Das Modejahr 1949 Mode – Weitreichende
Ereignisse
Das Jahr 1949 stand modisch im Zeichen zweier
Haute-Couture-Linien und politisch im Zeichen zweier
deutscher Staaten. Die Auswirkungen der beiden
Dior-Silhouetten reichten weit in die 50er Jahre,
die Auswirkungen der Gründung eines separaten
ostdeutschen Staates, der DDR, reichte einige
Jahrzehnte weiter. Modisch ging man dort eigene
Wege, doch die Bürger hörten nie auf, den Westen und
seine Mode-Erscheinungen im Auge zu behalten.
Im Westen Deutschlands hatten sich inzwischen weite
Röcke und enge Taillen mit Quernähten durchgesetzt.
Die Quernähte konnten oberhalb oder unterhalb der
Taillenbetonung liegen –
beides entsprach dem Stil,
den Dior vorgegeben hatte. Die weiten Röcke mit
ihrem Schwung, der in der Bewegung entstand,
betonten die Unbeschwertheit, die allmählich auch in
Deutschland einzog. Gleichberechtigt gab es die enge
Linie, die sich durch die schmalen Etui-Röcke
auszeichnete, in denen der berühmte Dior-Schlitz
eingearbeitet war. Beide Linien begannen sich im
ganzen Land zu manifestieren. Der Eindruck, als
seien diese Linien erst in den 50er Jahren
entstanden, täuschte. Es lag nur daran, dass es sehr
lange dauerte, bis auch die deutschen Frauen in der
Lage waren, sich derart neu einzukleiden. Sie
verstanden es mit viel Geschick, die
Haute-Couture-Kreationen für den normalen Gebrauch
nachzuschneidern. Doch was am wichtigsten war: sie
gefielen den Frauen, denn sie konnten aus
verschiedenen Mode-Diktaten wählen. Außerdem waren
die Zeitschriften bemüht, Schnitte zu
veröffentlichen, die es auch sozial schwächer
gestellten Frauen möglich machten, den Trends von
Dior zu folgen, nicht selten allerdings noch mit
zweierlei Stoffen. Wer so ein Modell ganz und gar
der Vorgabe entsprechend fertigen lassen konnte,
trug zu beiden Linien ein Bolerojäckchen. Die Röcke
hatten der Taillenbetonung wegen einen Miederbund.
Der eng geschnittene Rock, dessen Saum bis zur
Wadenmitte reichte, hatte den typischen
Seitenschlitz, der etwas mehr Bewegungsfreiheit
gewähren sollte. Damit der Hüftknick seine Wirkung
nicht verfehlte, gab es die enge Taillenjacke und
alternativ die Jacke, die einer Menge mehr Stoff
bedurfte, weil sie im Rücken weit und lose
geschnitten war. Die Mäntel, die die Taille
betonten, waren in der
Redingote-Silhouette modern.
Wem die Zeltform besser gefiel, trug weite Mäntel.
Zeitgemäße Varianten, zudem nach Diors Vorbild, gab
es ja. Doch wenn Frau wirklich elegant aussehen
wollte, dann verzichtete sie keinesfalls auf die
Accessoires, die ein Dior-Modell – und war es auch
ein nachgeahmtes – ausmachten. Hut und Handschuh
waren zur Komplettierung unabdingbar. Ebenso gehörte
ein Stockschirm dazu und auch ein farblich
abgestimmtes Tüchlein war empfehlenswert. Das sollte
wie aus Versehen aus der Brusttasche der Kostümjacke
hervorschauen.
Die Vorkriegskinder, die nun im Jugendalter waren,
ließen sich sehr von der lässigen amerikanischen
Mode beeinflussen. Die entsprach zwar nicht den
Haute-Couture-Maßstäben, fand aber Anklang bei den
jungen Leuten. Sie liebäugelten mit den Jeanshosen
und waren begeistert von den bunten Hemden, die
locker über den Hosen getragen wurden. Es schien
eine Mode zu sein, die Freiheit ausdrückte. Die
Frauen, die nach Amerika blickten, interessierten
sich vornehmlich für die Nylonstrümpfe, denn zur
neuen Mode war es nicht schicklich in gestrickten
Strümpfen zu laufen.
Und während Rudi Schuricke die rote Sonne im Meer
versinken ließ und die Caprifischer mit ihren Booten
aufs Meer hinauszogen, hatte Bertolt Brecht in
Ostberlin ein viel versprechendes Theater gegründet,
das schnell zu Weltruhm gelangen sollte: das
Berliner Ensemble. Und in London hatte der große
Nachkriegsfilm „Der dritte Mann“ Premiere. Die
deutschen Zuschauer durften ihn zwar erst am 6.
Januar des nächsten Jahres sehen. Den Blick in das
erste Jahrzehnt nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges hatten die Menschen aber ohnehin schon
gerichtet.
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