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Filmjahr 1912 – Wiener Kinematographen-Kongress, erster Titanic-Film


In dem im Vorjahr gegründeten Filmstudio Babelsberg hatten 1912 im neu gebauten gläsernen Atelier in Neubabelsberg die Dreharbeiten zu dem Stummfilm „Totentanz“ begonnen, den der dänische Regisseur Urban Gad (1879-1947) in Szene setzte. Die Hauptrolle spielte seine Frau, die dänische Schauspielerin Asta Nielsen (1881-1972).
Es bedurfte weniger Tage, um die Produktion zu vollenden. Der Film, der am 7. September seine Uraufführung erlebte, war vorher, am 15. Juli, mit einem Jugendverbot belegt worden. Dem jungen Publikum mussten die Liebes- und Bauchtanzszenen im 2. Akt vorenthalten werden, ebenso der Mord in der Schlussszene des 3. Aktes. Das Verbot wurde jedoch von lokalen Zensoren unterlaufen und es wurde der gesamte Film gezeigt. Das wiederum führte zu negativen Schlagzeilen seitens der Filmkritiker, denen das junge Publikum im „Totentanz“ nicht entging. Das Filmgespann Gad/Nielsen schuf in jenem Jahr 1912 noch weitere Filme in Babelsberg. Obwohl einige der Filme international erfolgreich wurden, belegte die Zensur sie dennoch mit einem Jugendverbot. Zu den Filmen des Jahres 1912 gehören u. a. „Die Macht des Geldes“, „Die arme Jenny“, „Zu Tode gehetzt“, „Die Kinder des Generals“, „Wenn die Maske fällt“.
Österreich brachte 1912 seinen bisher längsten Film in die Kinos – „Der Unbekannte“. Zum ersten Mal wurden hier renommierte Bühnenschauspieler besetzt. Der Film war im Vorfeld mit großem Aufwand beworben worden. Seine Uraufführung hatte der Film am 5. März 1912. In Wien fand auch erstmals ein Internationaler Kinematographenkongress statt. Dabei sprachen sich die Vertreter der österreichischen Film- und Kinoverbände entschieden gegen das Verbot aus, das Bühnenschauspielern die Mitwirkung an Filmen verwehrte. Sie kritisierten die Filmzensur und forderten die Anerkennung des Films als Kunstgattung ein. Bis dato gehörten Filmschaffende noch zur Schicht des „Fahrenden Volkes“, was ihnen einen höchst fragwürdigen gesellschaftlichen Status verschaffte. Wien erhielt im selben Jahr ein eigenes Kinogesetz – die „Kinematographenverordnung“. Nach dieser Verordnung musste jeder Kinobesitzer eine Konzession haben, um ein Kino betreiben zu können.
Als am 14. April 1912 die „RMS Titanic“ während ihrer Jungfernfahrt sank und der Mythos zum Thema für Filme wurde, schrieb bereits einen Monat später die Éclair Film Company Geschichte, als der Film „Saved from the Titanic“ Premiere hatte. Er dauerte 10 Minuten. In der Hauptrolle war der Stummfilmstar Dorothy Gibson (1889-1946) zu sehen. Sie hatte zu den Wenigen gehört, die diese Katastrophe überlebten und als Zeitzeugin durch diesen Film noch größere Bekanntheit erlangte. Gibson hatte mit ihrer Mutter ein Europareise unternommen und wollte die Rückreise in die USA mit der „RMS Titanic“ antreten. Gibson hatte als einer der ersten Passagiere ein Rettungsboot erreicht, in dem sich insgesamt nur 28 Passagiere befanden. Sie waren alle von der „RMS Carpathia“ gerettet worden.
Der österreichische Theater-Regisseur Max Reinhardt (1873-1943) hatte in jenem Jahr 1912 den Stummfilm „Das Mirakel“ inszeniert, der in London seine Uraufführung erlebte. Das Drehbuch von Karl Gustav Vollmoeller (1878-1948) entstand nach seinem gleichnamigen Bühnenstück. Reinhardt und Vollmoeller schufen mit diesem Film eines der ersten Beispiele für einen hochwertigen Kunstfilm. „Das Mirakel“ wurde kurz darauf in den US-amerikanischen Kinos gezeugt, die deutsche Premiere fand erst 1914 statt. Dieser Stummfilm entwickelte sich zu einem Longseller.
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