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Literatur 1945 Das literarische Jahr


Als die Alliierten in Deutschland vorrückten, hatte sich das Blatt für Hitler gewendet. Nun war eindeutig, dass der Krieg verloren war, Hitler beging am 30. April 1945 Selbstmord, gemeinsam mit Eva Braun, wobei die Beweise für diesen Tod nicht ganz eindeutig waren und zu vielen Spekulationen über das Ableben oder Nicht-Ableben Hitlers führten. Nichtsdestotrotz kapitulierten die deutschen Truppen beim Einmarsch der Roten Armee in Berlin. Am 8. Mai war der Zweite Weltkrieg zu Ende, das Land lag in Trümmern.
Die traurige Bilanz wurde auf etlichen Fotografien und in Schwarzweißfilmen festgehalten, mehr als sieben Millionen tote Deutsche waren zu beklagen, die Hälfte bestand allein aus Zivilisten, vierzehn Millionen auf russischer Seite, sechs Millionen in den Konzentrationslagern. Nun ging es an den Wiederaufbau. Die Konferenz von Jalta wurde abgehalten und die Besatzungszonen unter den Siegermächten aufgeteilt. Ende des Jahres folgten die berüchtigten Nürnberger Prozesse gegen die Kriegsverbrecher. In Japan wurde die Atombombe gezündet und tötete in Hiroshima zunächst etwa hunderttausend Menschen, wobei die Nachwirkungen noch nicht mit inbegriffen waren.
Trotz des Kriegsendes war 1945 ein schreckliches Jahr voller Tod, Leid und der Offenlegung an Verbrechen, die während der Kriegszeit begangen wurden.
Im KZ in Theresienstadt starb der Surrealist und Dichter Robert Desnos an Typhus. Selbst dort dichtete er über die Liebe, war stark von Charles Baudelaire und Gérard de Nerval beeinflusst und schuf ein Werk, das die Surrealisten beeindruckte und die Richtung mit prägte. Desnos hatte sich mit dem Unbewussten beschäftigt, etliche Traumprotokolle gefertigt und als Journalist für die surrealistische Zeitschrift „La Révolution Surréaliste“ gearbeitet. Bald reagierte André Breton nach üblichem Muster und maßregelte Desnos. Dieser antwortete mit seinem Anti-Breton-Pamphlet, das er „Kadaver“ nannte.
1944 wurde Desnos dann aufgrund einer Denunziation verhaftet und durchlief einige KZs, bis er kurz vor der Befreiung des letzten Konzentrationslagers starb.
Auch Franz Werfel, der Theologe Friedrich Bonhoeffer, der ungarische Schriftsteller Antal Szerb, die jüdische Schriftstellerin Else Lasker-Schüler starben 1945. Ebenso Anne Frank, von der das Generationen prägende Tagebuch erschien.
Interessanterweise veröffentlichte Evelyn Waugh 1945 sein bekanntestes Werk „Wiedersehen mit Brideshead“. Bereits im Vorwort entschuldigte sich Waugh bei seinen Lesern, dass sein Buch sich nicht mit den Kriegsbedingungen auseinandersetzte, sondern in einer ganz anderen Zeit angelegt war und von einer englischen und wohlhabenden Adelsfamilie der Zwanziger Jahre berichtete. Natürlich durfte man dem Ironiker und Exzentriker nie ganz trauen, so war der Roman durchaus als Metapher für den Umbruch der Zeit gedacht, die eine neue Suche nach Orientierung nötig machte. Selbst der eher unzeitgemäße Titel war als Augenzwinkern gemeint, wie sich überhaupt das gesamte Werk durch Witz und Ironie auszeichnete.
Eine weitere wichtige Bucherscheinung war George Orwells „Farm der Tiere“. Darin erheben sich die Tiere einer Farm gegen den Besitzer, bis die Neuverteilung der Macht erneut zu Unterdrückung und Unrecht führt. Den Hintergrund bildete der stalinistische Terror, die herrschenden Schweine im Roman waren eine Metapher auf die Bolschewisten, wobei das Schwein Napoleon Stalin verkörperte. Orwell hatte, bevor er die Idee entwickelte, einen jungen Bauer beobachtet, der mit seiner Peitsche auf ein Zugpferd einschlug. Dabei kam ihm der Gedanke, dass das Tier, wenn es sich seiner Kraft und Stärke bewusst wäre, über den Menschen herrschen könnte und der Mensch keine Möglichkeit hätte, das Tier zu unterdrücken und für seine Zwecke auszubeuten.
Mit „Farm der Tiere“ verwies Orwell auf den Irrtum der kommunistischen Idee, gegen die er durch seine Erfahrungen, die er im Spanischen Bürgerkrieg gesammelt hatte, immun war. Der Angriff gegen die stalinistische Diktatur führte natürlich dazu, dass sein Buch gerade in der Sowjetunion verboten war. Es kreiste, wie etliche andere Schriften, im Samisdat. Die Russen lernten Werke auswendig und schrieben sie auf, um Kopien davon im Untergrund zu vertreiben. Wer mit einem solchen Manuskript erwischt wurde, wurde verhaftet und erschossen, was etlichen Menschen passierte. Bezeichnend ist daher, wie stark der Inhalt von Orwells Roman mit der Wirklichkeit übereinstimmte, samt den dramatischen Folgen.
Von Hermann Broch erschien „Der Tod des Vergil“, ein Buch, von dem Thomas Mann sagte, es sei ein gründliches, ungewöhnliches Experiment. Es handelte von den letzten achtzehn Stunden im Leben des großen römischen Dichters, der als Figur auch den Erzähler in Dantes „Göttlicher Komödie“ durch die verschiedenen Kreise der Hölle führt. Im Irrtum, hieß es bei Broch, wurde der Mensch erst zum Suchenden, und was einmal wahrhaftig getan wurde, gehörte von da an allen.
Brochs Buch wurde für seine großen Längen und die häufig genutzten Pleonasmen kritisiert. Die Kernaussage blieb, dass Liebe, neben dem Tod, die einzige Wirklichkeit ist.
1945 erhielt eine Frau den Nobelpreis für Literatur. Es handelte sich um die chilenische Dichterin Gabriela Mistral. Der Selbstmord ihres Geliebten Romelio Ureta regte Mistral zu ihrem Werk „Sonetos de la muerte“ an, das sie bekannt machte. Für die „mächtigen Gefühle ihrer Poesie“ wurde sie ausgezeichnet. Sie starb 1957 an Krebs.

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