Filmjahr
1944 – „Große Freiheit Nr. 7“ machte dem
NS-Regime Angst
Im Jahr 1944 zeichnete sich die Endphase des Zweiten
Weltkriegs ab. Die deutschen Truppen waren in Europa
von den Alliierten immer mehr zurückgedrängt worden.
Die Ostfront war von der Deutschen Wehrmacht nicht
mehr zu halten. Am 10. Oktober erreichte die Rote
Armee die deutsche Grenze in Ostpreußen. Die
westalliierten Einheiten landeten in der Normandie
und deutsche Städte waren Ziele der alliierten
Bombenangriffe geworden. Der Krieg war ins eigene
Land zurückgekehrt. Das NS-Regime erließ
Anordnungen, die deren Hilflosigkeit verdeutlichten.
Beispielsweise wurde am 24. Mai von der
Reichsfilmkammer verfügt, dass in Wien hergestellte
Filme keine mundartliche Sprechweise mehr haben
durften. Das war eine späte Reaktion auf die
deutschen Kritiker, die vor allem die
Unverständlichkeit von Hans Mosers (1880-1964)
Sprechweise bemängelten. Im Wortlaut war u. a.
betont worden, dass „…unsere Filme dem deutschen
Publikum aller Stämme verständlich bleiben.“ Im
September 1944 wurde dann von Nationalsozialisten
für sämtliche Theater ein Spielverbot erlassen. Nur
Kinos durften weiterhin betrieben werden. Allerdings
waren schon zahlreiche Wiener Kinos durch
Bombenangriffe zerstört worden und konnten nicht
mehr genutzt werden. Für mehrere Monate war dann die
Wiener Volksoper mit 1.550 Plätzen das zweitgrößte
Kino in der Stadt.
Im Januar 1944 wurde in den USA zum ersten Mal von
der Vereinigung der ausländischen Journalisten der
„Golden Globe Award“ verliehen. Zu den ersten
Gewinnern gehörte der Film „Das Lied von Bernadette“
und „Wem die Stunde schlägt“.
In Deutschland wurde derweil ein Märchenfilm
produziert – „Der kleine Muck“. Das Sujet basierte
auf dem Bühnenspiel von Friedrich Forster
(1895-1958). Im Vorspann wurde der Film als ein
Märchen für große und kleine Leute benannt. Franz
Fiedler (1902-1965) setzte die Geschichte in Szene
und in der Titelrolle war Gustav Waldau (1871-1958)
zu sehen, jedoch nicht kleinwüchsig wie in der
originalen Geschichte und in der späteren berühmten
DEFA-Verfilmung von Wolfgang Staudte (1906-1984).
Die Handlung ist relativ frei nacherzählt worden.
Bereits 1941 war in den Vereinigten Staaten der Film
„Arsen und Spitzenhäubchen“ („Arsenic and Old Lace“)
entstanden. Er kam allerdings erst 1944 zur
Uraufführung. Die mit Schwarzem Humor angereicherte
Filmkomödie wurde von Frank Capra (1897-1991)
inszeniert. In den Hauptrollen waren u. a. Cary
Grant (1904-1986) als Mortimer Brewster und Peter
Lorre (1904-1964) als Dr. Hermann Einstein zu sehen.
Lorre war durch den Fritz-Lang-Klassiker „M“ von
1931 bereits in die Filmgeschichte eingegangen und
Grant hatte ebenfalls schon mit zahlreichen Filmen
seinen Ruhm untermauert. Die Filmgage von 100.000
US-Dollar spendet Grant komplett dem U.S. War Relief
Fund. Dem Eintrag im Heyne-Filmlexikon, der den ihn
wegen seiner pointierten Dialoge lobt, verdankt der
Film außerdem noch die Benennung als Meisterwerk des
schwarzen Humors.
Ein Film, der kein Propagandafilm war, auch nicht
das Gegenteil, hatte es dennoch schwer, in jener
Zeit zugelassen zu werden – „Die Feuerzangenbowle“.
Schwer vorstellbar, aber wahr. Letztendlich hatte
der Spielfilm nach dem gleichnamigen Roman von
Heinrich Spoerl (1887-1955) am 28. Januar 1944 in
den Berliner Ufa-Palästen Königstadt und Tauentzien
seine Uraufführung. Vordem hatte
Reichserziehungsminister Bernhard Rust (1883-1945)
alles daran gesetzt, um die Freigabe des Films zu
verhindern. Er begründete das damit, dass der Film
die Autorität der Schule und der Lehrer gefährden
würde, was die kriegsbedingt schwierige Situation
des Lehrermangels zusätzlich erschwere. Heinz
Rühmann (1902-1994), der die Hauptrolle, den Hans
Pfeiffer mit „3 fff“ in einer Doppelrolle spielte,
hatte sich daraufhin persönlich mit einer Kopie des
Films aufgemacht und war zur Wolfschanze gefahren,
um dort über Hermann Göring (1893-1946) die Meinung
des Führers einzuholen. Adolf Hitler (1889-1945)
gefiel der Film ganz offensichtlich, denn der
zuständige Propagandaminister Joseph Goebbels
(1897-1945) erhielt eine entsprechende Anweisung und
gab daraufhin den Film frei. Wenige Tage später
wurde er uraufgeführt. Nach dem Krieg wurde er im
Dezember 1964 im Fernsehen der DDR und im Dezember
1969 im ZDF ausgestrahlt.
Ein Film, der 1943 gedreht wurde und am 15. Dezember
1944 nur in Prag vor ausgewähltem Publikum gezeigt
wurde, erlebte erst nach dem Ende des Krieges, am 6.
September 1945, seine deutsche Uraufführung in
Berlin – „Große Freiheit Nr. 7“. Erst die Alliierten
hatten den Film nach der Kapitulation der Deutschen
freigegeben. Regie hatte Helmut Käutner (1908-1980)
und die Hauptrolle war mit Hans Albers (1891-1960)
besetzt worden. Neben ihm spielten Hilde Hildebrand
(1897-1976), Ilse Werner (1921-2005) und Horst
Söhnker (1903-1981). Dieser von Terra-Film
produzierte Film gehört heute zu den Klassikern der
deutschen Filmgeschicht und die meisten seiner
Lieder wurden Welthits, allen voran „La Paloma“,
gesungen von Hans Albers. Eigentlich war dieser
Streifen von Seiten des Propagandaministeriums als
Würdigung der deutschen Handelsmarine gedacht
gewesen und genehmigt worden. Dann wurde bemängelt,
dass es in dem Film keine „deutschen Seehelden“
gäbe, zudem war Regisseur Käutner schon mehrfach in
Konflikt mit dem NS-Regime geraten und der Titel
„Große Freiheit“ war ohnehin schon nicht passend,
deshalb musste „Nr. 7“ angefügt werden. Die Frauen
und Seeleute entsprachen so gar nicht dem Idealbild
des deutschen Menschen, wie die Nationalsozialisten
ihn gerne sehen wollten und die Unterstellung, es
könne sich bei den Liedern um politische
Anspielungen handeln, trug auch nicht zur Freigabe
des Films bei.
In den USA wurde ein Filmdrama von Fred Zinnemann
(1907-1997) in Szene gesetzt nach dem Roman von Anna
Seghers (1900-1983) – „Das siebte Kreuz“ („The
Seventh Cross“). Die deutsche Premiere wurde
erstmals im ZDF im Januar 1971 ausgestrahlt. Es war
ein außergewöhnliches Dokument über die Nazizeit.
Ein herausragendes Beispiel des „Film noir“ mit dem
Rollenschema der Femme fatal – „Frau ohne Gewissen“
– entstand ebenfalls in den USA unter der Regie von
Billy Wilder (1906-2002) und wurde entscheidend
durch die Darstellung von Barbara Stanwyck
(1907-1990) geprägt. Die Uraufführung fand am 24.
April 1944 statt.
Die 16. Oscarverleihung
In Los Angeles fanden die „16th Annual Academy
Awards“ statt, bei denen die Filme aus dem Vorjahr
(1943) ausgezeichnet wurden. Wiederholt (bereits zum
dritten Mal) und das zweite Jahr in Folge,
moderierte Bob Hope im Ambassador Hotel die
Veranstaltung. Es wurde u. a. der bis heute als
unumstrittener Klassiker geltende Film „Casablanca“
ausgezeichnet. Insgesamt war er mit acht Oscars
nominiert worden, von denen er drei erhielt. Auch in
jenem Jahr wurden die Auszeichnungen aufgrund des
Krieges aus Gips gefertigt.
Jack L. Warners „Casablanca“ erhielt im Zuge dieser
Verleihung einen Oscar als „Bester Film“, Michael
Curtiz wurde für „Casablanca“ für die „Beste Regie“
geehrt und auch das „Beste adaptierte Drehbuch“ ging
in diesem an „Casablanca“.
Der Oscar für den „Besten Hauptdarsteller“ ging an
Paul Lukas für „Watch on the Rhine“ und als „Beste
Hauptdarstellerin“ an Jennifer Jones für „Das Lied
von Bernadette“ („The Song of Bernadette“).
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