Musikchronik 1930 - Rühmann's stolzeste Frauen
Die Goldenen Zwanziger waren längst vorbei, die
allgemeine Behaglichkeit aus Lebenslust und
feuchtfröhlichem Vergessen an Vergangenheit war
bedroht und verflüchtigte sich dann ganz und gar in
der 1929 aufkommenden Weltwirtschaftskrise, die
alles zum Einsturz brachte. Das Geld wurde knapp,
die Menschen kämpften ums Überleben, unabhängig von
den weltweiten Vorgängen an Krisen, Kriegen und
Protesten der dreißiger Jahre.
Der Salzmarsch, angeführt von Mahatma Gandhi,
leitete das Jahr 1930 ein. Daneben brach der
Spanische Bürgerkrieg aus, Paraguay und Bolivien
führten den Chacokrieg und 1939 begann schließlich
der Zweite Weltkrieg.
Überall spürte man die Veränderung wie eine
schleichende Gefahr am Rande, die sich gefräßig in
die Mitte voranarbeitete. Wirtschaftskrisen,
Arbeitslosigkeit, die Massen an Menschen ins Elend
trieb, aber auch die Entdeckung der Kernspaltung
durch Otto Hahn waren aktuelle Themen.
Im Bereich der Musik waren die dreißiger Jahre
gleichsam prägend. Seit der Erfindung des
Tonfilms
in den Zwanzigern wurden Musikstücke speziell für
den Film komponiert, die das Bild untermalen
sollten. Diese wurden im Radio gespielt und bald zu
Klassikern und Ohrwürmern. Unvergesslich blieben
Tänzer wie Fred Astaire oder Sängerinnen wie Judy
Garland, deren Präsenz in Film und Musik
gleichzeitig den Zeitgeist verkörperte.
Aus den großen Jazzbands von
Duke Ellington und
Fletcher Henderson formte sich 1930 allmählich eine
neue Richtung. Sie nannte sich „Swing“ und wurde von
Musikern wie Count Basie, Benny Goodman, Glenn
Miller, Bing Crosby und vielen anderen
interpretiert. Große Bühnen, wachsende und pompöse
Musik-Orchester und der damit einhergehende Tanz
verführten die Menschen zu einer berauschenden
Stimmung, die sich Mitte des Jahrzehnts dann auf
ihrem Höhepunkt befand. Die „Swing“-Ära verband
Entertainment mit Kunst. Der Jazz, mit seinen
Stilrichtungen wie „Chicago-Jazz“ oder „Dixieland“,
passte sich dem Zeitgeschmack an, wurde populär,
weil er Kompromisse einging und seine Eigenheiten
zwar nicht einbüßte, jedoch massen- und tanztauglich
auf ein großes Publikum abstimmte.
In Deutschland waren insbesondere die „Comedian
Harmonists“ beliebt. „Wochenend' und Sonnenschein“,
die allerdings in der Mitte des Jahrzehnts verboten
wurden. „Ein Freund, Ein guter Freund“ bewegte die
Herzen der Deutschen im Jahr 1930, ebenso Marlene
Dietrich, die vor blonden Frauen warnte, oder Heinz
Rühmann, der die Herzen der stolzesten Frauen brach.
In Amerika machten sich wiederum der Blues und die
Country-Musik immer stärker bemerkbar. Jimmie
Rodgers war einer der ersten Interpreten, der das
Jodeln in die Volksmusik einbaute, was in Amerika zu
dieser Zeit vollkommen neu war. Es gab zwar ein
amerikanisches Varieté und darin enthalten eine
Jodel-Tradition, doch Rodgers passte das Jodeln an
seine Musik an, so dass diese eigener Ausdruck
wurde.
All seine Lieder waren durch ihn und seine
Persönlichkeit geprägt. Er sang davon, wie er gelebt
hatte, wo er herkam und sogar im Dialekt seines
Umfelds. Zur damaligen Zeit war der Musiker, der
sich mit seiner Musik personifizierte, nicht üblich.
Die meisten Stücke wurden interpretiert, eigene
Gedanken und Charakterzüge fanden kaum musikalischen
Ausdruck, ganz anders als bei den Popstars
heutzutage.
Rodgers „Anniversary Yodel“ war 1930 der Hit,
während der Musiker mit den Lebensumständen kämpfte.
Seine Singles verkauften sich zwar gut, brachten dem
Musiker aber kaum etwas ein,
obwohl er als einer der
ersten Country-Interpreten galt und seine Texte
selbst schrieb. Andere Nachfolger bis in die
sechziger Jahre hinein beriefen sich auf Rodgers,
der mit der aufkommenden Weltwirtschaftskrise in
große finanzielle Nöte geriet und trotz seiner
schweren Krankheit genötigt war, weiter aufzutreten,
da die Leute kaum Geld für Schallplatten aufbringen
konnten.
Die letzte Aufnahme vor seinem Tod machte er aus dem
Bett heraus, das im Studio aufgestellt wurde,
während eine Krankenschwester seine Hand hielt. Er
erlag nach dem Abschiedsgeschenk von zwölf weiteren
Musikstücken mit 35 Jahren seiner
Tuberkulose-Erkrankung.
Was sich heutzutage Charts nennt, gab es zu jener
Zeit in diesem Sinne noch nicht. Dennoch existierten
verschiedene Trends, die sich behaupteten, darunter
Harry Richman oder Ben Selvin, deren Platten gerne
gekauft wurden. Ebenso standen 1930 so verschiedene
Größen wie Fred Astaire, Duke Ellington oder Ruth
Ettin auf der Bühne oder waren in Filmen zu sehen.
Astaire war ein wunderbarer Tänzer, in den
Dreißigern der bekannteste der Welt. Die ersten
Tanzschritte machte er als Kind, gemeinsam mit
seiner Schwester. 1915 trat er in einem Film auf und
schaffte es so an den Broadway. Die zwanziger Jahre
bestimmten seine Karriere, in den Dreißigern trat er
in verschiedenen Filmen auf und prägte das Genre des
Film-Musicals mit. Dieses sollte bald darauf eine
ganz eigene, typisch amerikanische Erscheinung
werden, deren Vielseitigkeit und Vermischung aus
Theater, Tanz und Gesang ein neues Publikum schuf
und Türen zu großen Aufführungen öffnete.
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