1800
1801
1802
1803
1804
1805
1806
1807
1808
1809
Politik 1800-1809 – Napoleon bestimmte das
Zeitgeschehen
Die erste Dekade des 19. Jahrhunderts war
unbestreitbar von einem an Körperlänge mäßig großen
(wahrscheinlich etwa 1,68 m, was exakt der
Durchschnittsgröße von europäischen Männern um 1800
entsprach), aber an politischer Bedeutung
überragenden Franzosen geprägt. Die historische
Epoche zwischen 1799 und 1815 ging als
„Napoleonisches Zeitalter“ in die Geschichte ein.
Der gebürtige Korse Napoleone Buonaparte, der sich
auf Französisch „Napoléon Bonaparte“ nannte,
veränderte als „Kaiser Napoleon I.“ nicht nur die
Landkarte Europas, sondern in Ergänzung zur
Französischen Revolution auch nachhaltig das
politische Denken.
Der Aufstieg des 1769 geborenen Sohns eines
korsischen Kleinadeligen hing eng mit der
Französischen Revolution zusammen. Innerhalb weniger
Jahre war der talentierte Artillerie-Soldat vom
Subaltern-Offizier zum einflussreichen
Revolutions-General aufgestiegen. 1799 war er durch
einen Staatsstreich zum Ersten Konsul der Republik
geworden. Napoleon erklärte den seit 1789
anhaltenden Revolutionszustand für beendet. Mit
großem politischen Geschick und außerordentlichem
militärischen Talent, aber auch mit Repression,
gelang es Napoleon, seine Machtbasis so weit zu
verbreitern und zu stabilisieren, dass er sich 1804
nach einer Volksabstimmung zum „Kaiser der
Franzosen“ krönen konnte. Sein nicht wie bis dahin
üblich auf Gottesgnadentum, sondern auf dem
Volkswillen gründendes Kaiserreich war eine
eigentümliche Mischung aus an den Bombast der
Bourbonen-Könige nahtlos anknüpfender höfischer
Prachtentfaltung, autokratischer Herrschaftsführung,
Verfassungsstaat und Imperialismus. Napoleons mit
der Betonung von „Gloire“ verbundenes Charisma und
die Vorteile, in deren Genuss das französische Volk
tatsächlich oder vermeintlich durch die Herrschaft
Napoleons kam, schufen trotz weiter bestehender
krasser sozialer Unterschiede ein so bis dahin
unbekanntes National- und Gemeinschaftsgefühl, das
in Frankreich bis in die neueste Zeit nachwirkte.
Napoleons Erfolg basierte zum Teil auf seinem
Versprechen, jedem Franzosen unbeachtlich seiner
Herkunft alle Möglichkeiten zum Aufstieg zu
eröffnen. Wichtig war auch Napoleons Wirken als
Verwaltungs- und Justizreformer. Insbesondere hat er
durch das „Code Civil“ genannte Zivilgesetzbuch von
1804 fundamentale, in der Revolution formulierte
Freiheits- und Gleichheitsrechte verankert.
Vor allem war Napoleon aber ein Imperialist, der
innerhalb kurzer Zeit durch die Kombination von
militärischer Gewalt und politischer Vereinbarung
ein fast ganz Europa umfassendes „Empire“ aufbaute.
Seine durch die Revolutionskriege erfahrenen
Soldaten und Offiziere stellten einen vollkommen
anderen Typus Militär dar als das militärische
Personal der Frankreich umgebenden Monarchien.
Sowohl freiwillig dienende als auch eingezogene
französische Soldaten fühlten sich als freie Männer
und wurden in der Regel auch so behandelt. Jeder
französische Rekrut hatte den sprichwörtlichen
„Marschallstab im Tornister“: Er konnte bei
entsprechender Leistung und Fortune Offizier werden.
Dagegen galt in den anderen Armeen das Prinzip von
Kadavergehorsam, Prügelzwang und strikter Trennung
von, in der Regel adligen, Offizieren von den, in
der Regel aus den Unterschichten stammenden,
Gemeinen. Zudem waren die französische Taktik und
das strategische Denken von Napoleon und seinen
Kommandeuren wesentlich effektiver als die
veralteten traditionellen Militärdoktrinen.
In einer Reihe von Kriegen gegen wechselnde
Koalitionen schlug Napoleon die die alte
monarchische Ordnung für Frankreich anstrebenden
Monarchien. Spätestens nach den überragenden Siegen
in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz (1805) über
Österreich und Russland beziehungsweise in der
Doppelschlacht von Jena und Auerstedt (1806) über
Preußen und Sachsen hatte Napoleon die unbestrittene
Vormachtstellung in Europa erreicht. Seine
Herrschaft sicherte er unter anderem durch die
Besetzung zahlreicher europäischer Throne mit
Mitgliedern seiner vielköpfigen Familie. Auch das in
die Defensive gedrängte Russland war gezwungen, sich
mit Frankreich zu arrangieren. Lediglich das von der
Royal Navy geschützte Großbritannien behauptete sich
weiter militärisch gegenüber Frankreich.
Napoleon herrschte über ein territorial erheblich
erweitertes Frankreich, das umgeben war von einer
Reihe von abhängigen Ländern. Die Verlegung der
gesamten französischen Ostgrenze an den Rhein 1801
bedeutete für Preußen, Bayern (damals noch „Baiern“
geschrieben) und andere deutsche Staaten erhebliche
Gebietsverluste. Durch den vom napoleonischen
Außenminister Talleyrand entscheidend
mitgestalteten, vom Reichstag Anfang 1803
beschlossenen Reichsdeputationshauptschluss wurden
diese Staaten großzügig auf Kosten von etwa 130
„säkularisierten“ geistlichen und „mediatisierten“
Reichsstädten und kleineren Adelsherrschaften
entschädigt. Im Herbst 1803 verleibten sich die
größeren deutschen Staaten in verblüffender
Einigkeit bei der Missachtung bei anderer
Gelegenheit empört verteidigter, angeblich
gottgegebener Souveränitätsrechte auch die
Kleinst-Gebiete der ungefähr 300
Reichsritterschaften ein („Rittersturm 1803“). Durch
die Arrondierung der deutschen Mittelstaaten schuf
sich Napoleon an seiner Ostgrenze einen Gürtel von
durch Frankreich dominierten Vasallenstaaten. Rahmen
für diese Staaten wurde die 1806 von Napoleon
initiierte Rheinbund-Konföderation. Zu dem mit
Frankreich durch eine Militärallianz verbundenen
Rheinbund gehörten 1808 praktisch alle deutschen
Staaten außer Preußen und Österreich.
Das Königreich Preußen hatte nach der vernichtenden
Niederlage von 1806 nur mit Mühe seine staatliche
Existenz retten können. Es hatte die Hälfte seines
Territoriums abtreten müssen, blieb zum Teil besetzt
und war auf die Stufe einer Halbkolonie
herabgesunken. Auch Österreich hatte erheblichen
Einschränkungen seiner Souveränität zustimmen
müssen. Auf der anderen Seite schuf die neue
Situation Raum für eine Anzahl von, fast durchweg
adligen, Reformern, die unter dem Eindruck des
Versagens der alten Systeme erfolgreich Neuerungen
auf den Gebieten der Staatsverwaltung, des Rechts
und des Militärwesens durchzusetzen versuchten. In
Preußen sind mit diesen Reformen vor allem die Namen
Freiherr vom Stein, Scharnhorst und Graf von
Gneisenau verbunden. In Österreich war Graf von
Stadion ein Motor entscheidender Reformen und im
napoleonischen Musterstaat Baiern schuf Graf von
Montgelas die Grundlagen eines modernen
Verwaltungsstaates.
Am Ende des Jahrzehnts begannen Aufstände das Empire
zu bedrohen. In Spanien brach 1808 ein von
Großbritannien unterstützter Kleinkrieg („Guerilla“)
gegen französische Interventionstruppen aus, den die
französische Armee nie ganz niederschlagen konnte.
Dagegen scheiterte der Versuch Österreichs
1808/1809, sich Napoleon zu widersetzen, mit einer
eindeutigen militärischen Niederlage. Im Frieden von
Schönbrunn 1809 musste Wien 600.000 qkm seines
Territoriums abtreten. Tiroler Rebellen unter der
Führung von Andreas Hofer kämpften allein weiter und
wurden rasch vernichtet. Der
österreichische Kaiser
Franz I. musste zugestehen, dass seine Tochter
Marie-Louise Ehefrau von Napoleon werden sollte. Zum
Zeitpunkt dieser Demütigung war Franz I. schon kein
deutscher Kaiser mehr: 1806 hatte er als Franz II.
auf Druck Napoleons die deutsche Kaiserkrone
abgelegt. Gleichzeitig damit ging das etwa
1000-jährige Heilige Römische Reich deutscher Nation
sang- und klanglos unter.
Auch in Amerika zeigten die Ereignisse in Europa,
zumindest indirekt, Wirkung. Napoleon zeigte kein
Interesse an dem Aufbau eines nordamerikanischen
Kolonialreiches und verkaufte 1803 das formell zur
französischen Krone gehörende Louisiana für 15
Millionen US-Dollar an die USA („Louisiana Purchase“).
Mit dem Kauf des über zwei Millionen qkm großen
Gebiets zwischen Mexiko und Kanada wurde das größte
Immobilien-Geschäft der Weltgeschichte abgeschlossen
und die USA verdoppelten ihr Territorium. Haiti,
seit 1697 eine französische Kolonie, erklärte sch
1804 für unabhängig. Aufstandsanführer Dessalines
machte sich nach napoleonischem Vorbild selbst zum
Kaiser. Jacques I. wurde 1806 ermordet, Haiti blieb
aber unabhängig.
Im übrigen Lateinamerika gärte es ebenfalls. Die
Schwäche der spanischen und portugiesischen
Monarchien im Zusammenhang mit der teilweisen
Eroberung der Iberischen Halbinsel durch Frankreich
ab 1807 förderte Unabhängigkeitsbestrebungen. Der
portugiesische Hof war 1807 vor Napoleon geflohen
und hatte seinen Sitz von Lissabon nach Bahia in der
Kolonie Brasilien verlegt. Hier fanden zunehmend
Stimmen Gehör, die die Gleichberechtigung Brasiliens
mit dem Mutterland forderten. In Ecuador konnte ein
Aufstand, der mit der Ausrufung der Unabhängigkeit
Ende 1809 begann, zwar von den spanischen
Kolonialtruppen noch unterdrückt werden, doch wirkte
der Aufstand als eine Initialzündung für den im
Folgejahr ausbrechenden Südamerikanischen
Unabhängigkeitskrieg.
1803 fand der Hauptvertreter der
Empfindsamkeits-Literaturepoche (1740 – 1790), der
1724 geborene Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock
(„Messias“, 1748) seine letzte Ruhe in Altona.
Ebenfalls 1724 geboren wurde der 1804 gestorbene
Königsberger Philosoph Immanuel Kant, dessen „Kritik
der reinen Vernunft“ zu einem Markstein der modernen
Philosophie wurde. 1805 erlag einer der großen
Weimarer Klassiker, Friedrich von Schiller, im Alter
von 45 Jahren einem Lungenleiden. Das letzte Wort
des britischen Premiers William Pitt d. J. (geb.
1759) soll 1806 „Oh! My Country!“ gewesen sein. Am
25.3.1801 starb mit 28 Jahren einer der
herausragenden Repräsentanten der Frühromantik: Der
Dichter Georg Philipp Friedrich Freiherr von
Hardenberg ging unter seinem Dichter-Namen „Novalis“
in die Literaturgeschichte ein. Ein Jahr von seinem
Tod hatte er mit den „Hymnen der Nacht“ einen der
bedeutendsten Gedichtzyklen der Epoche
herausgebracht. Der ebenfalls zu den großen
deutschen Frühromantikern gezählte Ludwig Tieck
veröffentlichte 1804 seine Märchennovelle „Der
Runenberg“. Ein Jahr später veröffentlichte Johann
Wolfgang von Goethe mit „Faust. 1. Teil“ eines der
Großwerke deutscher Literatur. 1809 starb der
österreichische Komponist Joseph Haydn mit 77
Jahren.
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