Die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts bedeuteten
für die Motorradwelt eine bis dahin nie gekannte
Vielfalt - bis hin zum Chaos. Zwei Welten prallten
aufeinander: Die im Vergleich braven Motorräder der
siebziger Jahre wurden abgelöst von immer
schnelleren und schwereren Motorrädern – was machbar
war, wurde auch gemacht.
Eingeläutet wurde die Ära der Über-Motorräder durch
zwei extreme Honda-Modelle. Beide besaßen je 1000
Kubikzentimeter, ein wassergekühlten Vierzylinder
und einen luftgekühlten Sechszylinder. Auf den
ersten Blick waren beide gleichsam fortschrittlich
und innovativ – und doch waren es gänzlich
unterschiedliche Maschinen. Auf der einen Seite die
flüsternde Gold
Wing, ein luxuriöses Reisemotorrad,
auf der anderen Seite die 105 PS starke CBX, etwas
krawallig, und doch ein technisches Meisterwerk,
heute ein gesuchter Klassiker. Da konnte Konkurrent
Kawasaki nicht an sich halten und produzierte eine
„Über-Gold Wing-CBX“. 120 PS leistete der
Sechszylinder der Z 1300, mit 1300 Kubikzentimetern
Hubraum, Wasserkühlung und Kardanantrieb. Die
Gewichtsmarke von 300 Kilogramm war geknackt.
Wo sollte das noch hinführen? Zunächst zu einer
freiwilligen Selbstbeschränkung der Importeure auf
100 PS. Mehr sollte es nicht mehr sein.
Heute im Zeitalter der serienmäßigen 215 PS-Monster
ist davon nicht viel übrig geblieben, aber damals in
den 80ern war das ein deutliches Zeichen. Die
Selbstbeschränkung sollte klar machen, dass es auch
anders ging.
Bei den bescheidenen Gebrauchsmotorrädern (die es
immer noch gab, auch wenn sie ein Schattendasein
führten) funktionierte das seit Jahrzehnten. Beim
Motorradzubehörlieferanten Hein Gericke wurde die
aus der DDR importierte MZ ETZ 250 für 1980 DM (das
waren weniger als 1000 Euro) angeboten. Ein 17 PS
„starker“ Einzylinder-Zweitakter mit tollem
Fahrwerk, guten Bremsen und hohem Fahrkomfort, der
seine Besitzer Jahre lang treu von A nach B brachte,
schwer kaputt zu kriegen und leicht zu reparieren
war. Der Kaufpreis für die MZ entsprach den
Inspektionskosten für eine Honda CBX (da waren 24
Ventile einzustellen!) plus zwei neue Reifen. So
bunt war die Motorradwelt in den 80ern.
Für die Hersteller und Importeure war es eine
aufregende Zeit. Die britische Traditionsschmiede
Triumph, als letzter der hochnäsigen englischen
Motorradhersteller übrig geblieben, ging Anfang der
80er sang- und klanglos unter, um dann Ende der 80er
mit Glanz und Gloria wie Phönix aus der Asche wieder
aufzustehen.
BMW, neben Harley-Davidson der bis dahin
konservativste Produzent, stellte 1983 zur
Überraschung aller einen Vierzylinder auf die Räder
- und machte alles anders als die japanische
Motorradindustrie. Der wassergekühlte Reihenmotor
(von Kritikern gern als „fliegender Ziegelstein“
belächelt) wurde nicht quer, sondern längs
eingebaut. Optisch gewöhnungsbedürftig, technisch
durchaus logisch, da die K 100 als echte BMW
selbstverständlich einen Kardanantrieb besaß.
Die italienischen Hersteller ächzten unter dem Druck
der japanischen Konkurrenz, die schneller, wendiger
und besser produzierte. Moto Guzzi hielt sich mit
Behördenaufträgen über Wasser; Benelli, Ducati und
Laverda besaßen zwar treue Fans, das reichte aber
kaum zum Überleben. Seltsame Maschinen entstanden
damals in Italien, wie zum Beispiel die Benelli 254,
kaum größer als ein Kleinkraftrad, aber mit vier
Zylindern.
Die größte Aufmerksamkeit bekamen ohnehin die
Sportmotorräder aus Japan, speziell die GSX-Reihe
von Suzuki. Wegen ihrer bunten
Kunststoff-Vollverkleidungen von Kritikern gern als
"Joghurtbecher" verspottet, waren diese Sportler und
Sporttourer damals das Maß der Dinge.
Vierzylinder-Viertakter, die lässig über 10000
Umdrehungen in der Minute drehten, dabei aber
zuverlässig und genügsam wie ein VW Golf waren. Und
alltagstauglich waren sie auch noch. Technisch war
nichts gegen diese Maschinen einzuwenden - was
fehlte, waren Seele und Herz.