Literatur 1983 Das literarische Jahr
Das Literaturjahr 1983 innerhalb des
deutsch-deutschen Raums
Die Literatur der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts war im
deutschsprachigen Raum vor allem von den politischen
Gegebenheiten der Zeit geprägt. So sahen sich Künstler
und Schriftsteller seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs
dem Phänomen eines zweigeteilten Deutschlands gegenüber
und fanden sich
umgeben von Mauern, die nicht nur im
Alltagsleben Grenzen setzten, sondern auch die Kunst in
ihren Inhalten und ihrem Wirkungskreis beschränkten.
Doch mit dem Beginn der 80er Jahre machten sich
Veränderungen bemerkbar, die ein freieres Schreiben
ermöglichten und auch deutsch-deutsche Berührungs- und
Anknüpfungspunkte erlaubten.
Dennoch stehen die literarischen Veröffentlichungen des
Jahres 1983 ganz im Zeichen eines Deutschlands, das kein
Deutschland war. So widmete sich die im Jahr 2011
verstorbene DDR-Schriftstellerin Christa Wolf in ihrer
Erzählung „Kassandra“ in einem poetisch anmutenden
Großmonolog der titelgebenden Protagonistin den realen
Gegebenheiten ihrer Gegenwart und verwob soziale,
politische, ethische und gesellschaftliche Fragen und
Probleme mit den mythologisch-poetischen Überlieferungen
des Niedergangs der Stadt Troja. Kassandra als die
Seherin, die den Untergang der Trojaner vorhersagte, der
aufgrund eines Fluchs jedoch niemand Glauben schenkte,
wurde zur weiblichen Stimme und zur Kommentatorin, zum
Objekt eines Systems, das keinen Bestand mehr haben
konnte und dem Verderben geweiht war.
Im gleichen Jahr erschien Sten Nadolnys berühmt
gewordener Roman „Die Entdeckung der Langsamkeit“, der
seinen Protagonisten John Franklin mit der
Schnelllebigkeit seiner Zeit konfrontiert, der er sich
durch Beharrlichkeit und Langsamkeit entgegenzusetzen
weiß und deren Ansprüchen er erfolgreich trotzen kann.
Nobelpreis für Sir William Gerald Golding
Der Nobelpreis für Literatur, die wichtigste
literarische Auszeichnung weltweit, ging im Jahr 1983 an
den Schriftsteller Sir William Gerald Golding, der seine
Leidenschaft für die Welt der Worte bereits im
Kindesalter entdeckt hatte.
Die Werke des Briten kreisen um Grundfragen der
menschlichen Existenz und sind maßgeblich geprägt von
den Erfahrungen Goldings im Zweiten Weltkrieg.
Als bekanntestes Buch des Nobelpreisträgers gilt noch
heute sein 1954 erschienener Roman „Der Herr der
Fliegen“. In dieser Robinsonade stürzt ein Flugzeug ab,
an dessen Bord sich aufgrund eines Atomkriegs evakuierte
Jungen befanden. Ohne Eltern und Autoritäten versuchen
die Kinder sich auf einer einsamen, unbewohnten Insel
einzurichten und ein System zu finden, das ein Zusammen-
und Überleben ermöglicht. Schnell jedoch spaltet sich
die anfängliche Einigkeit in zwei Lager auf und
eskaliert in einer Situation, die jeglicher Zivilisation
entbehrt und nur noch von animalischen Trieben gesteuert
ist. Goldings erschreckende literarische Vision
entkleidet den Menschen all seiner anerzogenen Sitten
und Gesetze und stellt ihn als gewaltbereites Tier dar,
das seinen Leidenschaften schutzlos und ohne steuernde
Instanz ausgeliefert ist.
Obgleich die späteren Werke Goldings nicht an den großen
Erfolg von „Herr der Fliegen“ anschließen konnten,
übergab ihm die Jury in Stockholm den Nobelpreis für die
Eindringlichkeit seines realistischen Erzählens und die
symbolische Aussagekraft seiner Werke, die sich den
Grundfragen menschlicher Beziehungen eindringlich
widmen.
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