Das Modejahr 1947 Mode – Zwei Trends und viel
Sparsamkeit
Der Winter hatte seinen Tribut geFordert. Er hatte
Menschenleben gekostet, die die Kälte nicht
überstanden hatten oder an Mangelkrankheiten
gestorben waren. Und viele Männer waren noch gar
nicht aus der Gefangenschaft zurückgekehrt. In
Deutschland hatte das Wort Mode noch keine
nachhaltige Bedeutung.
Unterdessen stellte Christian Dior seine erste
Kollektion vor. Den sogenannten New Look hatte
Dior
selbst zunächst als seine Linie „Corolle“,
Blütenkrone, vorgestellt. Die Chefredakteurin der
amerikanischen Zeitschrift „Harper’s Bazaar“, Carmel
Snow, hatte den Begriff „New Look“ geprägt und so
wurde der Begriff der neuen Dior-Linie weltweit als
solcher bekannt. Diors Mode war erfolgreich, wenn
sie auch längst noch nicht auf den Straßen zu sehen
war. Doch sie setzte Trends, die eine klare
Hinwendung zur Mode der Vorkriegszeit zeigten. Er
kreierte luxuriöse und für den Alltag schwer zu
verwendende Garderobe, hatte aber auch einige
Modelle direkt auf ihre Alltagstauglichkeit
abgestimmt. Ansonsten war es vorrangig elegante
Kleidung für den Abend, den sich die deutschen
Frauen noch nicht festlich vorstellen konnten und
ihn noch mit karger Kost zuhause verbrachten. Zudem
waren die Kleider sehr aufwändig und erForderten
viel Material. Doch Frauen, die einmal einen Blick
nach Paris geworfen hatten, nähten einige ihrer
großen Träume als kleine Details in ihre eigene
Kleidung. So war ein wenig vom Glamour aus Paris
doch in die Alltagskleidung vorgedrungen. Und
letztendlich machte Diors erste Präsentation die
Hauptstadt Frankreichs wieder zum unbestrittenen
Maßstab modischer Dinge.
Berlin, die Stadt der vier Zonen, erwies sich
derweil als Mittelpunkt der unterschiedlichsten
Trends, die aus den Ländern der jeweiligen
Besatzungsmacht eingebracht wurden. Der Ostsektor,
der zur sowjetischen Zone gehörte, blieb hinter
vielen Neuerungen zurück, versuchte man doch dort
einen politisch anderen Weg einzuschlagen als in den
Westsektoren. Was Berlin im Stadtmaßstab war,
spiegelte sich in Deutschland im ganzen Land wieder.
Die Unterschiede zwischen Ost und West wurden immer
größer.
Im Berliner amerikanischen Sektor trug man Kleider,
die bereits eine sportliche Eleganz zeigten. In der
französischen Besatzungszone war natürlich Diors
„New Look“ angesagt. Hier waren die Röcke lang und
mit viel Stoff verarbeitet, so dass sie durch
ausladende Weite auffielen. Die russisch besetzte
Zone erkannte man an den kräftigen Farben, mit denen
Russinnen den westlichen Stil zu verbinden suchten.
Das entbehrte mitunter eines gewissen Schicks, war
aber typisch. Die deutsche Frau hatte es in diesem
Gewirr modischer Neuheiten schwer, denn sie musste
immer noch mühsam improvisieren, wenn sie gut
gekleidet sein wollte. Wer es sich leisten konnte,
erwarb ein Modellkleid, das etwa 150 Reichmark
kostete und eine entsprechende Stoffabgabe
voraussetzte. Die meisten Frauen fertigten aus alten
Kleidungsstücken neue Garderobe und versuchten sie
mit schmückendem
Aufputz den neuen Gegebenheiten
anzugleichen.
Bereits im Herbst stellte Dior in seiner
Unermüdlichkeit die Gegenlinie zum „New Look“ vor,
die „Enge Linie“. Sie wurde auch Bleistiftlinie
genannt. Diese Linie brachte auch den Dior-Schlitz
an die Frau, der unter diesem Namen seine
Berühmtheit erlangte. Die Röcke waren so eng
geschnitten, dass Frau kaum laufen konnte, zumal die
Röcke nach unten hin immer enger wurden. Doch der
mit Stoff unterlegte Schlitz gab der Dame die nötige
Freiheit zum bequemen Laufen zurück. So schnell Dior
eine Linie der anderen folgen ließ, so schnell kamen
die Frauen in Deutschland nicht hinterher. Sie
hatten sich gerade mit dem „New Look“ angefreundet
und mussten ihn erst einmal von der Nadel auf die
Straße bringen. Erschwert wurde das modische
Mitmachen durch die immer noch schwierige
Versorgungslage im Land.
Für die Herren galt immer noch, was bereits vor dem
Krieg en vogue gewesen war oder was die Frau zu
ändern in der Lage war. Schmale Schultern und eine
betonte Taille waren angesagt. Die vorhandene
Herrenkleidung musste allerdings der Figur angepasst
werden, denn die meisten Männer waren mager
geworden. Doch sie hätten ohnehin nicht auf einer
neuen Mode bestanden. Ihnen war es nicht gegeben, um
jeden Preis durch Kleidung aufzufallen. Das würden
erst die nachfolgenden Generationen ungeniert
praktizieren. Aber soweit war es noch nicht.
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