Filmchronik 1920 - Boom der deutschen
Filmindustrie
Die Abwertung der Mark nach dem Ersten Weltkrieg
ließ die deutsche Stummfilmindustrie boomen, weil
sie für den Weltmarkt preisgünstig produzieren
konnte. 1920 wurden doppelt (550) so viele Filme wie
1912 gedreht. Beteiligungen an Filmgesellschaften
wie die 1917 gegründete „Universum Film AG“ (UFA)
versprachen hohe Renditen. 1920 entstand nach der
Fusion von „Decla“ und „Deutscher Bioscop“ unter der
Federführung von Erich Pommer eine neue große
Produktionsgesellschaft in Deutschland.
Ein Großteil der 1920 abgedrehten Filme waren von
lediglich minderer Qualität und für den schnellen
Konsum der Zuschauern ausgerichtet, die in den von
sozialer und wirtschaftlicher Verunsicherung sowie
politischer Instabilität geprägten Frühzeit der
Weimarer Republik nach den verzichtreichen Jahren
des Krieges vor allem leicht konsumierbare
Ablenkungs-Ware verlangten.
Die gern gesehenen, häufig recht schmuddeligen
„Aufklärungs- und Sittenfilme“ riefen Tugendwächter
auf den Plan und führten zur Wiedereinführung der
nach dem Krieg abgeschafften Filmzensur durch das
Lichtspielgesetz vom 12. Mai 1920.
Neben den Sittenfilmen waren insbesondere
historische Ausstattungsfilme, wie der
Kassenschlager „Anna Boleyn“, beliebt. Regisseur
Ernst Lubitsch inszenierte „Anna Boleyn“ mit
Kino-Star Henny Porten in der Titelrolle als
atmosphärisch dichtes Lebensdrama der tragisch
lebenden und endenden Ehefrau von Heinrich VIII.
(Emil Jannings). Ein weiterer
Lubitsch-Ausstattungsfilm des Jahres war das
1001-Nacht-Epos „Sumurun“, in dem Lubitsch die
wichtige Rolle des „Buckligen“ spielte.
Gruselfilme wurden 1920 beim Publikum ebenfalls sehr
geschätzt. Ein Paradebeispiel für einen kommerziell
erfolgreichen und zudem künstlerisch gelungenen
Gänsehaut-Film war „Der Golem, wie er in die Welt
kam“ mit Paul Wegener als Regisseur und
Hauptdarsteller. In dem durch ausgefeilte Licht- und
Kulissen-Effekte ausgesprochen beängstigend
wirkenden Film wurde die alte Sage des von Rabbi Löw
(Albert Steinrück) aus Lehm geschaffenen Golems
gleichermaßen real wie entrückt erzählt.
Horror und Bösewichte
Als weiterer künstlerischer Meilenstein der
Kino-Geschichte 1920 galt der ebenfalls vom
Expressionismus geprägte und von Robert Wiene in
Szene gesetzte Horror-Steifen „Das Cabinett des Dr.
Caligari“ mit Werner Krauß als charismatisch-bösem
Menschen-Manipulator. Der Film wurde von vielen
Film-Kennern so geschätzt, dass sie durch ihn eine
eigene Stilrichtung, den „Caligarismus“, begründet
sahen.
Ein anderer promovierter Bösewicht sorgte in den USA
1920 gleich zweimal für ausgiebigen Grusel. In der
von Adolph Zukor produzierten Version „Dr. Jekyll
und Mr. Hyde“ spielte John Barrymore den
tragisch-bösen Titelhelden. Die Louis-Meyer-Variante
mit Sheldon Lewis als Hauptdarsteller erreichte
nicht das qualitative Niveau der gleichnamigen
Parallel-Produktion. 1920 wurde von der 1919 vom
Hollywood-Traumpaar Douglas Fairbanks senior und
Mary Pickford („Pickfair“) sowie Slapstick-Star
Charlie Chaplin und Regisseur David W. Griffith
gegründeten Gesellschaft „United Artists“ einer der
klassischen US-Mantel- und Degen-Filme auf den Markt
gebracht. „The Mark of Zorro“ („Im Zeichen des Zorro“)
machte Fairbanks zum Weltstar.
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