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Literaturjahr 1919
Literatur in Deutschland
Während in Paris 1919 die Basilika „Sacré-Coeur de
Montmartre“ eingeweiht wurde, starb in Deutschland
der Ministerpräsident Kurt Eisner durch mehrere
Schüsse. Die Waffe richtete der Student und Adlige
Anton Graf von Arco auf Valley auf ihn, der bei
diesem Attentat durch die Begleiter Eisners schwer
verletzt wurde, jedoch überlebte. In Italien wurde
die faschistische Bewegung „Fasci di combattimento“
ins Leben gerufen, gegründet durch den berüchtigten
Benito Mussolini.
Mit dem Ende des Krieges bildete sich in der
Weimarer Republik ganz allmählich eine neue
Stilrichtung für Literatur und Malerei, die sich
„Neue Sachlichkeit“ nannte. Diese behauptete sich
unabhängig neben dem Tabu- und Regelbrechen der
Expressionisten, Dadaisten und Surrealisten und
legte wieder Wert auf eine objektive Darstellung.
Die Wirklichkeit sollte hier konkret abgebildet
werden, mit all ihren sozialen und ökonomischen
Bedingungen.
Der
Erste Weltkrieg hatte die deutschen Menschen
ernüchtert und desillusioniert. Die Stimmung war
depressiv, es herrschten Armut und Unzufriedenheit
vor. Ersparnisse hatten sich während des Krieges in
Luft aufgelöst, die Monarchie in eine Republik
gewechselt, die feindselig betrachtet wurde, für
Deutschland fand die Annahme des Friedensvertrags
unter Zwang statt und die ReparationsForderungen der
Allliierten waren eine große Belastung. Es bedurfte
einer neuen Orientierung.
Während die Literatur zuvor noch nach Pathos und
romantischen Bildern suchte, war die „Neue
Sachlichkeit“ durch distanzierte, kühle und reale
Bilder geprägt. Klarheit und Schlichtheit dienten
dem Ausdruck, Betrachtungen über Gesellschaft und
Politik flossen in den Text ein. Der Expressionismus
wirkte daneben immer noch, philosophische Einflüsse,
die vorher durch Nietzsche bestimmt waren, bildeten
die Werke der Philosophen Martin Heidegger und Karl
Jaspers.
In Paris eröffnete Sylvia Beach 1919 ihre
Buchhandlung „Shakespeare and Company“ in der Rue de
l’Odéon, die, neben der bereits bekannten und
gegenüberliegenden von Adrienne Monnier, zum
wichtigsten Treffpunkt der Literaten aller Welt
werden sollte. Wichtige Besucher waren u. a. James
Joyce, Ernst Hemingway, F. Scott Fitzgerald, Ezra
Pound und die gesamte „Lost Generation“.
André Breton und Philippe Soupault veröffentlichten
in diesem Jahr ihre „Magnetischen Felder“, von denen
Louis Aragon später behauptete, sie wären ein
wichtiges Dokument für die emotionale Wirkung
automatischer Texte, ein „Moment der
Morgendämmerung, die den Angelpunkt der gesamten
Geschichte des Schreibens“ darstellen würde, und in
der Zeitschrift „Littérature“ wurde die Frage an
alle Schriftsteller gestellt, warum sie schreiben
würden, stellte damit eine subversive
HerausForderung an die Selbstzufriedenheit der
Literaturszene dar. Die ausgefallenste Antwort gab
Knut Hamsun:
„Ich schreibe, weil es die Zeit verkürzt.“
Anfang des Jahres 1919 verließ die Familie von
Vladimir Nabokov Russland. Seine Eltern eröffneten
erst in London, später in Berlin einen berühmten
literarischen Salon. Gerade Berlin sollte einer der
Orte sein, der russischen Exilanten eine wichtige
Anlaufstelle war. Die Russen in Berlin bildeten
einen eigenen, in sich geschlossenen Kreis, es gab
russische Buchhandlungen, Cafés und Geschäfte.
Nabokov schrieb sich währenddessen am „Trinity
College“ in Cambridge ein und studierte französische
und russische Literatur, sowie Naturwissenschaften.
Sein Interesse galt ein Leben lang den
Schmetterlingen, von denen er auch neue Spezies
entdeckte und benannte. 1919 veröffentlichte er
einen ersten Artikel über seine Leidenschaft zu
diesen Faltern.
Von Hermann Hesse erschien in Deutschland der Roman
„Demian". Durch die Erfahrungen, die Hesse im Ersten
Weltkrieg gesammelt hatte, wurde er ein
entschiedener Kriegsgegner und Pazifist. Drei Jahre
zuvor hatte Hesse seinen Vater verloren, im gleichen
Jahr starb sein dreijähriger Sohn an
Gehirnhautentzündung. Hesse hatte damit eine tiefe
Lebenskrise zu bewältigen, eine von vielen in seinem
Leben. Der Roman „Demian“ war das Ergebnis eines
dreiwöchigen Schreibrausches. Er erschien 1919 unter
dem Pseudonym Emil Sinclair und beeindruckte auch
Thomas Mann. Privat hatte Hesse weiter zu kämpfen.
Seine Ehe war zerrüttet, er trennte sich von seiner
Frau, wobei er die Erlebnisse in der Erzählung
„Klein und Wagner“ festhielt, die ebenfalls 1919
gedruckt wurde.
Der Literaturnobelpreis ging in jenem Jahr an den
Schweizer Carl Spitteler für sein Epos „Olympischer
Frühling“, ein aus zwanzigtausenden Versen
bestehendes literarisches Werk, das sich die
griechische Antike zum Vorbild genommen hatte.
Mythische Figuren dienten Spitteler zur Adaption
einer vom Pessimismus seiner Zeit geprägten
Erfahrungswelt.
Von solch einer war auch ein anderer Schriftsteller
und Journalist eingenommen. Karl Kraus brachte sein
Drama „Die letzten Tage der Menschheit“ heraus.
Dieses war eine beeindruckende Reaktion auf den
Ersten Weltkrieg, enthielt zweihundert
unzusammenhängende Szenen, die auf wahren
Begebenheiten basierten, um die Unmenschlichkeit,
das Absurde des Krieges zu verdeutlichen.
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