Das Modejahr 1989 – Mode und Mauerfall
Bei der Erwähnung des Jahres 1989 sind es nicht sofort
modische Neuerungen, die einem in den Sinn kommen. Es
sind historische Ereignisse von großer Brisanz, die im
November mit dem Fall der Berliner Mauer ihre vorläufige
Vollendung fanden.
Im Vorfeld waren die TV- und Printmedien mit der
Massenflucht von DDR-Bürgern nach Ungarn
beschäftigt. Da musste man genau hinsehen, um nebenher
den 200. Jahrestag der Französischen
Revolution zu
konstatieren und noch genauer, um die Kreationen der
Pariser Haute Couture und des Prêt-à-porter verfolgen zu
können, denn die standen ganz im Zeichen des
Revolutions-Jahrestages. Den farblichen Ton gaben Blau,
Weiß, Rot an. Wenn schon historisch, dann richtig. Auch
die Zeit vor der 1789er Revolution gab als Inspiration
viel her. Zu sehen war das u.a. an den Westen, für die
natürlich Brokatstoffe verwendet wurden und deren Muster
sehr blumig waren. Es lebte auch die Mode der Dandys
auf, die während der zweiten Phase der Französischen
Revolution vorherrschend war. Mode als
Selbstinszenierung und Lebenseinstellung. Christian
Lacroix brachte sie auf den modernen Laufsteg:
Kniebundhosen, Hemden mit üppigen Jabots und
Spenzerjäckchen. Blusen hatten übergroße Schleifen und
ein Hauch Vergangenheit umwehte die staunenden
Zuschauer. Sah man von den Kniebundhosen ab, die in der
Trachtenmode immer schon eine Rolle gespielt hatten oder
von den Brokatwesten, dann fand kaum etwas von den
historisch inspirierten Modellen den Weg vom Catwalk auf
die Straße. Ein modisches Spektakel war es dennoch und
eine Freude fürs Auge sowieso.
Die Kleidung wirkte im 89er Jahr ansonsten eher
verhalten. Kleine Akzente durch Modeschmuck, wenig
Aufputz, eben nichts, was spektakulär war und gegen die
aktuell-historischen Ereignisse ankam. Dennoch lag
gerade in der Damenmode eine feminine Eleganz. Mäntel
und Kostüme hatten großzügig gearbeitete Kragen, die,
wenn Frau sie hochstellte, das Gesicht umschmeichelten
und schick aussahen. Sommers ließ der durchsichtige
Chiffonrock die Beine erahnen. Man trug ihn in
Kombination mit langen Pullovern oder Blazern.
Hosenanzüge gab es in lässig-weiblicher Form mit kurzen
Jacken und bequemen Hosen im Pyjama-Stil, die zusammen
mit den gefältelten Hosenröcken ein echter Mode-Favorit
waren. Aber auch die Bermuda-Shorts gefielen den Damen
und sahen an ihnen adretter aus als an Männerbeinen.
Sogar im Winter, wenn blickdichtes Strumpfwerk dazu
angezogen wurde.
Immer wieder eine Herausforderung für die Designer:
Jeans. Sie gehörten zur Basic-Bekleidung der
Menschen
fast jeden Alters. Einen modernen Touch bekamen sie
durch ausgefranste Säume, die den Eindruck eines
gebrauchten und gealterten Beinkleides machen sollten.
Dieser Trend griff schnell um sich. Auch die
Stone-Washed-Jeans war sehr beliebt. Außer dieses
markanten Wascheffektes gab es die unverwüstliche Jeans
auch in faltiger Optik. Wer jetzt noch seine Jeans
bügelte, dem war nicht zu helfen.
Derweil hatte sich die fußlose Strumpfhose aus dem
sportlichen Bereich endgültig in der Tagesmode
eingenistet. Sie war bequem, es gab sie in unendlichen
Material- und Farbvarianten und sie war ideal zu
T-Shirts und Pullovern. Zudem machte sie (meistens)
schöne Beine und mit Ballerinas an den Füßen boten die
jungen Mädchen und Frauen einen schmucken Anblick. Den
Leggins stand eine große Zukunft bevor.
Die Freizeitmode der Jungs hatte sich positiv verändert.
Jeans und Turnschuhe waren sowieso angesagt. Nun
eroberten auch Stehkragen-Hemden und Brokatwesten die
Disco. Die Revolutions-Haute-Couture ließ grüßen. Die
Generation der Väter hielt sich an das Bequeme. Anzüge
wurden stofflich weicher, sahen schon von Weitem
geschmeidig aus und die fließende Optik hatte einen
tollen Schick.
Nun blieb abzuwarten, ob und wie sich der Mauerfall, der
Zerfall des Ostblocks und die sich vermischenden
menschlichen Temperamente auf die Entwicklung der
Bekleidung auswirkten. Mode hatte ja immer ihre eigene
Freiheit. Im Jahr 1989 endet jedenfalls das 80er
Jahrzehnt mit einem verheißungsvollen Paukenschlag,
Neugier auf Kommendes inbegriffen.
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