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Musikjahr 1929 – Wochenend‘ und Sonnenschein international
Nach dem sensationellen Einspielergebnis des 1928er
Musicals „The Singing Fool“ mit Sänger Al Jolson in
der Hauptrolle des sentimentalen Vaters brachten die
Hollywood-Produzenten von Warner Bros. 1929 das nach
fast identischem Strickmuster aufgebaute
Film-Musical „Say It With Songs“ auf den Markt.
Wieder spielte und sang Al Jolson die Rolle eines
lieben Familienvaters, wieder rührte Kinderstar
Davey Lee das Publikum mit großen Kulleraugen zum
Taschentuchzücken. Wurde 1928 der aus „The Singing
Fool“ ausgekoppelte Filmsong „Sonny Boy“ zum Hit, so
schaffte es 1929 auch die „Say It With
Songs“-Auskopplung „Little Pal“ in die Charts. Das
sehr süßliche „Little Pal“ verschaffte nicht nur Al
Jolson, sondern auch in anderen Versionen Gene
Austin und Paul Whiteman & His Orchestra
Top-Ten-Plätze. Gene Austin hatte mit „Carolina
Moon“ einen weiteren Top-Hit des Jahres und konnte
damit seine Position als
einer der ersten Stars des
Mitte der 1920er Jahre populär gewordenen „Crooning“-Gesangstils
festigen. Sein durch zurückhaltend erotische Wärme
und Intimität bestimmter Stil wurde von späteren als
„Crooner“ bezeichneten Gesangstars wie
Frank Sinatra
oder Charles Aznavour weiter entwickelt. Zu den
frühen „Crooner“-Stars zählte auch der als
Jazz-Gitarre-Virtuose bekannte Nick Lucas, der 1929
mit seinem zum Evergreen werdenden "Tiptoe Through
The Tulips" zehn Wochen lang auf Platz 1 der
US-Charts stand.
Sehr gut platziert war 1929 auch ein anderer
Musikfilm-Song.
Mit „Louise“ aus dem Hollywood-Streifen „Innocents
Of Paris“ („Der Straßensänger“) gelang Maurice
Chevalier das für einen Ausländer eher unübliche
Kunststück, in den US-Billboard-Charts einen oberen
Rang (Platz 3) einzunehmen. Sein schmelzendes
Liebeslied sang der Franzose auf Englisch,
allerdings mit unüberhörbarem Pariser Akzent. Mit
leichtem Georgia-Akzent präsentierte James Melton
1929 einen romantischen Schlager, dessen Titel und
Refrain kaum romantisch-deutscher sein konnte: „Ich
liebe dich“.
Insbesondere bei jungen Frauen war der jungenhaft
wirkende US-Sänger, Schauspieler und Bandleader Rudy
Vallée beliebt: 1929 stürmte er mit dem Liebeslied
„Marie“ die Hitparaden.
Begeisterung beim Publikum löste auch die
Afroamerikanerin Ethel Waters mit ihrem
halbtraurigen „Am I Blue?“ aus, dem Hauptsong des
Kinofilms „On With The Show“. „Am I Blue?“ ist
später oft gecovert worden (unter anderem von Eddie
Cochran 1957, Cher 1973 und Linda Ronstadt 1986).
Bandleader Cole Porter stellte 1929
in London bei
der Uraufführung des Musicals „Wake Up And Dream“
mit dem eleganten „What Is This Thing Called Love?“
eines seiner wichtigsten Werke vor. Ebenfalls
U-Musik-Geschichte schrieb Fats Waller mit seinem
ans Herz gehenden Swing „Ain´t Misbehavin´“, der
bereits im Erscheinungsjahr von Sangesgrößen wie
Louis Armstrong und Ruth Etting gecovert wurde. Und
das 1929 veröffentlichte „Singin´ In The Rain“ wurde
bereits lange, bevor es das American Film Institute
wegen des gleichnamigen Gene-Kelly-Musical-Films
(1952) auf Platz 3 der 100 wichtigsten Filmsongs
adelte, zum Ohrwurm für Millionen.
Im selben Jahr widmete Jodel-Country-Star Jimmie
Rodgers seinen Hit „Waiting For The Train“ der in
den USA der 20er Jahre nach Cowboys und Outlaws
wahrscheinlich meistbesungenen
Berufsgruppe: Den bei
Gelegenheit gern Eisenbahn fahrenden
Wanderarbeitern. Wesentlich wilder als bei dem
lässig im Sitzen präsentierten Country-Bahner-Song
ging es bei Cab Calloways exzessivem Hit „Minnie the
Moocher“ zu. Calloway forderte das Publikum mit
betontem Körpereinsatz mit ständigen „Hi-de-hi-de-hi-di-hi!“-Rufen
zum Mitmachen auf.
Der flotte Optimisten-Charleston „Happy Days Are
Here Again“, der fast gleichzeitig mit dem Ausbruch
der Weltwirtschaftskrise im November 1929 von Lou
Levin (Gesang) und dem Lou Reisman Orchestra auf dem
Markt kam und für Stimmung sorgte, wurde 1930 von
den „Comedian Harmonists“ als „Wochenend und
Sonnenschein“ gecovert. Das Lied machte 1932
Weltgeschichte als Wahlkampfmelodie für den
schließlich auch siegreichen
US-Präsidentschaftskandidaten Franklin Delano
Roosevelt.
In Deutschland amüsierte sich das Publikum bei dem
1929 veröffentlichten, leicht dekadenten, zur
ausgedachten oder auch tatsächlichen
Kokain-und-Absinth-Atmosphäre der Zeit passenden
Tango „Schöner Gigolo, armer Gigolo“. Das Lied
schaffte sogar den Sprung über den großen Teich und
wurde in den Folgejahren von Louis Armstrong und
Bing Crosby als „Just A Gigolo“ amerikanisiert.
Mitgeschmettert wurde zwischen Alpen und Nordsee
auch der unter anderem 1929 von Paul Godwin
gesungene Foxtrott „Am Sonntag will mein Süßer mit
mir segeln geh'n“ und das Richard-Tauber-Statement
„Dein ist mein ganzes Herz“ aus der Erfolgsoperette
„Das Land des Lächelns“ von Franz Lehár.
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