zurückgedrängt
und mussten kapitulieren. Deutsche Soldaten gerieten
in Kriegsgefangenschaft, die Stärke der Kämpfenden
hatte sich neu verteilt.
Währenddessen lief die Propagandamaschinerie von
Joseph Goebbels immer noch auf vollen Touren. Er
rief zum „totalen Krieg“ auf. Kein Deutscher ahnte
etwas davon, wie sich die Sachlage wirklich
verhielt. Niederlagen waren unvorstellbar.
In München wurden die
Geschwister Scholl verhaftet,
als sie in der Universität Flugblätter ihrer
Widerstandsgruppe verteilten. Bereits Ende Februar
wurden beide verurteilt und hingerichtet.
In Amerika erschien von Antoine de Saint-Exupéry die
Erzählung „Der kleine Prinz“, ein Buch, das bald
weltweit große Erfolge feiern sollte. Währenddessen
experimentierte der Chemiker Dr. Albert Hofmann mit
einer neuen psychoaktiven Droge, die sich LSD
nannte. Auch starb einer der größten Erfinder in New
York. Der Physiker Nikola Tesla wurde am 8. Januar
1943 tot in seinem Hotelzimmer gefunden. Tesla,
Wegbereiter der Elektrifizierung, lebte gegen Ende
seines Lebens in großer Armut und auf Pump. Auch
nach seinem Tod wurden seine Errungenschaften und
Leistungen häufig Thomas Edison zugesprochen.
Von Thomas Mann erschien 1943 der letzte Teil seiner
Tetralogie „Joseph und seine Brüder“ und war damit
abgeschlossen. Hermann Hesse brachte sein
wundersames „Glasperlenspiel“ heraus, das letzte und
faszinierendste Werk des Schriftstellers, für das er
den Nobelpreis für Literatur erhielt. Darin ging es
um die buddhistisch angehauchte Suche eines Jüngers
nach seinem Meister, bis der Schüler selbst zum
Meister wird und mit dieser Aufgabe umgehen muss.
Der Protagonist Josef Knecht lehnt die Aufgabe
schließlich ab, obwohl er für diese als einziger
Mensch geeignet scheint. Er wählt den Weg der
Freiheit, da die Hierarchie des Klosters nur
Isolation ermöglicht, die zwar einen denkenden Geist
ansprechen kann, jedoch verhindert, dass er das
praktische Leben kennen lernt und seine eigenen
Erfahrungen in der Welt sammelt. Hier übte Hesse
seine typische Kritik am Bildungswesen, denn die
Hauptbeschäftigung des Klosters, in dem Knecht zum
Meister ernannt werden soll, ist das
Glasperlenspiel, das alle Bereiche umfasst, die
einen intellektuellen Menschen ansprechen. Die
Regeln werden zwar von Hesse grob angedeutet, jedoch
so weitschweifig, dass nie ganz deutlich wird, was
das Spiel nun tatsächlich ausmacht. Es dient
vielmehr dazu, zu zeigen, wer sich damit befasst und
welche Auswirkungen es auf den Menschen hat. Das
erste Mal setzte sich Hesse 1930 an den Roman, um
die Idee zu skizzieren. Ganze zwölf Jahre später
hatte er den Roman dann vollendet, doch er durfte in
Deutschland nicht gedruckt werden. 1943 erschien er
dann in Zürich bei einem Schweizer Verlag.
In Frankreich veröffentlichte ein anonymer
Schriftsteller das Buch „Notre Dame des Fleurs“, das
sich poetisch mit der Homosexualität
auseinandersetzte und von keinem anderen als Jean
Genet stammte. Das Buch enthielt viel
Autobiografisches und wurde von Genet geschrieben,
als er noch im Gefängnis saß. Er hielt seine
Gedanken auf braunem Papier fest, aus dem die
Gefangenen üblicherweise Packtaschen machten. Die
vollgeschriebenen Seiten wurden beim ersten Mal
konfisziert und vernichtet. Genet setzte sich ein
zweites Mal daran und konnte die Geschichte bei
seiner Entlassung aus dem Gefängnis schmuggeln.
Später zeigten sich etliche Größen der
Literaturszene von dem außergewöhnlichen Stil und
der offenen, doch sehr poetischen Sprache
beeindruckt, darunter auch Jean Paul Sartre, der
über Genet als existentielle Person dann noch eine
ganze eigene „Philosophie“ verfassen sollte. Der
Verlag Gallimard nahm Genet 1951 unter Vertrag und
brachte das Buch unter dem richtigen Namen des
Schriftstellers und Vagabunden heraus, das bald
einen großen Einfluss auf die kommende
Beat-Generation haben sollte.
Von Sartre selbst erschien sein philosophisches
Hauptwerk „Das Sein und das Nichts“, das sich mit
dem ontologischen Begriff „Freiheit“
auseinandersetzte. Was an Sartres Philosophie
bestach, waren die gut verständlichen Vergleiche mit
dem Alltag, die seine Theorien anschaulicher
machten.
Während der deutschen Besetzung floh die Philosophin
und Aktivistin Simone Weil, die mit Sartre und
Simone de Beauvoir an der gleichen Universität
studiert hatte, aus Paris und landete zunächst in
Marseille, wo sie sich in strenger Askese übte und
mit frühchristlichen Schriften befasste. In ihrer
Philosophie plädierte sie für die Individualisierung
der Politik, dass jeder Mensch sich seiner eigenen
Verantwortung der Gesellschaft gegenüber bewusst
werden müsse. Das würde Unterdrückung und Krieg
verhindern. Leider ließ sich ihre Philosophie nicht
umsetzen. Sie floh aus Frankreich über Amerika nach
England und kämpfte im Befreiungskomitee von Charles
de Gaulles mit. Die Mitglieder der Résistance
befanden, dass Weil zu jüdisch aussehe und auch zu
ungeschickt sei. De Gaulle selbst hielt sie für
verrückt und schickte sie an den Schreibtisch, so
dass Weil die Arbeit aufgab, sich zurückzog und aus
Protest zu hungern begann. Leider waren die Folgen
verheerend. Sie starb im Alter von nur
vierunddreißig Jahren an den Auswirkungen dieser
Selbstmarterung.
Auch 1943 gab es wieder keine Verleihung im Bereich
des Literaturnobelpreises
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