Das Modejahr 1988 – Haute Couture erobert die Schaufenster

Sie hielten sich immer noch: die Schulterpolster. Das Business-Kostüm, das aus geradem Blazer und engem Rock bestand, wirkte in der schmalen Variante angenehm feminin, in der breitschulterigen Variante betont emanzipiert. Oder waren die breiten Schultern schon Kult geworden? Dessen ungeachtet folgte die Schnittform der Damen-Kleidung einer klaren Linie, die für den Alltag und für den Beruf gleichermaßen geeignet war. Das Kostüm, das am Abend gern auch in Schwarz getragen wurde, behielt diese Linie bei. Zur Eleganz kam hier ein bisschen Frechheit: Tiefe Revers wirkten sexy, denn Frau verzichtete die Bluse, ließ Einblicke erahnen, ohne sie zu offensichtlich zu gewähren. Das ging natürlich nur mit den schmal geschnittenen Kostümen. Alles andere hätte plump ausgesehen.
Daneben hatte die Hose ihre modische Hoch-Zeit. Gerade und weit oder knöchellang und ohne Bügelfalte. Beides war angesagt. Den entsprechenden Farbtupfer setzten Pullover. Sie waren lang, lässig, gemustert und aus unterschiedlichen Materialien. Selbstgestricktes hatte neben der Konfektionsware Bestand. Vordergründig waren Die Freizeit der jungen Leute spielte sich meistens in der Disco ab. Dort tanzten die Mädchen in sehr engen und sehr kurzen, frechen Stretchkleidchen. Auch die älteren Jahrgänge trugen wieder Kleider. Die hohe Taille und das drapierte Oberteil zitierten den Empire-Stil und unterstrichen die Weiblichkeit.
Wieder kam Karl Lagerfeld in die Schlagzeilen. Sein Label KL stand für Designermode für jedermann, füllte die Schaufenster und fand reißenden Absatz. Haute Couture von der Stange. Das war neu. Das gefiel. Mut zur Mode war das Ergebnis, denn auch die Männer bewiesen zunehmend modisches Interesse und folgten den Trends der Laufstege. Die Hemden von Versace waren auffallend gemustert. Da vermisste Mann keine Krawatte. Der Pullover für den Herrn war farbenfroh und bestach durch Comic-Muster und geometrische Figuren. Für den Beruf war natürlich der Glencheck-Anzug nach wie vor unerlässlich. Den modischen Anstrich bekam das männliche Ensemble durch die auffallend gemusterte Krawatte. Ganz schön mutig.
Dass manche Mode so gar keinen Zugang zum Alltag bekam, lag nicht immer daran, dass Mann und Frau nicht gewillt waren, Veränderungen mitzumachen. Es lag auch an den Kreationen, die auf dem Catwalk gezeigt wurden. Die Präsentationen von Jean-Charles de Castelbajac hatte jedenfalls keine Chance, den Laufsteg zu verlassen. Kleider im Stil einer Cola-Flasche oder einer Zahnpastatube konnte man zwar lächelnd zur Kenntnis nehmen, mehr aber auch nicht. Und seine Regenmäntel zum Aufblasen, die den Körper der Trägerin bis zur Unkenntlichkeit verbargen, fanden sich auch nicht im Straßenbild wieder. Als Kunstwerk konnte man das ertragen, als Bekleidung war es im wahrsten Sinne des Wortes untragbar.
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