Chronik 1620 - Die Gebärdensprache und das erste
Kinderkarussell
Die Protestanten und die Katholiken waren vielerorts
in den hauptsächlich süddeutschen Gebieten damit
beschäftigt, ihre kriegerischen Auseinandersetzungen
auszutragen, während im weit entfernten Kaiserreich
China der Kaiser Wanli (1563-1620) starb, dessen Ära
einen späten Höhepunkt der Ming-Dynastie
kennzeichnete, zugleich aber der Beginn des
Untergangs dieser Dynastie wurde. Der uneheliche
Sohn Taichang (1582-1620) des verstorbenen Kaisers
durfte nun auf den Thron. Er konnte allerdings nicht
mehr viel ausrichten, denn er war schwer krank und
starb nach einem Amts-Monat. Sein ältester Sohn, der
14-jährige Tianqi (1605-1627), übernahm die Krone.
Das riesige Reich, das er regierte, war finanziell
ruiniert und bürokratisch gelähmt. Da er sich nicht
sonderlich für Politik interessierte, zudem auch
sehr ungebildet war, wurden weder Reformen noch
sonstige Maßnahmen ergriffen. Er war auf Berater
angewiesen, die ihm keine echte Hilfe waren, so dass
das Ansehen der Ming-Dynastie großen Schaden nahm.
Das Jahr 1620 brachte derweil in Europa eine andere
Neuheit hervor. In Philipopel (heute Plowdiw in
Bulgarien) wurde nämlich eine Errungenschaft aus dem
U präsentiert – das erste
Kinderkarussell. Es war zu jener Zeit eine
Kuriosität, die von Menschenhand angetrieben wurde
und schließlich eine Entwicklung erlebte, die
spektakuläre Blüten trieb. Eine Entwicklung ganz
anderer Art wurde ebenfalls im Jahr 1620
eingeläutet. Der spanische Verwaltungsbeamte Juan
Pablo Bonet (1579-1633) brachte ein besonderes Buch
heraus, das erste, das sich mit der
Taubstummen-Pädagogik befasste. Er beschrieb
erstmals das so genannte Fingeralphabet, mit dem es
Hörgeschädigten möglich wurde, sich zu verständigen.
Bonet hatte als Sekretär in einem adligen Haushalt
gelebt, zu dem drei gehörlose Söhne gehörten. Seine
eigenen Erfahrungen mit gehörlosen Menschen waren
unbedeutend, aber sein Geschäftssinn reichte aus, um
die Methoden des Manuel Ramirez de Carrión
(1579-1652) zu plagiieren, der den dritten Sohn der
Familie unterrichtet hatte. Carrión wiederum hatte
auf den Methoden von Pedro Ponce de León (1500, 1510
oder 1520 bis 1584) aufgebaut, der die beiden
anderen Söhne Lesen und Schreiben gelehrt hatte. Die
echten Pädagogen waren also León und Carrión
gewesen, aber das schriftliche Werk wird mit dem
Namen Bonet verbunden. Ein Meiserwerk der Malerei,
das heute im Louvre in Paris zu bestaunen ist,
entstand ebenfalls um 1620 – „Der Falschspieler mit
dem Karo-Ass“ des französischen Barockmalers Georges
de la Tour (1593-1652). Bedenkt man, dass im 17.
Jahrhundert das Glücksspiel in Frankreich verboten
war, kommt gerade diesem Gemälde eine besondere
Bedeutung zu.
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