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Literatur 1944 Das literarische Jahr
Der Film „Die Feuerzangenbowle“ wurde 1944 in
Deutschland uraufgeführt, verhinderte aber nicht,
dass die Menschen allmählich immer unruhiger wurden.
Der Krieg war Alltag, die Siegeszüge hatten an Glanz
verloren, Hitlers Truppen marschierten in Ungarn ein
und etliche alte Menschen und viel zu junge wurden
in den Krieg mit eingespannt, dienten nur noch als
Kanonenfutter.
In Polen wurde das erste Konzentrationslager
befreit. Es handelte sich um Majdanek. Währenddessen
verübte Graf von Stauffenberg, ein hoher Offizier
unter Hitler, ein Attentat auf diesen, das seine
Wirkung verfehlte. Stauffenberg und seine Gehilfen
wurden hingerichtet. Die Alliierten passierten die
Grenze des Deutschen Reiches.
Im von den Nazis besetzten Paris wurde das Stück
„Geschlossene Gesellschaft“ von Jean Paul Sartre
aufgeführt. Es beeindruckte durch seine abstrakt
dargestellte Hölle als geschlossener Raum, in dem
sich drei Menschen wiederfinden. „Die Hölle“, sagte
Sartre, „das sind die anderen.“ Der Mensch ist, wie
andere ihn sehen, und bleibt dabei sein eigener
Henker und Folterknecht.
Von Louis-Ferdinand Céline erschien der Roman „Guignol’s
Band“. Auch hier fand sich wieder viel
Autobiografisches, die Erlebnisse Célines aus dem
Ersten Weltkrieg. Panik und Chaos bestimmen das
Geschehen im Buch. Die Protagonisten scheinen
tatsächlich zu Marionetten geraten zu sein, die an
Fäden zappeln, die der Krieg als Kreuz in den Händen
hält. Nach Célines Tod erschien posthum auch der
zweite Teil dieses Werkes unter dem gleichen Titel.
Ein anderer Schriftsteller, der bald bekannter
werden sollte, brachte 1944 seinen Tagebuchroman
„Der Mann in der Schwebe“ heraus. Es handelte sich
um Saul Bellow, der zwanzig Jahre später dann mit
seinem Buch „Herzog“ den literarischen Durchbruch
schaffen sollte und weitere zehn Jahre später den
Literaturnobelpreis erhielt. Schon in seinem ersten
Werk beschäftigte sich Bellow mit der Vereinsamung
des Einzelnen in einer durch Konsum und Profit
bestimmten Welt.
Ein Kinderbuch, das noch viele Generationen erfreuen
sollte, wurde 1944 von Astrid Lindgren
veröffentlicht. „Pippi Langstrumpf“ eroberte die
Herzen der Leser, insbesondere in einer so schweren
Zeit. Die Idee entwickelte Lindgren bereits 1941,
als ihre siebenjährige Tochter an Lungenentzündung
erkrankte und das Bett hüten musste. Lindgren
erzählte ihr die Geschichten und Abenteuer des
rothaarigen und frechen Mädchens, das mit einem
Affen und einem Pferd in einem eigenen Haus lebte
und ihre ganz eigenen Regeln erfand. „Ich mach' mir
die Welt“, sang Pippi Langstrumpf später in der
Verfilmung, „wie sie mir gefällt.“
Lindgren dachte eigentlich zunächst nicht daran,
Schriftstellerin zu werden. Dann aber verstauchte
sie sich den Fuß und musste 1944 selbst das Bett
hüten. So schrieb sie „Pippi Langstrumpf“ für ihre
Tochter auf und schenkte ihr das Manuskript zu ihrem
Geburtstag. Eine Kopie davon schickte sie
versuchshalber an einen schwedischen Verlag, der den
Entwurf zunächst ablehnte, nach einem gewonnenen
Schreibwettbewerb und einer Überarbeitung dann
allerdings doch veröffentlichte. So war die
Buchautorin geboren und mit ihr etliche spannende
Abenteuer ihrer sommersprossigen Figur.
Ein beeindruckender Roman stammte von William
Somerset Maugham und trug den Titel „Auf Messers
Schneide“. Bereits zwei Jahre später wurde das Buch
auch verfilmt. Man könnte das Buch einen Vorreiter
für das bald aufkommende Interesse an der östlich
philosophisch geprägten Sinnsuche nennen, die in den
Sechzigern und Siebzigern dann von vielen Hippies
umgesetzt wurde, die mit Rucksack und ausgestrecktem
Daumen durch die Welt reisten, um sich selbst zu
finden. Auch Somerset Maugham, ähnlich wie z. B.
Hermann Hesse, war stark von der indischen und
östlichen Religion geprägt. Sein Titel verdeutlichte
im Grunde die Philosophie des Weges. Der Mensch
sollte endlich aufwachen, sich erheben, sich auf die
Suche begeben und seine Wünsche realisieren. Die
Schwierigkeit, diesen Weg zu beschreiten, war
vergleichbar mit dem Rand einer scharfen
Messerklinge.
Obwohl der Krieg noch nicht zu Ende war, wurde 1944
nach langer Zeit wieder der Nobelpreis für Literatur
verliehen. Der Däne Johannes Vilhelm Jensen erhielt
ihn als Anerkennung für seine Gedichte und Romane.
Der Nobelpreis hatte auch immer einen politischen
Hintergrund. Dänemark war von den Nazis besetzt. Die
Preisverleihung diente damit auch dazu, zu zeigen,
dass der Wunsch nach Befreiung von den Deutschen
überhand nahm.
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