Die Große Sozialistische Oktoberrevolution
Die Nacht vom 6. zum 7. November 1917 steht für die
politische Machtübernahme der Bolschewiki in
Russland. Die damals noch angewandte russische
Zeitrechnung datiert die Oktoberrevolution auf den
24./25. Oktober nach dem Julianischen Kalender. Der
Name blieb, das Gedenken geschieht im November, nach
dem neuen Gregorianischen Kalender.
Ausgangspunkt für die Initialzündung der Revolution
war Petrograd. So hieß Sankt Petersburg in den
Jahren
1914 bis 1924. Später wurde daraus Leningrad
und heute hat die nördlichste Millionenstadt der
Welt wieder den Namen, den sie bereits vor 1914
hatte und zwar länger als 200 Jahre.
Dort also wurden zunächst alle wichtigen Stellen von
den Bolschewiki besetzt. Diese radikale Fraktion,
die von
Wladimir Iljitsch Lenin geführt wurde,
gehörte zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei
Russlands, der SDAPR. Dieser Fraktion ging es nicht
nur um soziale Reformen. Vor allem hatte sie den
Sturz des Zaren angestrebt, um dann auf der Basis
von Arbeiterräten (Sowjets) mit einer Diktatur des
Proletariats zum Sozialismus und Kommunismus zu
gelangen.
Vorgeschichte
Die Revolution in Petrograd geschah nicht von
ungefähr. Viele Ereignisse waren vorausgegangen, die
ihren Gipfelpunkt am 6./7. November 1917 erreichten.
Sie hatten ihren Anfang am Ende des 19. Jahrhunderts
genommen. Gegen den Zaren Nikolaus II., der vom 1.
November
1894 bis zum 15. März 1917 regierte, machte
sich stetig wachsender Widerstand breit. Die
russische Intelligenz aus allen gesellschaftlichen
Kreisen, die eine unzufriedene Bauernschaft hinter
sich wusste und ein sich entwickelndes
Industrieproletariat, begehrte gegen den politisch
starren Monarchen auf. Einige Gruppen orientierten
sich bereits an den Schriften von
Karl Marx und
Friedrich Engels. Des Zaren autokratische Politik,
an der er eisern festhielt und die bereits seine
Vorgänger praktiziert hatten, war ebenso ein Grund
für das Aufbegehren wie seine Ablehnung gegenüber
demokratischen Reformen. Dies brachte die russische
Monarchie letztendlich an den Rand des
Zusammenbruchs, der dann auch während des Ersten
Weltkriegs endgültig wurde. Der Zar Nikolaus II. aus
dem Hause Romanow musste abdanken. Er tat das am
15.März 1917, eine Folge der Februarrevolution. Nach
dem Gregorianischen Kalender hatte diese am 8. März
stattgefunden, der Name rührt vom 23. Februar nach
dem Julianischen Kalender her. Mit der
Zaren-Abdankung war das Russische Kaiserzeit
endgültig untergegangen.
Die Folgen des
Ersten Weltkrieges, die von einer
schwachen Wirtschaft bis zu enormen
Versorgungs-Engpässen der Bevölkerung reichten und
die Anhäufung ungelöster politischer Probleme im
Land, hatten zur Februarrevolution geführt. Damit
wurde ein für allemal die Zarenherrschaft in
Russland beseitigt. An Stelle eines regierenden
Monarchen war nun eine Doppelherrschaft an der
Macht, bestehend aus dem Parlament (Duma) und den
Arbeiter- und Soldatenräten (russische Sowjets). Das
Parlament billigte eine Provisorische Regierung.
Erst einmal wurde Fürst Georgi Jewgenjewitsch Lwow
deren Ministerpräsident. Er vertrat den rechten
Flügel innerhalb der Regierung. Der linke Flügel
wurde durch die Arbeiter- und Soldatenräte
repräsentiert. Alexandr Fjodorowitsch Kerenksi wurde
in der Provisorischen Regierung Justizminister und
kurz darauf, im Mai, wurde er Kriegs- und
Marineminister und übernahm schließlich die
Regierung. Kerenski machte besonders von sich reden,
als es außenpolitisch um die Frage ging, ob Russland
weiter Krieg führen oder zugunsten Deutschlands
große Gebietsverluste hinnehmen sollte. Die
Regierung Lwow wollte einen „Frieden ohne Annexionen
und Kontributionen“. Kriegsminister Kerenski hoffte
auf den Erfolg seiner Offensive der russischen
Truppen gegen die Mittelmächte an der Ostfront.
Diese sollte die Nation stabilisieren und ein
Vordringen der Mittelmächte auf Russlands Gebiet
verhindern. Kerenski hatte damit einen
Annexionsfrieden vermeiden wollen. Er wollte bessere
Bedingungen für die Friedensverhandlungen
bewerkstelligen. Allerdings brach diese
Kerenski-Offensive schon im Juli 1917 zusammen.
(Russland kämpfte im
Ersten Weltkrieg als
Verbündeter von
Serbien, Frankreich und
Großbritannien gegen das Deutsche Reich.)
Das Scheitern dieser Sommeroffensive hatte eine
wachsende Ablehnung der Regierung Kerenskis zur
Folge. Damit wurde wiederum der linke Flügel
gestärkt. Wäre es nicht zur Oktoberrevolution
gekommen, wäre im Herbst 1917 eine
Verfassungsgebende Versammlung gewählt worden. Diese
hätte dann über die zukünftige Staatsform in
Russland entschieden.
Daraus wurde nichts mehr. Die Linke erstarkte weiter
und hatte zudem klare Pläne, um das Land aus der
Misere zu reißen.
Derweil hatte Russland mit dramatischen
Entwicklungen zu kämpfen. Abgesehen vom anhaltenden
Ersten Weltkrieg gab es einen Machtkampf zwischen
den Bolschewiki und Menschewiki. Die Menschewiki (Minderheitler)
waren ebenfalls eine Fraktion innerhalb der
Sozialdemokratischehn Arbeiterpartei Russlands. Doch
im Gegensatz zu den Bolschewiki (Mehrheitler) bauten
die Menschewiki auf einen orthodoxen Sozialismus.
Sie strebten eine bürgerliche Revolution an, wollten
keine Führungsrolle der Massen.
Doch genau das wollten Lenin und seine Anhänger.
Lenin konnte die verarmten Massen für seine Ziele
gewinnen. Dafür sorgte u. a. seine Forderung
„Friede, Land und Brot“, mit der er die Not
leidenden Arbeiter, Bauern und Soldaten hinter sich
scharte.
Der Ablauf
Im Vorfeld war vom Petrograder Sowjet und dessen
Präsidenten Leo Trotzki ein Revolutionäres
Militärkomitee (RMK) gegründet worden. Am 5.
November (Gregorianischer Kalender) erließ die
Provisorische Regierung den Befehl, die Mitglieder
des RMK zu verhaften. Gleichzeitig erging ein Verbot
der Verteilung und des Druckes der beiden
bolschewistischen Zeitungen „Soldat“ und „Rabotschi
Put“ (Arbeiterweg). Offiziersschüler waren für die
Bewachung von wichtigen Objekten und der
Regierungsgebäude abgestellt. Am Tag darauf hatten
die Offiziersschüler die bolschewistische Druckerei
besetzt und begonnen, Inventar zu zerstören. Das
Zentralkomitee der Sozialdemokratischen
Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) gibt dem RMK den
Auftrag, die Druckerei zu schützen. Schließlich
wurden die Offiziersschüler von Soldaten des
Litauischen Regiments aus der Druckerei vertrieben.
Um 9:00 Uhr erging an die Truppen von Petrograd,
Kronstadt und Helsingfors folgender Befehl: „Dem
Petrograder Sowjet droht unmittelbar Gefahr. Das
Regiment ist in volle Kampfbereitschaft zu
versetzen. Jeder Verzug wird als Verrat an der
Revolution angesehen.“
Am selben Tag (6. November) noch diskutierte
Trotzki, der die bolschewistische Fraktion führte,
die Lage.
Die Provisorische Regierung hatte derweil auswärtige
Truppen aufgefordert, in die Hauptstadt (damals war
Petrograd die Hauptstadt) zu marschieren und Hilfe
zu leisten, damit die Machtübernahme der Bolschewiki
verhindert werde.
Lenin hielt sich zu jenem Zeitpunkt illegal in
Petrograd auf und er betonte in einem Brief an das
ZK, dass das Volk das Recht und die Pflicht habe,
eine Entscheidung mit Gewalt durchzusetzen. „Die
Regierung wankt. Man muss ihr den Rest geben, koste
es, was es wolle! Eine Verzögerung der Aktion
bedeutet den Tod.“
Am Abend des 6. November begann mit der Besetzung
der wichtigsten Punkte in der Stadt der bewaffnete
Aufstand.
Wladimir Iljitsch Lenin war kurz nach dem Beginn des
II. Allrussischen Sowjetkongresses im
Smolny-Institut (Hauptquartier der Bolschewiki)
eingetroffen. Am Smolny-Institut waren 1.500 Mann
der Roten Garden stationiert worden. Lenin
koordinierte die Arbeit des Revolutionären
Militärkomitees.
In der Nach vom 6./7. November ging der Kreuzer
„Aurora“ in der Hauptstadt vor Anker und begann mit
der Kontrolle einer Brücke. Gegen halb sieben hatten
Rotgardisten die Staatsbank besetzt. Sie hielten die
Schlossbrücke besetzt und innerhalb kürzester Zeit
alle Newa-Brücken. Sie hatten zudem sämtliche
Bahnhöfe und die Telefonzentrale in ihrer Kontrolle.
So reibungslos, wie das in der Abfolge klingt, war
es nicht vonstatten gegangen. Es gingen Berichte vom
Militärkommando an die Provisorische Regierung, in
denen davon die Rede war, wie kritisch die Lage sei,
weil keine Soldaten mehr zur Verfügung standen.
Daraufhin verschickte die Regierung Telegramme, um
von der Nordfront Truppen nach Petrograd zu holen.
Am Mittag des 7. November eroberten Soldaten und
Rotgardisten den Marienpalast. Im Smolny-Institut
sprach inzwischen Lenin zu den Deputierten des
Petrograder Sowjets. Obwohl noch nicht alles
vollendet war, sprach er bereits davon, dass die
Arbeiter- und Bauernrevolution vollbracht sei.
An frühen Abend war der Sitz der Provisorischen
Regierung, das Winterpalais von den
Revolutionstruppen umzingelt. Die Aufforderung des
Stabs des RMK an die Regierung zur Kapitulation
verhallte nach einer zwanzigminütigen Frist ohne
Antwort.
Das Signal für den Beschuss des Winterpalais ertönte
um 21:45 Uhr vom Kreuzer „Aurora“. Daraufhin
kapitulierten Offiziersschüler, Kosaken und das
„Todesbataillon“, das ausschließlich von Frauen
besetzt war. Sie verließen das Winterpalais. Zurück
blieben die Pioniertruppen und die militärischen
Stoßtrupps.
Um Mitternacht wurde das Winterpalais gestürmt.
Die Große Sozialistische Oktoberrevolution hatte
gesiegt.
Das neue Russland
Am 8. November, nachts gegen 2:00 Uhr, hatten die
Revolutionäre das gesamte Winterpalais erobert und
verhafteten die restlichen Mitglieder der
Provisorischen Regierung. Ministerpräsident Alexandr
F. Kerenski war bereits am Vortag geflohen. Im
Smolny-Institut wurde die Arbeit des II.
Allrussischen Sowjetkongresses wieder aufgenommen.
Allerdings hatte die Menschewiki-Fraktion den
Kongress schon verlassen, weil der Kongress die
Revolutionäre unterstützte.
Anatoli W. Lunatscharski, der zu Lenins engerem
Kreis gehörte, verlas dessen Aufruf, in dem der Sieg
der Revolution bestätigt wurde. Anschließend
diskutierte das Zentralkomitee der Bolschewiki die
Zusammensetzung der künftigen Sowjetregierung der
Volkskommissare.
Und außerhalb Russland war noch immer der Erste
Weltkrieg im Gange.
Am Abend trat erstmals Wladimir I. Lenin vor die
Deputierten des Kongresses und referierte über den
Frieden. Er befürwortete einen Frieden ohne
Annexionen und ohne Kontributionen, den es schnell
zu unterzeichnen galt. Eine entsprechende
Deklaration wurde dann am 9. November von der neuen
Regierung veröffentlicht. Am selben Tag erschien
auch die „Rabotschi Put“ wieder, die den Sieg der
Großen Sozialistischen Oktoberrevolution verkündete.
Die Zeitung erschien nun allerdings unter dem Namen
„Prawda“ (Wahrheit).
Auch in
Moskau hatten die Bolschewiki die Macht
übernommen. Sie organisierten einen bewaffneten
Aufstand trotz des Widerstandes des Komitees für
öffentliche Sicherheit. Dort führten die Kämpfe (25.
Oktober bis 2. November) durch das Eintreffen der
Verstärkung zum Sieg der Bolschewiki.
Im Frühjahr 1918 erklärte die neue russische
Sowjetregierung
Moskau wieder Hauptstadt. Die
Führung der Bolschewiki zog in den Kreml ein, der
damit wieder zum russischen Machtzentrum wurde. Und
dort wurde am 30. Dezember
1922 die Sowjetunion –
UdSSR,
Union der sozialistischen Sowjetrepubliken –
gegründet.
Ebenfalls 1918, am 17. Juli, hatte sich die neue
Macht in Russland mit der Ermordung des Zaren
Nikolaus II. und seiner Familie in Jekaterinenburg
nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Untrennbar mit der Oktoberrevolution verbunden
Wladimir Iljitsch Lenin (1870-1924), russischer
kommunistischer Politiker und Revolutionär, der als
Vorsitzender der Kommunistischen Partei Russlands
von
1912 bis
1924 agierte, war nicht nur eine der
Führungspersönlichkeiten der Oktoberrevolution,
sondern auch Regierungschef der Russischen SFSR.
Außerdem gilt Lenin als Begründer der
Sowjetunion.
Die russische Politikerin, Nadeshda K. Krupskaja
(1869-1939), war ebenfalls eine Revolutionärin,
zugleich Pädagogin. Sie war die Ehefrau von Lenin.
Mit ihm zusammen hatte sie die bolschewistische
Zeitung „Iskra“ (Funke) herausgegeben. Nach der
Revolution hatte sie sich herausragende Verdienste
beim Aufbau des Bildungswesens erworben.
Leo Trotzki (1879-1940), der als Revolutionär und
marxistischer Theoretiker zum engen Kreis Lenins
gehörte, übernahm bei der Regierungsbildung nach der
Revolution das Amt des Volkskommissars für
Auswärtige Angelegenheiten. Trotzki war
verantwortlich für den Frieden mit dem Deutschen
Reich und dessen Verbündeten. Bei der Organisation
und Durchführung der Revolution gebührte ihm eine
zentrale Rolle.
Anatoli Wassiljewitsch Lunatscharski (1875-1933),
der in der neuen Sowjetregierung Volkskommissar für
Bildungswesen wurde und ebenfalls zum engen Kreis
Lenins gehörte, war einer der bedeutenden
marxistischen Kulturpolitiker.
Alexander Fjodorowitsch Kerenski (1881-1970) gehörte
zwar nicht zu den Siegern der Oktoberrevolution, war
aber dennoch eine bedeutende Politik-Persönlichkeit
in Russland während der Zeit der Februarrevolution
1917 in der Übergangsregierung bis zum Sieg der
Oktoberrevolution, womit die Provisorische Regierung
ihre Macht abgeben musste.
Josef Wissarionowitsch Stalin (1878-1953), der auf
dem ersten Allrussischen Sowjetkongress zum Mitglied
des Zentralexekutivkomitees (ZEK) gewählt worden
war, hatte zunächst eine Politik der Zusammenarbeit
mit der Provisorischen Regierung unter Kerenski
verfolgt, bis Lenin aus dem Exil zurückkehrend diese
Unterstützung als „Verrat“ bezeichnete. Stalin wurde
daraufhin einer der eifrigsten Unterstützer Lenins.
Mit der Vorbereitung und Durchführung der
Oktoberrevolution hatte Stalin kaum etwas zu tun.
Weitere Infos