Das Sportjahr 1915 – Ein dubioser
Weltmeisterschafts-Boxkampf
Von einem schnellen und kurzen Krieg war zu Beginn
des Jahres 1915 keine Rede mehr. Längst war die
Euphorie der Ernüchterung gewichen und
Durchhalteparolen machten die Runde.
Seit Kriegsbeginn wurde im Januar 1915 zum ersten
Mal wieder ein Radrennen im Berliner Sportpalast
veranstaltet, das der Deutsche Rennfahrer-Verband
als Wohltätigkeitsrennen austragen ließ. Im Februar
zog der Deutsche Radfahrerbund nach und nahm den
Sportbetrieb wieder auf. Nachwuchs sollte gefördert
werden und vor die Radsportler ersetzen, die im
Felde standen. Bei dem Rennen im Berliner
Sportpalast war – wenn man der „Vossischen Zeitung“
glaubte – sogar einen gewisse Normalität zu spüren,
die an Friedenszeiten erinnerte.
In St. Moritz, dem renommierten Wintersportdomizil
trugen die zweitägigen Skiwettbewerbe zum großen
Teil einen paramilitärischen Charakter. Die neutrale
Schweiz war nicht unmittelbar am Krieg beteiligt,
doch die Auswirkungen waren auch in St. Moritz zu
merken. Mehr als 3.000 Besucher weniger wurden im
Vergleich zur Saison des Vorjahres gezählt. Die
meisten Wintersportler waren Einheimische.
Im September fanden in Berlin die Deutschen
Leichtathletikmeisterschaften statt. Sie wurden auf
dem Turnerschaftssportplatz am Baumschulenweg
ausgetragen. An den 13 Wettkämpfen nahmen etwa 200
Sportlern teil, die aus 45 Vereinen aus dem ganzen
Gebiet des Deutschen Reiches zusammengekommen waren.
Die Veranstaltung wurde mit etwa 3.000 Zuschauern
die größte Leichtathletik-Konkurrenz im Deutschen
Reich. Die meisten Sportler, die in Berlin hätten
antreten können, waren allerdings beim Militär. So
hielten sich die Teilnehmerzahlen in den meisten
Disziplinen auffallend in Grenzen.
In Berlin fand seit dem Ausbruch des Krieges auch
wieder ein Trabrennen statt. In Berlin-Mariendorf
wurden sieben Prüfungen veranstaltet, bei denen ein
Wettumsatz von 126.000 Mark gemacht wurde. Der
Pferdesport und die Pferdewetten hatten trotz des
Krieges nichts an ihrem Zulauf verloren.
Die Deutschen Landesmeisterschaften im Fußball
wurden im Jahr 1915 nicht ausgetragen. Deutschland
absolvierte auch keine Länderspiele. Im Eiskunstlauf
wurden ebenfalls keine Meisterschaften veranstaltet.
Im Radrennsport gab es keine internationalen
Rundfahrten und auch die
Wimbledon-Tennismeisterschaften wurden kriegsbedingt
nicht veranstaltet. Die US-Open hingegen und die
Australien-Open fanden statt. In Australien gab es
allerdings nur Wettkämpfe für die Herren.
In der kubanischen Hauptstadt Havanna fand am 5.
April 1915 der Weltmeister-Boxkampf im Schwergewicht
statt, bei dem zwei US-Amerikaner miteinander in den
Ring gestiegen waren. Es war ein sehr umstrittener
Boxkampf, der da veranstaltet wurde. Der
Titelverteidiger Jack Johnson (1878-1946), der den
Titel als erster Schwarzer überhaupt innehatte, war
von 1908 bis 1915 Weltmeister. Es gab Gerüchte, dass
der Ausgang des Kampfes im Vorfeld abgesprochen
gewesen sei. Es hieß sogar, Johnson habe diese
Gerüchte bestätigt. Nie konnte diese Sache endgültig
geklärt werden. Jedenfalls war dieser Boxkampf ein
Kampf Schwarz gegen Weiß. Die Zuschauer wollten Jack
Johnson verlieren sehen. Johnson war ein brillanter
Boxer und der Rassendiskriminierung begegnete er mit
Souveränität. Im weißen Amerika war Johnson der
„bestgehasste“ Sportler. Die etwa 20.000 Zuschauer,
die diesem Boxkampf beiwohnten, feierten ihren
weißen Boxer, Jess Willard (1881-1968), der
letztendlich in der 26. Runde (von 45 angesetzten
Runden) eine K.o.-Niederlage einstecken musste,
obwohl Augenzeugen-Berichte besagten, dass Johnson
durchaus nicht schwer angeschlagen gewesen wäre,
sich aber freiwillig auszählen ließ. Der neue
Weltmeister Jess Willard, der vordem gerade 30
Kämpfe bestritten hatte, galt, was sein
Boxleistungen anbelangte, als ein eher mittelmäßiger
Athlet. Johnson hingegen war ein Spitzenboxer. Als
er 1908 in der 14. Runde dem damaligen
Titelverteidiger Tommy Burns (1881-1955) den Titel
abrang, war diese Tatsache für die weißen Zuschauer
ein totaler Schock. Es kam zu Rassenunruhen, doch
für die schwarze Bevölkerung wurde Johnson zu einem
Symbol der Stärke, während er bei den Weißen
verhasst denn je war.
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