Literatur 1953 - Das literarische Jahr 1953
1953, nur acht Jahre nach Ende des Zweiten
Weltkrieges, lag auch im Buch- und Verlagswesen noch
vieles im Argen, trotzdem war es literarisch ein
sehr interessantes Jahr.
1953 war aber auch das Jahr des Aufstandes vom 17.
Juni in Ost-Berlin. Der aus dem Exil nach
Deutschland zurückgekehrte Bertolt Brecht schrieb
unter dem Eindruck des Aufstandes einen kurzen Brief
an den damaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter
Ulbricht, fügte dem Schreiben eine
Ergebenheitsadresse bei, die er auch an Wladimir
Semjonow und Otto Grotewohl verschickte. Er forderte
Gespräche ein und bot sich dazu auch an.
In den
Zeitungen veröffentlicht wurde jedoch nur die
Ergebenheitserklärung, womit Bertolt Brecht
öffentlich diskreditiert und er selbst nachhaltig
verunsichert wurde. Er habe, wie die SED-Führung
auch, den Kontakt zur Arbeiterschaft verloren.
Daraufhin zog er sich, auch wegen privater
Schwierigkeiten, aus der Öffentlichkeit zurück und
schrieb in Buckow bei Berlin die „Buckower Elegien“
und das Theaterstück „Turandot oder der Kongreß der
Weißwäscher“.
Wie sehr sich Ost und West bereits auseinander
entwickelt hatten, zeigte auch folgendes: Der
DDR-Schriftsteller Johannes R. Becher wurde in
Moskau mit dem „Internationalen Stalinpreis für die
Festigung des Friedens zwischen den Völkern"
ausgezeichnet, was in der BRD nahezu unbemerkt
blieb, obwohl Becher der Gründer des Aufbau-Verlages
und der Zeitschrift „Sonntag" war und zudem der
Dichter der DDR-Hymne.
Geboren wurden in diesem Jahr in Ost-Berlin Reinhard
Jirgl, der, neben einer Vielzahl anderer Preise,
2010 den Georg-Büchner-Preis erhielt. Jirgl gehört
zu den DDR-Autoren, die nie in der DDR gedruckt
wurden. Sein erster Roman „Vater Mutter Roman“
erschien erst 1990. Er ist bekannt für seine
experimentellen Formversuche in der Literatur.
1953 wurde auch Georg Klein geboren, der mit dem
2010 erschienenen „Roman unserer Kindheit“ den Preis
der Leipziger Buchmesse im gleichen Jahr erhält,
ebenso die in Nitzkydorf, im deutschbesiedelten Teil
Rumäniens geborene Herta Müller, die 2009 den
Nobelpreis für Literatur erhielt.
Weitere Geburtstagskinder waren der österreichische
Autor Josef Winkler. Er erhielt für seine
Kindheitserinnerungen 2008 ebenfalls den
renommierten Georg-Büchner-Preis, sowie der äußerst
erfolgreiche Fantasy-Autor Wolfgang Hohlbein, ein
Vielschreiber mit mehr als 200 veröffentlichten
Romanen.
1953 wurden auch die britische Autorin Judith Lennox
und die amerikanische Kriminalschriftstellerin Tess
Gerritsen geboren.
Den Literatur-Nobelpreis erhielt 1953 ganz
ungewöhnlicherweise der Politiker Winston Churchill.
In der Begründung des Nobel-Komitees hieß es dazu:
„...für seine Meisterschaft in der historischen und
biographischen Darstellung sowie für die glänzende
Redekunst, mit welcher er als Verteidiger von
höchsten menschlichen Werten hervortritt.“
Martin Buber erhielt den Friedenspreis des Deutschen
Buchhandels.
Ein Aufreger der besonderen Art war 1953 das
erstmalige Erscheinen von Mickey Spillanes Mike
Hammer-Krimis auf Deutsch. Sie lösten einen
Aufschrei aus, weil sie zu brutal und zu schlecht
seien. Der Spiegel widmete dem „Werte-Verfall“
mehrere Seiten, unter anderem mit der
Bildunterschrift: „Killen, killen, killen,
Höhlenmensch-Instinkt: Autor Spillane“. Ein weiterer
Aufreger des Jahres kam ebenfalls aus den USA: Im
September erschien der zweite Teil des
Kinsey-Reportes: „Das sexuelle Verhalten der Frau“.
Äußerst wichtig und stilbildend war 1953 immer noch
die 1947 gegründete Gruppe 47, der einflussreichste
Zusammenschluss von Literaten bis in die 60er Jahre.
Jährlich trafen sich hier Autoren und Autorinnen, z.
T. noch Unbekannte, auf Einladung auch Kritiker, und
besprachen ihre Werke. Gegründet worden war die
Gruppe 47 als eine Plattform zur Erneuerung
deutscher Literatur nach Krieg und
Nationalsozialismus. 1953 erhielt Ingeborg Bachmann
für vier Gedichte den Preis der Gruppe 47.
1953 erhielt
Thomas Mann, knapp zwei Jahre vor seinem
Tod, die Ehrendoktorwürde der Universität Cambridge.
Wichtige Bücher des Jahres waren von Ingeborg
Bachmann „Die gestundete Zeit“ (Lyrik), von Heimrich
Böll „Und sagte kein einziges Wort“, von Wolfgang
Koeppen: „Das Treibhaus“.

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