Literatur 1954 - Das literarische Jahr 1954

1954 zündeten die Vereinigten Staaten von Amerika die erste Wasserstoffbombe. Sie ging im Pazifik hoch und überstieg die Atombombe von Hiroshima um das Sechshundertfache. Die Welt wurde nun mittels Angst und Panik regiert und kontrolliert. Auch die Bundesrepublik Deutschland unterschrieb einen Vertrag, sich wieder bewaffnen zu dürfen und in die NATO einzutreten.
Für Deutschland gab es noch ein anderes berauschendes Ereignis. Das so bezeichnete „Wunder von Bern“ ging in die Geschichte des Sports ein. Deutschland wurde bei der Fußball-WM 1954 Weltmeister.
Währenddessen wurde in Amerika die berüchtigte „schwarze Liste“ veröffentlicht, auf der unerwünschte Personen mit angeblichen Neigungen zum Kommunismus namentlich festgehalten wurden, so dass ihnen die Einreise nach Amerika untersagt wurde. Elvis Presley feierte auf den Bühnen mit dem Rock ’n’ Roll seine ersten Erfolge und Charles Lindbergh veröffentlichte seine Autobiografie „Mein Flug über den Ozean“, erhielt dafür den Pulitzer-Preis.
Um den Spuren von James Joyce und seinem Werk „Ulysses“ zu folgen, machten sich die Schriftsteller John Ryan, Anthony Cronin, Patrick Kavanagh und Flann O’Brien auf eine abenteuerliche Reise durch die Bars und Spelunken von Dublin, um am Ende am Martello-Turm von Sandymount zu landen. Damit war eine dem großen Joyce zu Ehren ins Leben gerufene Veranstaltung geboren, die von da an jährlich stattfand und nicht selten in eine Kneipen- und Sauftour ausartete. Sie erhielt den Namen „Bloomsday“.
Von Simone de Beauvoir erschienen „Die Mandarins von Paris“, im Grunde ihr Hauptroman, in dem sie all die Gestalten auftreten ließ, mit denen sie in der literarischen und künstlerischen Szene verkehrte, darunter natürlich Sartre und Camus, aber auch Arthur Koestler oder Nelson Algren, mit denen Beauvoir ein Verhältnis hatte, zum Teil auch darum, um sich an Sartre für seine zahlreichen Affären zu rächen. In ihrem Roman fand der Machtkampf zwischen dem Existentialismus und dem Kommunismus statt, ausgetragen über ihre Figuren, wobei es von Seiten Beauvoirs wenig Erfindungsgabe bedurfte, da diese Kämpfe tatsächlich zwischen den Philosophen und Literaten stattfanden.
Max Frisch schrieb seinen schönen Roman „Stiller“, durch den er bekannt wurde. Nach dem Erfolg konnte er als freier Schriftsteller arbeiten und gab den eigentlichen Beruf des Architekten auf. Wie immer war auch in diesem Roman die Identitätssuche das zentrale Thema, weshalb der Bericht als Tagebuch angelegt war und so den Erzähler Stiller psychologisch besser sichtbar machte.
Frisch hatte sich für die Idee lange mit dem philosophischen Werk „Entweder – Oder“ von Sören Kierkegaard auseinandergesetzt. Er griff auch auf seine Aufzeichnungen zurück, die er in Mexiko gemacht hatte. Der erste Satz: „Ich bin nicht Stiller.“ wurde bei der Veröffentlichung erst nachträglich in das Manuskript eingefügt, das dann als Buch 1954 publiziert wurde.
Von J. R. R. Tolkien erschienen die ersten Teile seiner bis in die Gegenwart reichenden, erfolgreichen Saga „Der Herr der Ringe“. Die Idee dazu entstand durch die Vaterrolle Tolkiens, der seinen Kindern regelmäßig Fantasiegeschichten zu erzählen pflegte. Der Vorreiter zu der Saga war die Geschichte „Der Hobbit“, deren Grundtendenzen durchaus einer ernsthaften Mythologie gewidmet waren. Hier bildete sich die Sagenwelt um Mittelerde und die ersten Figuren. Seine Manuskripte wurden häufig abgelehnt, zumindest mit der Forderung, stark gekürzt werden zu müssen, wozu Tolkien sich nicht bereit erklärte. Schließlich wurde „Der Herr der Ringe“ in drei Einzelbänden und zu erschwinglichen Preisen herausgebracht, nicht, weil Tolkien die Saga tatsächlich als Trilogie angelegt hatte, sondern weil nach dem Zweiten Weltkrieg die Papierpreise in England dermaßen hoch waren, dass der Verlag sich nur eine solche Veröffentlichung leisten konnte. Das Werk selbst war eigentlich in sechs Bücher aufgeteilt, musste dann allerdings zusammengefasst werden.
Ein ganz anderer Lord wurde auch von William Golding ersonnen. „Der Herr der Fliegen“ erschien 1954 und wurde zu einem der Bücher, die durch ihre Moral zum klassischen Schulstoff geraten sollten. Gleichzeitig blieb der Roman auch Goldings erfolgreichster. Eine Bande von Kindern erleidet Schiffbruch auf einer einsamen Insel und kämpft dann um die Herrschaft der Insel, wird damit zur Metapher von Machthunger, Gewalt und Unterdrückung. Dass es sich hierbei um Kinder handelt, macht das Ganze noch tragischer, sind sie immerhin der Ausdruck der Reinheit und Unschuld, womit Golding darauf verweisen wollte, wie anfällig der Mensch, gleichgültig welchen Alters, für sein inneres Tier ist, sobald er sich einer Umgebung gegenübersieht, in der die Notwendigkeit zur Machtergreifung stattfinden muss. Das Buch zeigt, dass der Mensch immer zur Gewalt bereit ist und sein Faustrecht verteidigt, der Stärkere über den Schwächeren siegt.
Den Literaturnobelpreis erhielt 1954 Ernest Hemingway, der für die kraftvolle Darbietung in seinen Romanen geehrt wurde und einer der berühmtesten Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts wurde. Der Nobelpreis wurde ihm für seine Erzählung „Der alte Mann und das Meer“ überreicht.
Nur sechs Jahre später erlag der Schriftsteller seinen Depressionen und schoss sich, auch dadurch berühmt geworden, mit einem Gewehr, das er seine Geliebte nannte, in den Schädel.
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