Literatur 1955 - Das literarische Jahr 1955
Durch die Luft eines U-Bahnschachtes hob sich ihr
weißes Kleid in wogenden Wellen in die Höhe und
machte Marilyn Monroe schlagartig und über ihre Zeit
hinaus bekannt. Der Film dazu hieß „Das verflixte
siebte Jahr“ und kam 1955 in die Kinos.
Ein ebensolches Idol starb im gleichen Jahr bei
einem Autounfall – der smarte James Dean wurde so
zur Legende.
Amerika selbst war von vielen Unruhen bewegt. Die
Rassendiskriminierung hatte ihren Höhepunkt
erreicht, die Rassentrennung sollte endlich
aufgehoben werden. Martin Luther King hielt seine
charismatischen Reden und die Bürgerrechtlerin Rosa
Parks weigerte sich, ihren Sitzplatz an einen weißen
Mitfahrer abzugeben. So musste Amerika der schwarzen
Bevölkerung endlich ihr Recht zugestehen, gemeinsam
mit den Weißen öffentliche Verkehrsmittel benutzen
zu dürfen.
Anfang des Jahres entdeckte Hans Ertl in Rio Chinijo
den Inka-Tempel Paititi. In Indien sorgten schwere
Überschwemmungen dafür, dass mehr als 45 Millionen
Menschen obdachlos wurden. Das waren Zahlen, die
sich fast für das Guinnessbuch der Rekorde eigneten.
Dieses wurde 1955 zum ersten Mal publiziert.
Ein anderes Buch war wohl das erfolgreichste und
umstrittenste von Vladimir Nabokov. „Lolita“
erschien und erregte die Gemüter. Ein Mann heiratet
eine alleinstehende Frau, um ihrer zwölfjährigen und
äußerst frühreifen Tochter näher zu sein. Als die
Mutter ums Leben kommt, entführt er sie auf eine
zweijährige Reise durch die Motels der USA und geht
eine sexuelle Beziehung zu ihr ein, die das Mädchen
und auch ihn allmählich zerstört.
Das Thema des Romans war und ist natürlich äußerst
heikel, wenn es auch in literarischer Hinsicht
durchaus die Berechtigung zu hohem Anspruch innehat.
Nabokov selbst quälte sich mit diesem Stoff und
versuchte das Manuskript 1948 zu verbrennen. Es war
seine Frau Vera, die die Zeilen vor dem Feuer
rettete.
1955 erschien das Buch dann in Paris bei einem auf
Erotik spezialisierten Verlag und wurde bei der
Veröffentlichung stark kritisiert, aber auch gelobt.
Der eine sprach von großem Dreck, der sich hinter
Kunst verbirgt, der andere hielt die psychologische
Innenwelt des Protagonisten dagegen, deren
Darstellung nicht verharmlost oder sogar befürwortet
wird. Die Kontroverse weckte allerdings, wie häufig
der Fall, das Interesse eines kauffreudigen
Leserstamms. Das Buch wurde zum Bestseller.
Einen ähnlichen Skandal löste der bekannteste Roman
„Bonjour Tristesse“ der französischen
Schriftstellerin Françoise Sagan aus, der sie über
Nacht berühmt machte. Sie berichtet darin von einem
siebzehnjährigen Mädchen, das frei ihren Interessen
und sexuellen Wünschen folgt. Sagan schrieb den
Roman innerhalb weniger Tage nieder, führte selbst
ein aufregendes Leben voller Erfolge und tiefer
Abstürze. Seit einem schweren Autounfall nahm sie
harte Drogen und zog sich gegen Ende ihres Lebens in
ein Haus zurück, das immer kurz davor stand,
gepfändet zu werden. Geldsorgen und Suchtprobleme
bedingten diese Umstände, die sogar eine
Bewährungsstrafe mit sich brachten, während Sagan
ihre Romane schrieb und auf die Meinung anderer
keinen Wert legte.
Äußerst erfolgreich war auch der Roman „Der
talentierte Mr. Ripley“ von Patricia Highsmith. Die
Figur Tom Ripley verwendete die Autorin häufiger,
aber der Held dieses Romans, der mittels der
Sehnsucht, ein anderes Leben zu führen, auch vor
Mord nicht zurückschreckt und damit durchkommt, fand
große Begeisterung und wurde häufiger in Hollywood
verfilmt, zuletzt mit Jude Law und Matt Damon in den
Hauptrollen.
Von dem griechischen Schriftsteller Nikos
Kazantzakis erschien 1955 „Die letzte Versuchung
Christi“. Da der Papst diesen Roman auf die Liste
verbotener Bücher setzte, wurde er sofort
weltbekannt. Mit einigen literarisch freien
Abweichungen erzählte Kazantzakis hier das Leben von
Jesus, wobei er Wert darauf legte, Verfälschungen
und Unwichtiges wegzulassen.
Den Literaturnobelpreis erhielt 1955 der isländische
Schriftsteller Halldór Kiljan Laxness, der als
wichtigster skandinavischer Autor des Zwanzigsten
Jahrhunderts gilt. Den ersten Roman schrieb Laxness
bereits im Alter von nur dreizehn Jahren, ohne ihn
zu veröffentlichen. In den Dreißigern war er ein
Befürworter Stalins und des sozialistischen Systems.
Er wurde auch mit dem Stalinpreis ausgezeichnet.
„Die Islandglocke“ oder „Die glücklichen Krieger“
waren seine wichtigsten Romane, für die er durch das
politische Engagement auch mit dem Nobelpreis
ausgezeichnet wurde.

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