Das Modejahr 1946 Mode – Dior setzt auf die Zukunft

Noch drehte sich in Deutschland alles um die Beseitigung der Trümmer, den Wiederaufbau und um die bessere Versorgung der Bevölkerung. Die Geschäfte auf dem Schwarzmarkt gediehen. Die Händler, die legal Waren verkauften, kämpften um ihre Existenz. Es gab ohnehin nur wenige. Die Befreier waren zu Besatzern geworden und hatten Deutschland in vier Zonen eingeteilt, die amerikanische, die französische, die englische und die sowjetische Zone. In jeder dieser Zonen wurde die Versorgung etwas anders gehandhabt.
Am schlimmsten für die Menschen waren die Obdachlosigkeit und die Lebensmittelknappheit. Zu all dem kam der verheerende Winter 1946/1947, der als Hungerwinter in Erinnerung blieb. Da gerieten die modischen Bedürfnisse weit in den Hintergrund, verschwunden waren sie jedoch nie. Denn jede Frau wollte ein bisschen besser als die andere aussehen und auch das Bedürfnis, tanzen zu gehen und fröhlich zu sein, wurde zunehmend stärker, je schlechter es den Menschen ging. Und das im Frieden.
In Frankreich machte unterdessen eine Erfindung der Bademode Furore: der Bikini. Louis Réard hatte diesen kleinen Zweiteiler nach dem Pazifikatoll benannt, doch nicht, weil es dort so schön war. Im Gegenteil. Das Atoll wurde von den USA für Atombombenversuche genutzt. Mit der Namensgebung betonte Réard das Sensationelle seiner Kreation. Ein wirkungsvoller Werbe-Einfall. Geschmacklos oder genial? Jedenfalls ging der Name in die Modegeschichte ein und blieb dort.
Ob den deutschen Frauen im Sommer der Sinn nach derart unbeschwerten Badefreuden stand? Kaum. Aber beim Nähen ihrer Garderobe achteten sie darauf, dass der uniforme Schnitt allmählich durch ein wenig Lockerheit ersetzt wurde. Tailliert waren immer noch alle Kleidungsstücke. Die Röcke waren mit ein oder zwei Falten versehen und an manchem Rock war die Glockenform schon etwas glockiger,
vorausgesetzt, der Stoff gab es her. An das Improvisieren hatten sich die Frauen gewöhnt. Und wenn es in diesen Notzeiten einen besonderen Vorzug hatte, dann den, dass sie ihre Accessoires selbst entwerfen konnten und sich derart von den anderen Frauen unterschieden.
Weit in die Zukunft dachte der Franzose Christian Dior. Er gründete gemeinsam mit seinem Finanzpartner Marcel Boussac sein eigenes Unternehmen in Sachen Luxusgüter. Im Atelier in der eleganten Avenue Montaigne arbeitet er an der ersten Kollektion, die er im kommenden Jahr der Modewelt präsentieren wollte.
Während in Deutschland den Menschen mit Liedern wie „Wochend und Sonnenschein“ von Hans Bardeleben und den Cherokees oder Willi Kollos „Lieber Leierkastenmann“ ein bisschen unterhaltsamer Frieden geboten wurde, war von einer Breite an Kultur noch keine Rede. Dazu hätte auch die Mode gehört. Doch die Zeit war hierzulande noch nicht reif. Zu tief waren die Wunden des Krieges. Und noch galt es, die Hungerzeiten zu überstehen, egal, was man anzuziehen hatte. Und das war noch viel zu wenig.

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