1810
1811
1812
1813
1814
1815
1816
1817
1818
1819
Politik 1810-1819 – Der Kaiser Frankreichs und
der Abstieg Napoleons
Die 1810er Jahre waren vor allem vom Wirken und
Nachwirken des französischen Kaisers Napoleon I.
bestimmt. Am Anfang des Jahrzehnts stand Napoleon
auf dem Höhepunkt seiner Macht. Sein Sturz genau in
der Mitte des Jahrzehnts wurde
ereignisgeschichtlich, endgültig, von seiner
sprichwörtlich gewordenen Niederlage in der Schlacht
bei Waterloo am 18. Juni 1815 markiert. Politisch
wesentlich wichtiger waren aber die in Folge von den
über Napoleon gesiegten Fürsten gemachten
Beschlüsse, die innenpolitisch und in Bezug auf
zwischenstaatliche Beziehungen das folgende
Halbjahrhundert entscheidend prägten.
Der von 1799 bis 1804 Frankreich als schließlich mit
diktatorischen Vollmachten ausgestattete Erster
Konsul der Republik und ab 1804 als durch
Volksabstimmung formal legitimierter Kaiser
regierende Napoleon Bonaparte war 1810 Herrscher vom
größten Teil Europas. Napoleons politisches Geschick
und seine militärische Begabung hatten entscheidend
dazu beigetragen, dass die nach der Revolution von
1789 politisch und militärisch von den Monarchien an
ihren Grenzen in die Defensive gedrängte Republik in
die Offensive gehen konnte. Dem revolutionären Elan
der französischen Heere konnten die
Kadavergehorsams-Truppen Österreichs, Preußens und
anderer Staaten letztlich nicht standhalten.
Napoleon baute ein Empire mit einem Frankreich im
Zentrum auf, dessen Departements sich von
Nordspanien bis an die Elbmündung erstreckten.
Die Iberische Halbinsel sowie Italien und vor allem
die Konkursmasse des auf Druck Napoleons 1806
untergegangenen Heiligen Römischen deutscher Nation,
der Rheinbund, gehörten am Anfang der 1810er Jahre
zum napoleonischen System von Satellitenstaaten.
Auch Preußen und Österreich waren in dieses System
eingebunden. Nur das als Seemacht für Frankreich
unüberwindliche Großbritannien und das sich mit
Napoleon arrangierende Russland verblieben mit
Frankreich auf Augenhöhe. Das napoleonische System
konnte zunächst durchaus mit Sympathie in weiten
Teilen der Bevölkerung der mit Gewalt angegliederten
Gebiete rechnen. Liberale Bürger und entrechtete
Bauern, die sich von Napoleon eine bessere Zukunft
als unter der autoritären Herrschaft ihrer
bisherigen Monarchen erhofft hatten, wussten zwar
zugestandene Freiheitsrechte zu schätzen, litten
aber rasch unter der von Frankreich aufgezwungenen
Kriegswirtschaft mit Kontributionen,
Einquartierungen und Zwangsrekrutierungen (mehr als
die Hälfte der napoleonischen Soldaten zwischen 1810
und 1815 waren Nichtfranzosen).
Insbesondere in den deutschen Ländern begünstigte
die zunehmend als fremde Despotie empfundene
napoleonische Herrschaft das Entstehen eines in
dieser Form und Breite neuartigen Nationalgefühls.
Standesgrenzen und einzelstaatliche Egoismen traten
zugunsten der Betonung eines zumeist diffusen
Deutschtums in den Hintergrund. Zwar hatte es seit
Mitte des 18. Jahrhunderts immer wieder Versuche
gegeben, ein deutsches Nationalgefühl zu erwecken,
aber diese oft durchaus politisch angelegten
Versuche beschränkten sich fast ausschließlich auf
den Bereich der bürgerlichen Hochkultur (Klopstock,
Lessing, Schiller). Diese Ansätze waren ohne
wesentliche Wirkung auf die durch Vielstaaterei und
dynastische Partikularinteressen gekennzeichnete
politische Landschaft geblieben. Erst unter Druck
verband sich die Abneigung gegen den als gemeinsamen
Feind empfundenen Napoleon in Verbindung mit
romantischen Reichsvorstellungen und kaltem Kalkül
anti-napoleonischer Politiker zu einem breiten
Nationalgefühl, das sich in der Tendenz als
aggressiver, sich gegen Frankreich gerichteter
Nationalismus und nicht als ein dem Gemeinwohl
verpflichteter Patriotismus zeigte.
Der Anlass des aktiven Aufstands der sich
formierenden Nationalbewegung stand im engen
Zusammenhang mit der Niederlage Napoleons im
Russlandfeldzug. 1812 hatte die französische „Grande
Armée“ das von Zar Alexander I. regierte Russland,
das aus der gegen Großbritannien gerichteten
Kontinentalsperre Napoleons ausgeschieden war,
angegriffen. Statt sich der französischen Armee zu
stellen, wichen die russischen Verbände in den
weiten Raum aus und hinterließen den Franzosen
zerstörte Gebiete („Verbrannte Erde“). Die Franzosen
erreichten zwar Moskau, aber sie waren im Winter
nicht mehr in der Lage, sich aus dem Land zu
versorgen, und mussten sich schließlich unter
enormen Verlusten zurückziehen. Das preußische
Hilfskorps (Blücher) sagte sich im Januar 1813 von
Napoleon los und löste damit den, nach einigem
Zögern auch vom König Friedrich Wilhelm III.
unterstützten, „Preußischen Befreiungskrieg“ aus.
Der während der französischen Besatzungszeit (seit
1806/07) heimlich reorganisierten preußischen Armee
gelang es, zusammen mit dem Volksaufgebot der
halbirregulären Landwehr, im Kampf gegen die
französische Armee zu bestehen. Der endgültige Sieg
wurde im Oktober 1813 in der Völkerschlacht von
Leipzig erreicht: Russland, Schweden, Preußen und
das sich dem Befreiungskrieg schließlich auch
angeschlossene Österreich schlugen Napoleon, der
sich aus Deutschland zurückziehen musste.
Die Alliierten, denen sich auch bald fast alle
Rheinbund-Staaten anschlossen, stießen nach
Frankreich vor. Nach der für ihn verlorenen Schlacht
bei Paris (31. 3. 1814) musste Napoleon abdanken.
Ihm wurde die etwa 50 km östlich seiner Geburtsinsel
Korsika liegende, 220 qkm große Insel Elba als
Herzogtum zugewiesen. Nach knapp einem Jahr verließ
er Elba und landete im März 1815 in Südfrankreich.
Napoleons Prestige war stark genug, um in
Frankreich, in dem inzwischen Ludwig XVIII.
regierte, wieder an die Macht zu kommen. Napoleons
“Herrschaft der Hundert Tage“ endete am 22. 6. 1815
mit seiner auf die Niederlage gegen Briten und
Preußen bei Waterloo folgenden endgültigen
Abdankung. Napoleon wurde auf die britische
Südatlantik-Insel St. Helena gebracht und dort bis
zu seinem Tod 1821 in Gewahrsam gehalten.
Vom September 1814 bis zum Juni 1815 hatte in Wien
eine Versammlung von Fürsten und Gesandten über die
Neuordnung Europas im Sinne einer Restauration
vornapoleonischer Verhältnisse unter
Berücksichtigung der Gottgegebenheit der Monarchien
(„Legitimität“) verhandelt. Herausragende
Persönlichkeiten beim “Wiener Kongress“ waren vor
allem der intrigante und mächtige österreichische
Außenminister Fürst Metternich und sein
französischer Gegenpart Talleyrand. Dem
geschmeidigen Talleyrand, der auch Napoleon gedient
hatte, gelang es, Frankreich aus der Rolle der
Verlierermacht zu lösen und dem restaurierten
Königreich eine gleichberechtigte Rolle im Konzert
der Mächtigen neben Großbritannien, Österreich,
Russland und Preußen zu verschaffen. Als
Zugeständnis an die deutsche Nationalbewegung wurden
landständische Verfassungen in den deutschen Staaten
in Aussicht gestellt und der Deutsche Bund
geschaffen. Diese lose Föderation der deutschen
Länder hatte kaum Kompetenzen und war für
Nationalisten eine herbe Enttäuschung. Auf dem
Wartburgfest 1817 in Eisenach machten sich
Burschenschafter Luft und protestierten gegen die
Konstruktion des Deutschen Bundes und gegen die
reaktionären Obrigkeiten.
Indirekte Folge des Wiener Kongresses war die
Etablierung der 1815 von den Herrschern Russlands,
Österreichs und Preußens gegründeten „Heiligen
Alllianz“ (seit 1818 auch mit Frankreich). Dieses
erzkonservative Fürsten-Bündnis stand allen
demokratischen und freiheitlich-nationalen
Bestrebungen als Gefahren für das angeblich
christliche Gottesgnadentum feindlich gegenüber. Die
auch mit dem Begriff „Metternichsches System“
bezeichneten reaktionären Kräfte gingen hart gegen
tatsächliche und mutmaßliche Oppositionelle vor.
Dazu diente unter anderem die Umsetzung der von
Delegierten etlicher deutscher Staaten beschlossenen
„Karlsbader Beschlüsse“ vom August 1819. Durch
rigide Pressegesetze sowie durch massive
Beschränkungen von Meinungs-, Versammlungs- und
Vereinigungsfreiheit sollte Burschenschaften,
Turnvereinen und anderen „demokratischen Umtrieben
verdächtigten“ Organisationen die
Betätigungsmöglichkeiten genommen werden. Die
Karlsbader Beschlüsse bewirkten eine Radikalisierung
weniger Aktivisten und das Abducken der Masse der
bürgerlichen Bevölkerung in das nur scheinbar
harmonische Idyll des Biedermeier.
34-jährig nahm sich 1811 der deutsche Dichter
Heinrich von Kleist („Der zerbrochne Krug“) das
Leben. In Weimar starb 1813 einer der vier „Großen
von Weimar“, der zu den wichtigsten Schriftstellern
der Aufklärungszeit zählende Christoph Martin
Wieland, in Folge einer Erkältung. Er wurde 79 Jahre
alt. Die Ermordung des 56-jährigen deutschen
Dramatikers und Generalkonsuls von Russland August
von Kotzebue durch einen Burschenschafter wurde
Anlass für die Karlsbader Beschlüsse.
1812 erschienen die ersten Bände der Kinder- und
Hausmärchen, der von den Brüdern Wilhelm und Jacob
Grimm bis 1858 herausgegebenen Sammlung „Grimmscher
Märchen“. 1813 brachte die britische
Schriftstellerin Jane Austen mit „Stolz und
Vorurteil“ einen der wichtigsten Romane der Dekade
heraus. Das ein Jahr später anonym veröffentlichte
Werk „Waverly“ des Schotten Walter Scott wurde
später als erster „historischer Roman“ der
Literaturgeschichte bezeichnet. 1819 sorgte der
Preuße Joseph von Eichendorff mit seiner
romantischen Novelle „Das Marmorbild“ für Aufsehen.
<<
Politik 1800-1809
|
Politik
1820-1829 >>