Literatur 1957 - Das literarische Jahr 1957

1957 begann der Wettstreit der wissenschaftlichen Weiterentwicklungen und Errungenschaften. Russland gegen Amerika. Großmacht gegen Großmacht. Die Sowjetunion legte vor. Der Satellit „Sputnik“ wurde ins All geschickt, dazu eine erste Interkontentalrakete. Die USA witterten überall kommunistische Unterwanderungen und erließen Gesetze, um dagegen vorzugehen. Spione bevölkerten die Welt.
Im Osten Deutschlands machte man sich an den Aufbau des Sozialismus. Zu viele Menschen flüchteten und verließen die DDR, das Wort „Republikflucht“ wurde ins Leben gerufen, das Verlassen des Landes bestraft.
Sein Land zu verlassen, kam für Jack Kerouac erst einmal nicht in Frage. „On the road“ erschien, sein Roman über das Trampen am Wegesrand, die Suche nach Freiheit und der Sehnsucht nach dem Abenteuer. Mit diesem literarischen Wurf ahnte Kerouac noch nicht, dass er damit eine neue literarische Bewegung einleitete und eine ganze Generation prägte, damit ein Bild von sich schuf, das ihn mitunter auch zerstören sollte. Nicht nur, dass Kerouac weiterhin an großer Geldnot litt, so trank er aus Frust auch viel Alkohol, nahm Drogen und fand keinen Halt im Leben. Auf der Welle der Beat-Generation, den Partys und verzweifelten Versuchen, sich lebendig zu fühlen, wurde die Bewegung allmählich kommerzialisiert. Kerouac floh vor dem eigenen Bild, das man sich von ihm machte, flüchtete in das Haus seiner Mutter in Florida. Doch auch dort fand er keine Ruhe, trank und nahm Drogen und starb schließlich mit 45 Jahren an den Folgen eines solchen Lebenswandels. Sein Buch „On the road“ überdauerte auch die Beat-Zeit. Eines der schönsten Zitate ist das über die Verrückten:
„Denn die einzig wirklichen Menschen sind für mich die Verrückten, die verrückt danach sind zu leben, verrückt danach zu sprechen, verrückt danach, erlöst zu werden, und nach allem gleichzeitig gieren - jene, die niemals gähnen oder etwas Alltägliches sagen, sondern brennen, brennen, brennen wie phantastische gelbe Wunderkerzen.“
Von dem russischen Dichter Boris Pasternak, dem ein Jahr später unter etwas fragwürdigen Voraussetzungen der Literaturnobelpreis zukam, erschien das beeindruckende Werk „Doktor Schiwago“, zunächst noch in einer italienischen Übersetzung. Es blieb sein erster und einziger Roman als eine Sehnsucht, den Alltag einzufangen. Durch die Umstände in der Sowjetunion hatte das Manuskript einen langen Weg hinter sich und durfte dort bis 1988 nicht öffentlich erscheinen, kursierte natürlich im Samisdat. Pasternak hatte das Manuskript einem Agenten von Feltrinelli übergeben, der es über die Grenze bis nach Italien schmuggelte. 1958 erschien dann die russische Originalversion.
Auch Vladimir Nabokov ließ wieder von sich hören. 1957 erschien sein Roman „Pnin“, der sich explizit mit den Schwierigkeiten des Emigranten in einem fremden Land auseinandersetzte. Pnin, ein kauziger Gelehrter und College-Professor, erscheint den Menschen durch seine Eigenarten und Sprachschwierigkeiten lächerlich und verrückt, während sein geistiges Potential sicherlich den Horizont vieler übersteigt, die hinter seinem Rücken über ihn schmunzeln. Nabokov gelang mit diesem Roman ein humoriges und gleichzeitig tragisches Buch samt einer Figur, die in der Erinnerung bleibt.
Ayn Rand brachte 1957 ihren Roman „Altas wirft die Welt ab“ heraus. Darin entwickelt sie ihre bis heute gefragte Philosophie des Objektivismus, hebt Kapitalismus als wichtige Bedingung hervor, zeigt den nach Erfolg strebenden Menschen als tragenden Bestandteil einer funktionierenden Gesellschaft, macht aus dem Egoismus eine Tugend und erklärt den Verstand zum Maß der Dinge. Damit wurde das Buch politisch und gerade in Amerika äußerst einflussreich.
Innerhalb Deutschlands blieb die Literatur gespalten. In der DDR setzten sich die Schriftsteller hauptsächlich mit dem Sozialismus und Antifaschismus auseinander, die Literatur sollte dem Aufbau der DDR dienen und geeignet erziehen. Dabei wurde den Schriftstellern nicht nur vorgeschrieben, was und worüber sie zu schreiben hatten, sondern auch dem Leser, was er lesen durfte. Die Zensur spielte eine tragende Rolle in der Erziehung hin zum Sozialismus.
Im Westen wurde zeitkritische Literatur häufig in Form von Satire ausgedrückt, so bei Martin Walser in seinem Roman „Ehen in Philippsburg“, bei Hans Magnum Enzensberger in „Die Verteidigung der Wölfe“ oder bei Arno Schmidt in seinem Roman „Die Gelehrtenrepublik“. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit fand weniger statt.
Der Literaturnobelpreis ging 1957 an den Franzosen Albert Camus für seinen Blick auf die Missstände und die Darstellung der Gewissensprobleme jeglicher Art. Der Schriftsteller und Philosoph des Absurden kam genauso absurd ums Leben, drei Jahre später, als Beifahrer bei einem Autounfall.
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