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Filmjahr
1913 – Das neue Medium hatte Indien erreicht
In Berlin wurde anlässlich des 100. Geburtstages des
Komponisten Richard Wagner am 13. Mai die
Filmbiographie „Richard Wagner“ uraufgeführt. Der
Film ist eine der frühen deutschen Filmbiografien.
Die Musik zu dem Film stammt von Giuseppe Becce
(1877-1973), der auch als Schauspieler agierte. In
diesem Film spielte er die Titelrolle.
Es wäre nahe
liegend gewesen, Wagners eigene Musik für den Film
zu verwenden, doch die Produzenten waren nicht
willens, die hohen Verlagsrechte zu bezahlen. Becce
schuf deshalb eine Musik, in der die Musik anderer
Komponisten verarbeitete und musikalische Zitate
anklingen ließ. Auf diese Art hatte er ein
kongeniales Plagiat geschaffen. Heute gilt seine
Musik zu diesem Film als aufschlussreiches Dokument
der Wagner-Rezeption. Der aus Italien stammende
Komponist legte damit auch den Grundstein für die
Musiken des deutschen Films. Die Regie für den
Wagner-Film hatte Carl Froelich (1875-1953)
übernommen und produziert hatte ihn Oskar Messter
(1866-1943). Der Film hatte eine für jene Zeit
ungewöhnliche Länge – er dauerte 110 Minuten.
Im Deutschen Reich hatte sich das Medium Film längst
etabliert. Im selben Jahr kam in Berlin der
Gruselfilm „Der Student von Prag“ zur Uraufführung.
Weltweit gilt dieser Film als erster Autorenfilm und
als erster Kunstfilm. Der aus Dänemark stammende
Regisseur Stellan Rye (1880-1914) führte zusammen
mit dem Schauspieler Paul Wegener (1874-1948) Regie.
Wegener spielte auch die Hauptrolle. Er hatte sich
bereits in den Jahren zuvor einen Namen als
Theaterschauspieler gemacht. Sein engagierter
Einsatz für das neue Medium hatte bedeutenden
Einfluss auf die Akzeptanz des Films in Deutschland.
Mit 85 Minuten Spieldauer war dieser Film der erste
abendfüllende Spielfilm im Deutschen Reich. Die
englischsprachige Export-Fassung – „The Student of
Prague or A Bergain with Satan“ – war zehn Minuten
kürzer. Sie wurde im selben Jahr schon in
zahlreichen Ländern gezeigt. Die Kameraführung hatte
Guido Seeber (1879-1940), der mit den
Doppelbelichtungs-Aufnahmen einen bedeutenden
Beitrag zur Loslösung des deutschen Films vom
Theater leistete.
Während noch um 1910 in Indien ausschließlich aus
dem Westen eingeführte Filmproduktionen gezeigt
wurden, hatte Dhundiraj Govind Phalke (1870-1844)
beschlossen, diesen Zustand zu ändern. Phalke hatte
Kunst und Architektur studiert und war 1912 nach
England gegangen, wo er sich eine Ausrüstung für die
Filmproduktion anschaffte, um einen Film zu
produzieren, der ein indisches Sujet hatte. In
Bombay eröffnete Phalke 1912 das Filmstudio „Phalke
Films“, ließ ein Filmset bauen und schrieb ein
Drehbuch. Fast acht Monate dauerte es, bis Phalke
seinen Film fertiggestellt hatte, in dem
ausschließlich männliche Darsteller agierten. So war
es damals auf indischen Bühnen üblich. Phalkes Film
„Raja Harishchandra“ wurde am 21. April 1913 im
Olympia Theatre einem Kreis von ausgewählten
Persönlichkeiten und Zeitungsverlegern vorgeführt.
Das erste zahlende Publikum bekam den Film am 3. Mai
1913 im Coronation Cinema in Bombay zu sehen. Das
Datum gilt heute als der Beginn des Kinos in Indien.
Phalkes Film, der eine Geschichte aus dem
Nationalepos Mahabharata behandelt, war so
erfolgreich, dass weitere Kopien gefertigt werden
mussten, um sie auch im Umland von Bombay zeigen zu
können.
In Europa hatten die Filmemacher schon ein wenig
mehr Routine als die Filmschaffenden in Indien. In
dem österreichischen Film „Unrecht Gut gedeihet
nicht“ wurde erstmals eine Massenszene gedreht.
Außerdem kam eine der ersten filmtheoretischen
Publikationen auf den Markt – „Gedanken zu einer
Ästhetik des Kinos“, das Georg Lukács (1885-1971)
verfasst hatte, ein ungarischer Philosoph,
Literaturwissenschaftler und –kritiker.
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