Literatur 1963 Deutschland
In der Aufbruchsstimmung der
1960er Jahre, in der
Bewältigung der Ereignisse während des Zweiten
Weltkriegs und des nationalsozialistischen Regimes,
in der Zeit "danach", die nach neuen Fundamenten und
neuen Wertsystemen suchte, erhoben sich die Stimmen
der Schriftsteller, die in poetischer Form zu
verarbeiten suchten, was kaum zu verwinden schien.
Vor allem ein Autor hob sich aus der Vielzahl der
Schriftsteller der Nachkriegsliteratur heraus, ein
Mann, der sich unermüdlich und unerschrocken
öffentlich und politisch engagierte und seine Stimme
vor allem in seinen literarischen Werken jenen lieh,
die sonst nirgends gehör fanden: Heinrich Böll.
Böll zählt zu den wichtigsten Schriftstellern der
deutschen Literatur in den Jahrzehnten nach dem
Zweiten Weltkrieg, er prägte sowohl die Diskussion
um den Fortbestand der Literatur nach der
Geschichtskatastrophe als auch jene über die
Zustände in Deutschland während der 68er Jahre und
danach, er verurteilte die scharfe Linie der
Bild-Zeitung und verwob die aktuellen
zeitgeschichtlichen Ereignisse in seinen Romanen und
Erzählungen mit seinen poetischen Strukturen.
Im Jahr 1963 erschien sein Roman "Ansichten eines
Clowns", der bis heute zu den berühmtesten und am
häufigsten gelesenen Werken des Kölner Literaten
zählt.
Unerbittlich und unnachgiebig widmet sich
Heinrich
Böll in diesem Roman dem Wertsystem der
Nachkriegsgesellschaft der 1950er und 1960er-Jahre,
dessen Stabilität und Haltbarkeitsdatum er kritisch
beleuchtet und hinterfragt. Die Geschichte
Deutschlands nach dem Krieg, die Generation
Wirtschaftswunder findet Eingang in die Erzählung,
die sich dem Schicksal des Protagonisten Hans
Schnier widmet, der sich aus den vorgezeichneten
Wegen der Familientradition und somit auch aus dem festgefügten Gesellschaftsportrait löst. Gerade die
Mobilität der allgemeinen Anschauungen findet
Eingang in den Roman, die Gültigkeit festgefügter
Ordnungen und Systeme wird einer skeptischen Prüfung
unterzogen. Bölls Protagonist wird mit den realiter
existenten Problemen der Nachkriegszeit
konfrontiert, mit einer Gesellschaft, die vom
Nationalsozialismus stillschweigend übergegangen ist
zu Verleugnung und Schweigen, zur Negation dessen,
was geschehen ist - einer Gesellschaft der
"Persilscheine", der "Entnazifizierung", in welcher
derjenige, der sich kritisch mit seiner
Geisteshaltung und der Vergangenheit
auseinandersetzt, keinen Platz mehr findet.