Das Sportjahr 1912 – Erstmals elektronische Zeitmessung bei Olympia

Sommerolympiade in Stockholm
In Stockholm begannen am 5. Mai 1912 die V. Olympischen Sommerspiele, bei denen zum ersten Mal eine elektronische Zeitmessung und eine Zielfotografie zum Einsatz kamen. Die Spiele wurden von Schwedens König Gustav V. (1858-1950) im neuen Stockholmer Stadion eröffnet.
Die Sportveranstaltungen selbst fanden jedoch erst zwischen dem 29. Juni und dem 27. Juli 1912 statt. Bei einem Angebot von 30.000 Sitzplätzen im Stadion waren die Kommentatoren zu dem Schluss gekommen, dass sich die Olympischen Spiele endlich zu einer angemessenen Form entwickelt hatten. Der moderne Fünfkampf, Schwimmwettbewerbe für Frauen, die klassischen Leichtathletikstaffeln und die Langstreckenläufe über 5.000 Meter und über 10.000 Meter waren als olympische Disziplinen neu in das Programm aufgenommen worden. Neu waren auch die begleitenden Kunstwettbewerbe, bei denen der Generalsekretär des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Pierre de Coubertin (1863-1937) die Goldmedaille im Literaturwettbewerb bekam für seine „Ode an den Sport“.
Die beiden Weltrekorde, die der Finne Johan Petteri Kolehmainen (1889-1966) lief waren ein unbestrittener Höhepunkt der Olympiade. Er hatte den Beinamen „der fliegende Finne“. Er gewann drei Mal Gold und einmal Silber und lief über 3.000 und 5.000 m jeweils einen Weltrekord. Die deutsche Olympia-Mannschaft bestand aus 180 Männern und fünf Frauen. Das Team errang insgesamt fünf Goldmedaillen, 13 Silbermedaillen und sieben Mal Bronze. Die Sieger wurden zudem vom schwedischen König mit Lorbeerkränzen geehrt. Überschattet wurden die Wettbewerbe durch den Tod des portugiesischen Marathonläufers Francisco Lázaro (1891-1912). Er war der erste, der in jenem Jahr für sein Land an der Olympiade teilgenommen hatte. Durch die große Hitze und die enorme körperliche Anstrengung brach Lázaro bei der 29-Kilometer-Markierung zusammen, erlitt einen Hitzschlag und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden, wo er am nächsten Morgen, am 15. Juli 1912, verstarb. Es war der erste Todesfall bei den Olympischen Spielen der Neuzeit gewesen. Sieger des Marathonlaufs wurde der Nordire Ken McArthur (1881-1960), der bereits 1901 nach Südafrika emigriert war.

Radsport
Die 10. Tour de France fand vom 30. Juni bis zum 28. Juli 1912 statt. Der belgische Radrennfahrer Odiele Defraye (1888-1965) wurde der Überraschungs-Sieger dieser Fahrt. Den zweiten und dritten Platz errangen die beiden französischen Fahrer Eugène Christophe (1885-1970) und Gustave Garrigou (1884-1963). Es war das letzte Mal, dass bei der Tour de France der Sieger nach einem Punktesystem ermittelt wurde. Insgesamt waren 131 Fahrer an den Start gegangen, von denen lediglich 41 die Rundfahrt beendeten. Die Fahrer mussten in 28 Tagen insgesamt eine Strecke von 5.319 Kilometern in 15 Etappen bewältigen. Das hieß in der Praxis, dass an den Fahrtagen mehr als 300 Kilometer geschafft werden mussten. Teilweise fuhren die Athleten auf nicht befestigten oder nur notdürftig befestigten Straßen.

Motorsport – Motorrad und Automobil
Zum ersten Mal wurde am 26. August 1912 der Große Preis von Frankreich ausgetragen, ein Rennen für Motorräder. Seit 1951 zählt es zur Motorrad-Weltmeisterschaft. Organisiert hatte es der Motocycles Club de France (MCF). Wegen angeblich schlechter Organisation betrachteten der Automobile Club de France (ACF) und die britische Auto-Cycle Union (ACU) dieses Rennen mit Argwohn. Schließlich hielten diese beiden Clubs sich selbst für die führende Instanz bei der Durchführung von Motorsport-Veranstaltungen. Nach dem Rennen wurden die teilnehmenden Piloten von den beiden Clubs sanktioniert. Die Fahrer dieses Rennens fuhren über 15 Runden, nach denen der britische Rennfahrer Oliver Godfrey als Sieger hervorging. Er war auf einer „Indian“ gefahren, die von der Indian Motocycle Company hergestellt worden war, einem der ersten Hersteller von Serienmotorrädern in den Vereinigten Staaten.
Der „verschnupfte“ ACF veranstaltete ein Jahr später zum ersten Mal den Großen Preis für Automobile und unter der Bezeichnung Grand Prix de Picardie auch einen Wettbewerb für Motorräder, der dann als erster „echter“ Motorrad-Grand-Prix angesehen wurde.
Das Grand-Prix-Rennen für Automobile gewann 1912 der Franzose Georges Boillot (1884-1916) auf Peugeot. Es war am 25. und 26. Juni 1912 veranstaltet worden und endete in Dieppe.

Eiskunstlauf
Im Eiskunstlauf gab es im Jahr 1912 die Weltmeisterschaften in Manchester für Herren und Paare (16. und 17. Februar)) und in Davos für die Damen. Die hatten schon am 27. und 28. Januar stattgefunden. Bei den Herren errang der Österreicher Fritz Kachler (1888-1973) die Goldmedaille. Der Deutsche Werner Rittberger (1891-1975) wurde Vize-Weltmeister. Den Weltmeistertitel bei den Damen gewann die Ungarin Opika von Méray Horváth (1889-1977), die diesen Titel auch in den beiden Folgejahren erringen konnte.

Sonstige Ereignisse
Am 2. April 1912 wurde durch die Fusion des 1893 gegründeten Stuttgarter FV 93 mit dem Fußballverein Kronen-Club Cannstatt der VfB Stuttgart 1893 e. V. gegründet. Und bei der Deutschen Fußball-Meisterschaft wurde die Mannschaft Holstein Kiel Titelgewinner.
<< Sportjahr 1911   |   Sportjahr 1913 >>