Das
Modejahr 1944 Mode – Mode im Widerstand
Totaler ging es nicht mehr. Der Krieg hatte sich
ausgebreitet und die Welt ließ es sich nicht
gefallen. Gemeinsam hatten die Alliierten den Kampf
aufgenommen, um das Deutsche Reich samt seinem
Führer zur Kapitulation zu zwingen.
In Deutschland herrschte Mangel an allem. Es gab
nichts mehr. Mode hatte gleichfalls aufgehört zu
existieren. Weder Zeitschriften noch Vorführungen
befassten sich mit dem Thema, das im kriegsbedingten
Zustand nun nicht mehr von Interesse war. Es ging
nur noch darum, sich durch Wind und Wetter zu
schlagen und überhaupt etwas anziehen zu haben. Der
deutschen Frau
wurde ein Höchstmaß an Kreativität
abgefordert. Da es keine Modejournale mehr gab, die
mit Ratschlägen aller Art etwas zur Erleichterung
der Situation hätten beitragen können, war Frau ganz
auf sich gestellt.
In Ermangelung von Seidenstrümpfen trugen die Frauen
längst wieder die Selbstgestrickten. Es ging zwar
jeder Frau immer auch um Kleidsamkeit, aber die war
kaum noch aufrecht zu erhalten. Wichtig war, dass
die Garderobe praktisch war. Die Kostüme waren
sparsam aus mehreren Stoffen geschneidert. Das war
den Frauen nicht neu. Altes wurde aufgearbeitet und
hier und da mit einem Accessoire versehen, das
gleichfalls selbst gemacht war. Jacken und Mäntel
hatten eine taillierte Schnittform. Das einzig
„Verschwenderische“ sah man in der glockigen Form
der Röcke und Kleider. Ansonsten musste auf alles
Extravagante verzichtet werden. Wer aus abgetragener
Kleidung Neues zu nähen in der Lage war, achtete
sehr darauf, nur ein Minimum an Stoff zu verwenden.
Am 6. Juni landeten die alliierten Streitkräfte in
der Normandie und am 25. August wurde Paris nach
jahrelanger Besatzung fast kampflos befreit. Von da
an nahmen die Franzosen an den Kämpfen der
Alliierten gegen Deutschland teil. Der Jubel der
Franzosen über die Befreiung war grenzenlos. Hatten
sich die Schneider dort schon zuvor nicht allzu
genau an die einschränkenden Vorgaben gehalten, so
brachte die neue Situation die Menschen zum
Überschäumen – und die Designer. Die Zeitschrift
„Marie France“ für Frauen und Mode wurde gegründet
und die wenigen Salons der Haute Couture, die es
noch gab, arbeiteten in einer einzigartigen Weise
zusammen an dem neuen Ruf, den die Pariser Mode
wieder inne haben sollte. Von der Verschiebung der
Haute Couture nach Berlin oder Wien als bedeutenden
Standort hielt man in Frankreich nicht viel.
Schließlich waren die Modemacher seit den Zeiten
Ludwigs XIV. von den Regierungen unterstützt worden.
Schon während der Zeit der Besatzung hatte man sie
als Widerstandskämpfer angesehen, sie sahen sich
auch selbst so und die erste Modenschau sollte unter
den gegebenen Verhältnissen trotz der bescheidenen
Möglichkeiten großartig werden. Künstler
verschiedener Genres halfen, sie vorzubereiten und
die Haute Couture mit einem „Théâtre De La Mode“ wie
Phönix aus der Asche auferstehen zu lassen. An der
Produktion der Puppen, die ein Drittel der
menschlichen Größe hatten und die die neuesten
Modelle tragen sollten, arbeiten auch italienische
Künstler mit. Diese Puppen sollten nicht wie
Spielzeug aussehen, sondern mindestens so kunstvoll
wie die Bekleidung, die sie vorführten. Es wurde von
mehr als 70 Modemachern Garderobe angefertigt, die
von den Originalen der Frühjahrs- und
Sommerkollektion nicht zu unterscheiden war, außer
an der Größe. Deutlicher konnten die Modemacher
ihren Willen nicht zur Schau stellen, Paris wieder
zum Zentrum internationaler Mode machen zu wollen.
Aber den deutschen Frauen war der Blick dorthin noch
verwehrt, denn der Krieg kam nun ins eigene Land.
Doch die erste Pariser Modenschau, die im Frühjahr
1945 stattfinden sollte, gab auch ihnen einen
Vorgeschmack auf den Frieden.
<<
Modejahr 1943
|
Modejahr 1945 >>