Geschichte der Kurden
Die geschätzt etwa 35 Millionen Kurden gelten,
berücksichtigt man die 70
Millionen Adivasi in
Indien nicht als eigenständige
Nation, als das weltweit
größte Volk, deren Angehörige nicht zumindest teilweise
in einem eigenen,
international anerkannten Staat leben. Die Kurden
sprechen eine zu den indo-europäischen Sprachen gerechnete nordiranische
Sprache. Die vornehmlich
muslimischen Kurden sind in eine Reihe von sich
kulturell teilweise
erheblich voneinander unterscheidenden Gruppen
aufgeteilt. Das zusammenhängende Haupt-Siedlungsgebiet der Kurden
(„Kurdistan“)
erstreckt sich im Einzugsgebiet des Zagros-Gebirges über
Territorien von
vier Staaten. Kurden stellen die Bevölkerungsmehrheit
beziehungsweise
bedeutende Minderheiten im Südosten der
Türkei, im
Nordirak, im nördlichen
Syrien und im westlichen
Iran. Außerhalb von Kurdistan
leben größere
Kurden-Gruppe unter anderem in den westlichen Provinzen
und an der Südküste
der Türkei sowie im die Grenzregion von
Irak,
Afghanistan und Turkmenistan
bildenden Chorasan-Gebiet. Auch in
Armenien,
Aserbaidschan,
Georgien und im
Libanon gibt es relativ große kurdische Minderheiten.
Nicht zuletzt wegen der restriktiven und wenig
transparenten Informations-
und Minderheitenpolitik der betreffenden Staaten sind
genaue Angaben zur
Demographie der Kurden selten. Etwa 18 -25% der 75
Millionen zählenden
türkischen Bevölkerung wird zur kurdischen Minderheit
gezählt. In der von der Doktrin der „Einen türkischen
Nation“ bestimmten Politik der
1923
gegründeten türkischen Republik wurde den Kurden der
Status eines
eigenständigen Volkes vorenthalten.
Den früher bisweilen
als „Bergtürken“
bezeichneten, zumeist sunnitischen oder alevitischen
Kurden war lange von
offizieller Seite verwehrt worden, ihre Sprache zu
pflegen. Erst seit
einigen Jahren wird diese strikte Ausgrenzung, die durch
Artikel 42 der
türkischen Verfassung immer noch ihre Rechtsgrundlage
besitzt, im Rahmen
einer vorsichtigen, oftmals lediglich taktisch
angelegten
Demokratisierungspolitik relativiert. Mittlerweile gibt
es kurdische
TV-Sender und Presseverlage in der
Türkei. Das Lehren
von Kurdisch als
Fremdsprache an Privatschulen, deren Besuch für die
meisten Kurden
unerschwinglich ist, wird ebenfalls geduldet. Das
Verhältnis der Kurden zum
türkischen Staat ist durch jahrzehntelange, häufig
gewalttätige,
Auseinandersetzungen belastet. Mehreren blutigen
Aufständen in den
1920er
und
30er Jahren folgte seit den
1970er Jahren der
Untergrundkrieg der von
Abdullah Öcalan gegründeten und autoritär geführten
marxistischen
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und anderer kurdischer
Gruppen gegen die
türkische Zentralregierung. Nichtmilitante kurdische
Polit-Organisationen
wie die 2008 gegründete BDP (Partei des Friedens und der
Demokratie) nutzen
die weiterhin engen Spielräume im politischen System der
Türkei aus, um die
Interessen der in der türkischen Gesellschaft oft
diskriminierten Kurden im
Parlament und der Öffentlichkeit zu vertreten.
Im Irak sind die etwa 15 % der Gesamtbevölkerung des
Landes bildenden Kurden dem Wunsch nach politischer
Autonomie wesentlich näher gekommen als die türkischen
Kurden. Die meisten der knapp fünf Millionen irakischen
Kurden
leben in den drei Nordprovinzen Iraks. Nach über
Jahrzehnte dauernden
Kämpfen mit der arabischen Regierung in Bagdad gelang es
den Kurden
1991 im
Nordirak eine autonome Region mit eigener Regierung,
eigenem Parlament und
eigenen Truppen („Peshmerga“) zu etablieren. Außerhalb
der autonomen Region
lebt schätzungsweise eine weitere halbe Million Kurden
im Irak.
Im inoffiziell „Iranisch-Kurdistan“ genannten
Grenzgebiet des Irans zum Irak
und zur Türkei leben ungefähr sieben Millionen, sowohl
sunnitische wie auch
schiitische, Kurden. Als Ergebnis langer Kämpfe mit der
persischen Regierung
wurde
1946 unter dem Schutz der Sowjetunion die
kurzlebige Republik von Mahabad gegründet, die den persischen Kurden den Rahmen
für politische
Autonomie gab.
Bereits ein Jahr später wurde die
Republik wieder
zerschlagen. Nach dem Sturz des die Linie der
Unterdrückung kurdischer
Autonomiebestrebungen fortführenden Schah-Regimes im
Jahr
1979 erhofften
sich viele Kurden von der neuen schiitisch-islamistischen Staatsführung mehr
Entgegenkommen. Ihre Hoffnung wurde enttäuscht.
Spannungen zwischen
Ajatollah Khomeini und sunnitischen Kurden führten 1979
zum kurdischen
Aufstand, der in einem „Heiligen Krieg“ vom iranischen
Militär
niedergeschlagen wurde. Seitdem ist das Verhältnis von
Kurden und Staat
wesentlich durch gegenseitiges Misstrauen geprägt.
Die knapp zwei Millionen Angehörige zählende kurdische
Minderheit in
Syrien
ist vor allem in drei weit voneinander getrennten
gebirgigen Zonen
beheimatet. Die meisten syrischen Kurden leben in der
Nordost-Provinz Al Hasakah an der Grenze zum
Irak. Weitere bedeutende
kurdische Regionen sind
die an die Türkei grenzenden Gebiete von Kobane (Ayn
al-Arab) und Afrin. Die
meisten syrischen Kurden sind Sunniten. Eine Minderheit
bekennt sich zu
jezidischen Glaubensvorstellungen. Auch in Syrien wurde
die kurdische
Minderheit von den arabisch dominierten Regierungen in
Damaskus
diskriminiert.
In Folge des seit 2011 tobenden syrischen Bürgerkriegs
haben
kurdische Milizen in einigen der kurdisch besiedelten
Gebiete die Macht.