1940
1941
1942
1943
1944
1945
1946
1947
1948
1949
Literatur 1945 Das literarische Jahr
Als die Alliierten in Deutschland vorrückten, hatte
sich das Blatt für Hitler gewendet. Nun war
eindeutig, dass der Krieg verloren war, Hitler
beging am 30. April 1945 Selbstmord, gemeinsam mit
Eva Braun, wobei die Beweise für diesen Tod nicht
ganz eindeutig waren und zu vielen Spekulationen
über das Ableben oder Nicht-Ableben Hitlers führten.
Nichtsdestotrotz kapitulierten die deutschen Truppen
beim Einmarsch der Roten Armee in Berlin. Am 8. Mai
war der Zweite Weltkrieg zu Ende, das Land lag in
Trümmern.
Die traurige Bilanz wurde auf etlichen Fotografien
und in Schwarzweißfilmen festgehalten, mehr als
sieben Millionen tote Deutsche waren zu beklagen,
die Hälfte bestand allein aus Zivilisten, vierzehn
Millionen auf russischer Seite, sechs Millionen in
den Konzentrationslagern. Nun ging es an den
Wiederaufbau. Die Konferenz von Jalta wurde
abgehalten und die Besatzungszonen unter den
Siegermächten aufgeteilt. Ende des Jahres folgten
die berüchtigten Nürnberger Prozesse gegen die
Kriegsverbrecher. In Japan wurde die Atombombe
gezündet und tötete in Hiroshima zunächst etwa
hunderttausend Menschen, wobei die Nachwirkungen
noch nicht mit inbegriffen waren.
Trotz des Kriegsendes war 1945 ein schreckliches
Jahr voller Tod, Leid und der Offenlegung an
Verbrechen, die während der Kriegszeit begangen
wurden.
Im KZ in Theresienstadt starb der Surrealist und
Dichter Robert Desnos an Typhus. Selbst dort
dichtete er über die Liebe, war stark von Charles
Baudelaire und Gérard de Nerval beeinflusst und
schuf ein Werk, das die Surrealisten beeindruckte
und die Richtung mit prägte. Desnos hatte sich mit
dem Unbewussten beschäftigt, etliche Traumprotokolle
gefertigt und als Journalist für die surrealistische
Zeitschrift „La Révolution Surréaliste“ gearbeitet.
Bald reagierte André Breton nach üblichem Muster und
maßregelte Desnos. Dieser antwortete mit seinem
Anti-Breton-Pamphlet, das er „Kadaver“ nannte.
1944 wurde Desnos dann aufgrund einer Denunziation
verhaftet und durchlief einige KZs, bis er kurz vor
der Befreiung des letzten Konzentrationslagers
starb.
Auch Franz Werfel, der Theologe Friedrich
Bonhoeffer, der ungarische Schriftsteller Antal
Szerb, die jüdische Schriftstellerin Else
Lasker-Schüler starben 1945. Ebenso Anne Frank, von
der das Generationen prägende Tagebuch erschien.
Interessanterweise veröffentlichte Evelyn Waugh 1945
sein bekanntestes Werk „Wiedersehen mit Brideshead“.
Bereits im Vorwort entschuldigte sich Waugh bei
seinen Lesern, dass sein Buch sich nicht mit den
Kriegsbedingungen auseinandersetzte, sondern in
einer ganz anderen Zeit angelegt war und von einer
englischen und wohlhabenden Adelsfamilie der
Zwanziger Jahre berichtete. Natürlich durfte man dem
Ironiker und Exzentriker nie ganz trauen, so war der
Roman durchaus als Metapher für den Umbruch der Zeit
gedacht, die eine neue Suche nach Orientierung nötig
machte. Selbst der eher unzeitgemäße Titel war als
Augenzwinkern gemeint, wie sich überhaupt das
gesamte Werk durch Witz und Ironie auszeichnete.
Eine weitere wichtige Bucherscheinung war George
Orwells „Farm der Tiere“. Darin erheben sich die
Tiere einer Farm gegen den Besitzer, bis die
Neuverteilung der Macht erneut zu Unterdrückung und
Unrecht führt. Den Hintergrund bildete der
stalinistische Terror, die herrschenden Schweine im
Roman waren eine Metapher auf die Bolschewisten,
wobei das Schwein Napoleon Stalin verkörperte.
Orwell hatte, bevor er die Idee entwickelte, einen
jungen Bauer beobachtet, der mit seiner Peitsche auf
ein Zugpferd einschlug. Dabei kam ihm der Gedanke,
dass das Tier, wenn es sich seiner Kraft und Stärke
bewusst wäre, über den Menschen herrschen könnte und
der Mensch keine Möglichkeit hätte, das Tier zu
unterdrücken und für seine Zwecke auszubeuten.
Mit „Farm der Tiere“ verwies Orwell auf den Irrtum
der kommunistischen Idee, gegen die er durch seine
Erfahrungen, die er im Spanischen Bürgerkrieg
gesammelt hatte, immun war. Der Angriff gegen die
stalinistische Diktatur führte natürlich dazu, dass
sein Buch gerade in der Sowjetunion verboten war. Es
kreiste, wie etliche andere Schriften, im Samisdat.
Die Russen lernten Werke auswendig und schrieben sie
auf, um Kopien davon im Untergrund zu vertreiben.
Wer mit einem solchen Manuskript erwischt wurde,
wurde verhaftet und erschossen, was etlichen
Menschen passierte. Bezeichnend ist daher, wie stark
der Inhalt von Orwells Roman mit der Wirklichkeit
übereinstimmte, samt den dramatischen Folgen.
Von Hermann Broch erschien „Der Tod des Vergil“, ein
Buch, von dem Thomas Mann sagte, es sei ein
gründliches, ungewöhnliches Experiment. Es handelte
von den letzten achtzehn Stunden im Leben des großen
römischen Dichters, der als Figur auch den Erzähler
in Dantes „Göttlicher Komödie“ durch die
verschiedenen Kreise der Hölle führt. Im Irrtum,
hieß es bei Broch, wurde der Mensch erst zum
Suchenden, und was einmal wahrhaftig getan wurde,
gehörte von da an allen.
Brochs Buch wurde für seine großen Längen und die
häufig genutzten Pleonasmen kritisiert. Die
Kernaussage blieb, dass Liebe, neben dem Tod, die
einzige Wirklichkeit ist.
1945 erhielt eine Frau den Nobelpreis für Literatur.
Es handelte sich um die chilenische Dichterin
Gabriela Mistral. Der Selbstmord ihres Geliebten
Romelio Ureta regte Mistral zu ihrem Werk „Sonetos
de la muerte“ an, das sie bekannt machte. Für die
„mächtigen Gefühle ihrer Poesie“ wurde sie
ausgezeichnet. Sie starb 1957 an Krebs.
<<
Literatur 1944
|
Literatur
1946 >>