Motorräder der 60er-Jahre
In der Motorradwelt waren die sechziger Jahre ein
einschneidender Wendepunkt, dessen Folgen heute noch
zu spüren sind.
Bis zum Ende der fünfziger Jahre – 15 Jahre nach dem
Ende des Zweiten Weltkriegs – waren Motorräder reine
Transportmittel. Möglichst einfach, möglichst
billig, so lauteten die Forderungen. 125
Kubikzentimeter-Maschinen mussten reichen, wurden
täglich genutzt, zum Teil abenteuerlich beladen,
mussten gar für den Campingurlaub an der Adria
herhalten.
Das Wirtschaftswunder änderte alles. Autos wurden
immer erschwinglicher. Von der Isetta über den
Volkswagen Käfer bis hin zum Opel Rekord war es
jetzt kein weiter Weg mehr. Das Motorrad blieb im
wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke.
Doch Mitte der sechziger Jahre gab es eine
Kehrtwende. Das Motorrad war plötzlich wieder „in“.
Nicht mehr als spartanisches schwächliches
Transportmittel, sondern als schickes
kraftstrotzendes Freizeitvergnügen. Der Trend kam
aus den USA; den Europäern, speziell den deutschen
Wirtschaftswunderkindern, denen es jetzt
wirtschaftlich immer besser ging, kam der neue Trend
gerade recht.
Trendsetter japanische Motorräder
Trendsetter sollte ab etwa 1965 jedoch die junge
japanische Motorradindustrie werden. Vormals
vollkommen unbekannte Marken wie Honda, Yamaha,
Kawasaki und Suzuki eroberten in einem
atemberaubenden Tempo den nordamerikanischen und
europäischen Motorradmarkt. Die Europäer hatten der
Invasion aus Fernost kaum etwas entgegen zu setzen.
Die Bikes aus
Japan waren von Anfang an technisch
und qualitativ so perfekt, dass die traditionellen
Hersteller aus Deutschland, England und Italien im
wahrsten Sinne des Wortes alt aussahen. Heute mutet
der Versuch von BMW, im Jahre 1969 mit dem
Top-Modell R 75/5 mit 50 PS gegen eine Honda CB 750
mit 67 PS anzutreten, geradezu rührend an. Die
hochnäsigen englischen Motorradhersteller
ignorierten die Gefahr durch Honda und Co., bis sie
nach einem langsamen quälenden Untergang Ende der
siebziger Jahre fast endgültig aus der Motorradwelt
verschwanden – bis zur Wiedergeburt von Triumph in
den Neunzigern, aber das ist eine andere Geschichte.
In Italien versuchte Moto Guzzi – dem hartnäckigen
Betonmischer-Image zum Trotz – die
Tricolore hochzuhalten. Das gelang sogar halbwegs,
zum Teil zu Lasten des amerikanischen Herstellers
Harley-Davidson, dessen Maschinen in den sechziger
Jahren von so lausiger Qualität waren, dass die
Polizeibehörden diverser US-Bundesstaaten ihre
Dienstmotorräder bei Moto Guzzi orderten. Die
pfiffigen Italiener reagierten darauf mit der (heute
noch gebräuchlichen) Modellbezeichnung „California“.
Die Krone der Motorradwelt gebührte in den 1960er
Jahren jedoch eindeutig den Japanern. Klar, sie
kopierten alles. Besonders gern deutsche und
englische Motorräder. Selbst vor einer braven
ostdeutschen 125-er MZ machten die findigen
Ingenieure aus Hammamatsu und den anderen rasch
aufblühenden Standorten nicht Halt. Aus einer MZ RT
125 wurde eine schicke, fast drei Mal so starke
Yamaha AS 3, aus einer 250-er Adler eine Yamaha DS
7.
Besonders gern kopierten die Japaner Bikes aus „Good
Old Britain“. Traurig aber wahr: Die japanischen
Kopien waren den britischen Originalen technisch und
qualitativ meist haushoch überlegen.
Kawasaki Mach III - Der Witwenmacher
Das Verrückte an den japanischen Sixty-Bikes war
jedoch, dass deren Ingenieure nicht nur von Technik
und Qualität eine Menge verstanden, sondern auch
durchaus mutig waren, und sogar einen – manchmal
etwas makaber anmutenden – Humor besaßen.
Anders sind Maschinen wie eine Kawasaki Mach III
nicht zu erklären. Heute für Nicht-Motorradfahrer
eine ökologische Unverschämtheit, damals eine
Sensation. Dreizylinder-Zweitakter, 60 PS stark,
leicht, kaum zu bändigen, 12 Liter auf 100
Kilometer, Porsche-Killer – ein Mythos. Dieser
vollkommen übermotorisierte „Witwenmacher“ wird
heute zu horrenden Preisen gehandelt. Eine Kawasaki
Mach III ist wie viele andere Maschinen aus den
Sechzigern Kult – und wird es ewig bleiben.
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