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Politik 1820-1829 – Wiener Kongress ordnete
Europa neu
Nach der Niederlage Napoleons 1815 war die Ordnung
in Europa nach Vorgaben des 18. Jahrhunderts
„restauriert“ worden. Eine der wenigen, zumindest
ansatzweise verwirklichten Zugeständnisse, auf das
während der Napoleon-Zeit erwachte deutsche
Nationalbewusstsein einzugehen, stellte die Gründung
des Deutschen Bundes dar. Ferner war das Versprechen
gegeben worden, mit landständischen Verfassungen den
vom Wiener Kongress eindeutig favorisierten
fürstlichen Absolutismus durch halbdemokratische
Beratungsgremien zu ergänzen.
In der am Ende der Beratungen stehenden „Wiener
Schlussakte“ von 1820 wurde allerdings nicht die von
vielen Nationalbewegten erhoffte Wiedergeburt des
1806 klanglos untergegangenen Heiligen Römischen
Reiches deutscher Nation festgeschrieben, sondern
lediglich ein als Schutz- und Trutzbündnis
konzipierter „völkerrechtlicher Verein“ von 35
souveränen Fürsten und vier freien Städte mit einer
Gesandtenkonferenz ohne Legislativrechte oder
demokratischer Legitimation. Mit der Einführung der
versprochenen landständischen Verfassungen ließen
sich die Bund-Staaten Zeit. Wichtiger war den
Staatsregierungen der Aufbau eines nach dem in den
1820er Jahren tonangebenden österreichischen Staats-
und Hofkanzler Metternich benannten Polizeisystems
zur Unterdrückung demokratischer „Umtriebe“, die vor
allem in Reihen der studentischen Burschenschaften
und des liberalen Bürgertums vermutet wurden.
Auch in anderen europäischen Ländern wurden extrem
reaktionäre Systeme aufgebaut. So überzog der zur
Anfang seiner Herrschaft (1801 – 1825) noch als
Reformer geltende Zar Alexander I. Russland mit
einem repressiven Netz von Geheimpolizisten und
Spitzeln. Als Folge wurde das Reich regelmäßig von
ebenso regelmäßig brutal niedergeschlagenen
Aufständen erschüttert (u. a. „Dekabristenaufstand“,
1825). Alexanders Nachfolger, Nikolaus I.,
verschärfte die Repression sogar noch und galt
schließlich als „Gendarm Europas“. Die Aufhebung der
Leibeigenschaft lehnte er vehement als Verstoß gegen
die angeblich göttliche Ordnung ab. Ähnlich
repressiv regierte der 1824 als Nachfolger von
Ludwig XVIII. inthronisierte König Karl (Charles) X.
von Frankreich. Anders als sein gemäßigter Bruder
Ludwig XVIII. lehnte er die konstitutionelle
Monarchie ab und versuchte als „Monarch von Gottes
Gnaden“ ein absolutistisches Regime durchzusetzen.
Dadurch provozierte er schließlich die
„Juli-Revolution“ von 1830, die mit seinem Sturz
endete.
Auf europäischer Ebene wurde die Restauration in den
einzelnen Staaten durch die „Heilige Allianz“
flankiert. Dieses von Zar Alexander mit
religiös-schwärmerischer Gewichtung verbundene 1818
beschlossene Dreier-Bündnis von Russland, Österreich
und Preußen unterstützte sich gegenseitig bei der
Durchsetzung ultra-reaktionärer Politik-Ansätze. In
den 1820er Jahren waren bis auf das Vereinigte
Königreich und den Kirchenstaat fast alle
europäischen Staaten Mitglied in der Allianz. 1821
beschloss die Allianz auf der „Konferenz von Laibach“,
dem König beider Sizilien bei der Niederschlagung
eines liberalen Aufstandes militärisch zu helfen.
Die Allianz verlor aber kurz danach erheblich an
Schlagkraft, weil sich die europäischen Mächte unter
anderem bei der Beurteilung des griechischen
Unabhängigkeitskampf uneinig waren. 1821 war es im
zum Osmanischen Reich gehörenden Griechenland zum
Aufstand gekommen. Der Kampf der staatliche
Unabhängigkeit anstrebenden Rebellen wurde zum Teil
von europäischen Staaten unterstützt, zum Teil aber
auch wegen des Verstoßes gegen monarchische Ordnung
verurteilt. Im Ergebnis verbanden sich
Freiheitskampf griechischer Partisanen, romantisch
verbrämte Abenteuerlust ausländischer Freiwilliger
(u. a. Lord Byron) und legitimistische Bedenken
verdrängendes Machtkalkül der schließlich
intervenierenden Großmächte Frankreich,
Großbritannien und Russland gegen die
türkisch-ägyptischen Truppen. 1830 endete der
Konflikt schließlich mit der Errichtung des
unabhängigen, sich territorial zunächst auf die
Peloponnes und einige Regionen um Athen
beschränkenden Königreiches Griechenland.
Zur gleichen Zeit führte ein anderer Freiheitskampf
zur radikalen Veränderung von Machtverhältnissen in
der Neuen Welt. Unter der Führung von Simon Bolivar
hatten spanische Kolonien in Lateinamerika 1810
begonnen, sich ihre Unabhängigkeit zu erkämpfen. Die
von Bolivar 1821 ausgerufene das Gebiet des heutigen
Venezuelas, Kolumbiens und Ecuadors umfassende
Republik Groß-Kolumbien konnte sich 1821 und 1822
erfolgreich gegen spanische Gegenangriffe wehren.
1824 wurden die Spanier in der Schlacht von Ayacucho
(Peru) so vernichtend geschlagen, dass ihre
Herrschaft auf dem ganzen südamerikanischen
Kontinent zusammenbrach. Zwei Jahre vorher hatte
sich Brasilien vom Mutterland Portugal gelöst und
war ein unabhängiges Kaiserreich geworden. 1821
hatte sich auch die ehemalige Kolonie Neu-Spanien
als Kaiserreich Mexiko unabhängig gemacht. 1823
lösten sich die Gebiete der mittelamerikanischen
Landbrücke als „Zentralamerikanische Konföderation“
von Mexiko.
Als Reaktion auf Ansprüche Spaniens und der Heiligen
Allianz auf die verlorenen Kolonien in Amerika
formulierte US-Außenminister James Monroe 1823 eine
Doktrin, die zu einem bis heute geltenden
Grundprinzip US-amerikanischer Politik wurde. Die
„Monroe-Doktrin“ postulierte die Existenz von „Zwei
Sphären“. Die USA erklärten, sich aus Konflikten in
Europa heraushalten und die noch bestehenden
europäischen Besitzungen in Amerika (u. a. Kanada,
Guyana) zu respektieren. Sie würden aber im Gegenzug
erwarten, dass die amerikanische Sphäre vor
Re-Kolonialisierung verschont blieb. Damit
verbunden, wenn auch zunächst nicht ausdrücklich
betont, war die Option der USA,
Re-Kolonialisierungen mit militärischen Mitteln zu
verhindern. Die „Monroe-Doktrin“ war im Ergebnis
aber nicht nur eine Forderung nach einem „Amerika
der Amerikaner“, sondern auch der Beginn des
Selbstverständnisses der USA, in Amerika als
Hegemonialmacht zu Ordnungsfunktionen „im eigenen
Hinterhof“ berechtigt zu sein.
1821 endete das Leben des berühmtesten Franzosen auf
der nach Korsika und Elba dritten seiner
Schicksalsinseln: Ex-Kaiser Napoleon I. starb
51-jährig in britischen Gewahrsam auf St. Helena.
Ein Jahr vorher war Napoleons ehemaliger
Polizeiminister, der als die Personifizierung von
Intrige und Anpassungsfähigkeit geltende Joseph
Fouché (1759 – 1820), gestorben. Im Gegensatz zu
Fouché ging der 1826 im Alter von 83 Jahren
verstorbene Thomas Jefferson, Hauptautor der
US-Verfassung und 3. US-Präsident, als Ehrenmann in
die Geschichte ein. Eine ähnlich geachtete Stellung
hatte sich in der Musik-Welt der deutsche Komponist
Ludwig van
Beethoven (1770 – 1827) erarbeitet.
Beethoven starb in der Stadt seiner größten
Triumphe, in Wien.
In Beethovens Todesjahr veröffentlichte Ludwig
Tieck, einer der wichtigsten
Literatur-Repräsentanten der deutschen Romantik,
seine Novelle „Der Gelehrte“. Die im Jahr davor
erschienene Novelle „Aus dem Leben eines
Taugenichts“ von Joseph von Eichendorff stellte den
Höhepunkt der literarischen Spätromantik dar.
Romantisch ging es auch in Heinrich Heines Lied „Die
Lore-Ley“ (1824) und in dem Ritter-Roman „Ivanhoe“
(1829) des Briten Walter Scott zu. Scotts Landsmann
Percy B. Shelleys veröffentlichte 1821 den
Literaturgeschichte machenden Essay „A Defence of
Poetry“.
Der junge Franzose Victor Hugo brachte 1829 mit
seinem bewusst realistisch-unpoetischen Roman „Der
letzte Tag eines Verurteilten““ ein flammendes
Pamphlet gegen die Todesstrafe heraus.
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