Modejahr 1987 – Verborgene Männlichkeit wird modische HerausForderung
Offenheit und Umgestaltung hießen in der Politik
Glasnost und Perestroika. In der Mode bedeutete das
Umgestalten zunächst das „Aus“ für die breiten
Schultern. Wer sich dennoch nicht von ihnen trennen
wollte, musste damit rechnen, bedauernd angeschaut zu
werden. Klar, wer verpasst schon gern die Zeichen der
Zeit? Die Konfektion hatte sie ganz offenbar verpasst,
denn in den Schaufenstern gab es
diese
Oversize-Garderobe immer noch.
Sie wurde auch durch die
miederbreiten Gürtel nicht adretter. Dabei hatten jetzt
schmale Schulterpartien das Sagen. Die neue Linie kam
aus Italien und begeisterte die Damen. Etuikleider oder
schmal drapierte Empirebustiers zum bauschigen Rock des
Italieners Romeo Gigli kamen sehr gut an und die hohe
Empiretaille der Kleider ließ die Frauen sehr weiblich
aussehen. Giglis Schnitte waren ein starker Kontrast zur
breitschulterigen Mode und boten dem Auge Zierlichkeit
statt Weite. Bei den Herren waren gestreifte Hemden
immer mehr in Mode gekommen. Dabei beschränkte sich die
Farbgebung nicht allein auf Schwarz und Weiß, sondern
gab auch Rot, Grün und Blau eine Chance. Zur
Farbenfreude kamen die Kragenvarianten, die das
klassische Hemd auflockerten. Der Tab-Kragen gehörte
dabei zu den bevorzugten Varianten. Kleine Druckknöpfe
sorgten für die enge Kragenstellung. Hemden mit diesem
Kragen passten zu allen Anlässen, machten eine Krawatte
aber unverzichtbar. Der absolute Klassiker war nach wie
vor der Kent-Kragen, der ins Business gehörte, auch nur
mit Krawatte. Die Sportlichkeit des Steh-Kragens war
nicht zu übersehen. Einer Krawatte bedurfte es hier
nicht. Und der Button-Down-Kragen, der nach unten
geknöpft war, vereinte die sportliche mit der
klassischen Kragenform.
Zugegeben, groß waren die Unterschiede nicht. Man musste
schon genau hinschauen, um sie zu erkennen. Dennoch
bewegte sich etwas in der Herrenmode. Revolutionär war
diese Bewegung – wenn auch hier erst auf den zweiten
Blick sichtbar – in der Unterwäschemode der Herren.
Damit hatte Nikos
Apostolopoulos schon einige hitzige
Debatten ausgelöst. Und nun war es offenkundig: Die
Herrenunterhose war zur Designer-HerausForderung
geworden. Es entstand ein richtiger
Dessous-Fetischismus. Und Mann machte ihn mit.
Jahrzehnte der Vernachlässigung zogen jetzt eine
unglaubliche Vielfalt nach sich. Netz-Nylon in Schwarz
und Ringer-Trikotagen mit ausgefallenem Dekolleté waren
nur zwei Beispiele der Designer-Herrenunterwäsche.
Apostolopoulos hatte begonnen, den männlichen Körper
ernst zu nehmen. Bald folgten ihm Calvin Klein und
andere nach, gaben ihr Label endlich auch für den
letzten zu bekleidenden Teil des Mannes hin.
Die Damen-Kostüme, die in Mode gekommen waren, trug man
hochgeschlossen oder mit einem sehr tiefen Revers. Die
Jacken waren aber in jedem Fall lang, sehr lang. Von den
Röcken war nicht mehr viel zu sehen, erst wenn man die
Jacke öffnete. Dann kamen die Plissierungen und der
elegante schmale Schnitt zur Geltung. Gewöhnlich waren
die Röcke knielang, konnten aber auch bis zum Knöchel
reichen. Dazu sah auch ein langer Pullover schmuck aus.
Die Linie war durchweg weiblich und schnörkellos mit
einem Hauch Sportlichkeit. Zeitgemäß eben.
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