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Literatur 1940 Das literarische Jahr
1940 war der Zweite Weltkrieg in vollem Gange. Alles
drehte sich um den Krieg, der Alltag der Menschen
war auf diese Situation eingestimmt. Noch war
innerhalb Deutschlands große Begeisterung zu
verspüren, da eine Siegermeldung nach der nächsten
einging, während sich Hitler und Mussolini darüber
einigten, eine Allianz gegen Frankreich und
Großbritannien zu bilden.
Der Philosoph Jean-Paul Sartre geriet in dieser Zeit
als Soldat in deutsche Gefangenschaft, während
Simone de Beauvoir sich in
Paris irgendwie
durchschlug, was sie später in ihrem publizierten
Kriegstagebuch festhalten sollte. Die Deutschen
besetzten Paris, die berühmten Cafés und Lokalitäten
wurden von deutschen Soldaten frequentiert.
Künstler, Schriftsteller und ihre weiblichen Musen
sahen sich auf einmal von deutschen Besatzern
umzingelt und verdrängt.
Währenddessen wurden Ghettos errichtet und
Konzentrationslager gebaut. Als die Deutschen
Großbritannien und Polen aus der Luft bombardierten,
wurden laut Anordnung der deutschen Besatzer alle in
Warschau lebenden Juden eingesperrt. Das betraf etwa
400.000 Menschen.
Hitler feierte seine Triumphe, während in Amerika
der Komiker Charlie Chaplin seine Art an Kritik übte
und den „Großen Diktator“ in seinem berühmten Film
persiflierte.
Ernest Hemingway stand noch unter dem Eindruck des
Spanischen Bürgerkriegs und veröffentlichte seinen
Roman „Wem die Stunde schlägt“, der zu den hundert
besten Büchern des Zwanzigsten Jahrhunderts zählt.
Arthur Koestler wiederum befasste sich zeitaktuell
mit dem Schrecken des Kommunismus. Er schrieb sein
beeindruckendes Werk „Sonnenfinsternis“, das sich
mit den Stalinistischen Säuberungen
auseinandersetzte und die Schuldfrage der alten
Revolutionäre behandelte, die sich dieser neuen
Entwicklung unterwarfen und damit ihre alten
Überzeugung verrieten. Der Mensch wurde für die
Sache geopfert, für jene bessere Zukunft, die nie
eintreffen sollte.
Da der Faschismus immer mehr eine weltweite
Bedrohung wurde, war der Kommunismus eine
willkommene Gegenrichtung, so dass Koestler mit
seiner Kritik natürlich auf großes Unverständnis
traf. Noch wurde Stalin geachtet, die Welt war nicht
aufgeklärt, was in der Sowjetunion geschah, die
wenigen Wissenden verleugneten, was passierte. Die
Kommunistische Partei Frankreichs ging sogar so
weit, alle erschienenen Exemplare von
„Sonnenfinsternis“ aufzukaufen und zu vernichten.
Dennoch wurde Koestlers Werk in mehr als dreißig
Sprachen übersetzt und zu einem der wichtigsten
Zeitzeugendokumente.
Auch Bertolt Brecht befasste sich mit diesem Thema
und veröffentlichte seine „Schriften zur Politik und
Gesellschaft“.
Ein äußerst umstrittenes, wenn auch sehr schönes
Werk erschien ebenfalls 1940 und hieß „Der stille
Don“. Zu der Zeit wurde nicht angezweifelt, dass der
Roman aus der Hand des Schriftstellers Michail
Scholochow stammte, der dafür später auch den
Literaturnobelpreis erhielt. Der groß angelegte
Roman bestach durch seinen klaren Stil, präzise
historische Beschreibungen aus dem Leben der
Donkosaken während des Ersten Weltkriegs, der
Oktoberrevolution und den darauf folgenden
Ereignissen und Aufständen durch die Weißen gegen
die Rote Armee. Als das Buch weltweit Erfolge
feierte, wurden erste Plagiatvorwürfe geäußert,
darunter auch von Alexander Solschenizyn, dass
Scholochow nicht der alleinige Autor des Romans
wäre, sondern mehrere Autoren daran saßen, während
der von Stalin geförderte Scholochow seinen Namen
darunter setzen sollte. Scholochow selbst weigerte
sich, Quellen für seine historischen Angaben zu
nennen und brach bei einem Dokumentationsinterview
zusammen, als man ihn mit den Plagiatvorwürfen
direkt konfrontierte. Er sagte, er schäme sich und
bitte die Kosaken um Verzeihung. Vergleiche mit
seinen anderen Werken wurden angestellt, in denen
der Stil nicht mit den wunderbaren Beschreibungen
des „Stillen Dons“ übereinstimmte. Solschenizyn
äußerte den Verdacht, dass der „Stille Don“ von dem
Militärschriftsteller Fjodor Kjukow geschrieben
wurde und Scholochow sich an dessen Aufzeichnungen
ausgiebig bedient hatte. Das Originalmanuskript von
Kjokow war allerdings nicht mehr aufzufinden, so
dass eine Untersuchung nicht erfolgen konnte. In den
Achtzigern wiederum kamen neue Beweise dafür auf,
dass Scholochow doch der eigentliche Autor sei und
der Vorwurf des Plagiats nicht begründet. Forscher
wie Geir Kjetsaa, der u. a. auch eine großartige
Biografie über Dostojewski geschrieben hatte, oder
German Ermolajew verwiesen darauf, dass
Solschenizyns Vorwürfe eher unwahrscheinlich wären.
2006 wiederum wurde Scholochow nicht nur die
Autorenschaft abgesprochen, sondern sogar behauptet,
dass er nur ein Vorzeigeschriftsteller war und
keines seiner Werke selbst verfasst hätte.
Der Literaturnobelpreis wurde 1940 nicht verliehen.
Stattdessen starben große Russen wie Isaak Babel,
der den Stalinistischen Säuberungen zum Opfer fiel
und hingerichtet wurde, und Michail Bulgakow,
bekannt geworden durch seinen surrealen, versteckt
Kritik übenden und wunderbaren Roman „Der Meister
und Margarita“. Auch Scott F. Fitzgerald starb 1940
an den Folgen seiner Alkoholsucht.
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