DDR 1975 – Strenge Kulturkontrollen und
Drushba-Trasse
Auch wenn es seit einigen Jahren kontinuierlich aufwärts
ging in der DDR, so war dennoch Sparen angesagt. So
erklärte es sich auch, dass alle DDR-Zeitungen ab dem 1.
Januar ihre Sonntagsausgaben einstellten. Es musste
Papier gespart werden.
Doch der Trend stetiger Entwicklung in der DDR war
trotzdem beachtlich. Die industrielle Warenproduktion
war in den Jahren zwischen 1970 und 1975 jährlich
angestiegen, ebenso das Nationaleinkommen. Die
Bevölkerung bekam das zu spüren, denn im bescheidenen
Rahmen hatte sich der Lebensstandard verbessert. Der
Wohnungsbau ging voran und die Bauwirtschaft hatte ihr
Planziel mit 128,5 Prozent übererfüllt. Die Zahl
neuerbauter oder modernisierter Wohnungen hatte
sprunghaft zugenommen.
Musikalisch war 1975 das Jahr in dem Hits wie „Auf der
Wiese haben wir gelegen“ mit Veronika Fischer und „Du
hast den Farbfilm vergessen“ mit Nina Hagen die Gemüter
entzückten.
Im März war es zur Unterzeichnung eines
Konsularvertrages zwischen Österreich und Deutschland
gekommen. Österreich hatte als erstes westliches Land
eine DDR-Staatsbürgerschaft anerkannt.
Auf wirtschaftlicher Ebene gab es eine
Rahmenvereinbarung zwischen der DDR und der Firma Krupp
über eine wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit und
drei westliche Banken hatten die Genehmigung erhalten,
in der DDR-Hauptstadt Ost-Berlin Filialen zu eröffnen.
Als es am 1. August nach zweijährigen Verhandlungen zur
Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki kam, gab es
am Rande dieses KSZE-Gipfeltreffens eine Begegnung
zwischen
Bundeskanzler Helmut Schmidt und dem
DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker. Einige
Wochen später hatten die Außenminister der DDR, Oskar
Fischer, und der Außenminister der Bundesrepublik
Deutschland,
Hans-Dietrich Genscher , auf der
UNO-Vollversammlung in New York ihre unterschiedlichen
Standpunkte ihrer Regierungen zur deutschen Frage
deutlich gemacht.
Die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit
der UdSSR lief seitens der DDR reibungslos. Im Juli
hatte die beiden Staaten eine Vereinbarung über die
Koordinierung der Volkswirtschaftspläne für den Zeitraum
1976 bis 1980 geschlossen. Im Oktober hatten dann
Erich
Honecker und Leonid Breschnew in Moskau einen neuen
„Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und
gegenseitigen Beistand“ unterzeichnet.
Bereits im April war die erste Baukolonne zur
Drushba-Trasse (Freundschafts-Trasse) in die
Sowjetunion
gefahren. Die Drushba-Trasse war der 550 Kilometer lange
Bauabschnitt der insgesamt 2.750 Kilometer langen
Erdgasleitung „Sojus“. Der DDR-Abschnitt, der als
Zentrales Jugendobjekt der Freien Deutschen Jugend (FDJ)
gebaut wurde, betrug 518 Kilometer. Die Jugendlichen
sahen es als eine Ehre an, daran mitbauen zu dürfen. Für
viele war dies eine willkommene Abwechslung und zugleich
ein spannendes Abenteuer.
Da es in der DDR nach wie vor zu Ausreiseanträgen und
Fluchtversuchen kam, hatte das Ministerium für
Staatssicherheit die Zentrale Koordinierungsgruppe (ZKG)
zur Bekämpfung von Westfluchten und Ausreiseanträgen
gebildet. Außerdem hatte sich die DDR ein neues
Zivilgesetzbuch (ZGB) gegeben, das das alte Bürgerliche
Gesetzbuch (BGB) ersetzte.
Kulturell ließ die DDR nicht mit sich spaßen. Die
landesweit beliebte und bekannte Renft-Combo, die mit
Titeln wie „Wer die Rose ehrt“ und „Ermutigung“ den
Zeitgeist der Jugend traf, wurde am 22. September
verboten. Vordem war sie in der kurzzeitigen
Liberalisierung der Kulturpolitik mutig und kritisch mit
dem Geschehen im Land umgegangen, was der Rockband nun
in strenger Zeit zum Verhängnis wurde. Den staatlichen
Organen behagten die Texte nicht. Sie enthielten
zwischen den Zeilen Kritik am „real existierenden
Sozialismus“. Das Verbot der Gruppe stieß in weiten
Kreisen der Jugend auf völliges Unverständnis.
Die DDR existierte nun 26 Jahre und war anlässlich des
Jahrestages am 7. Oktober stolz auf ihre Entwicklung,
jedenfalls die Herren und Damen in den oberen
Führungskreisen. Rundum zufrieden waren die Bürger im
Land durchaus nicht, aber Kritik, auch konstruktive
Kritik war nicht erwünscht. Dabei hatten viele Bürger
Ideen, wollten tatsächlich mittun an der „große Sache“,
kamen aber nicht zum Zug. Zu leicht wurden Initiativen
falsch ausgelegt, als wollte man dem Land schaden. Das
war bei Weitem nicht so. Jedenfalls waren diese 26 Jahre
ein guter Grund zum Feiern, weshalb auch der
Gründungstag, der 7. Oktober, zu einem Nationalfeiertag
erklärt wurde.
Ein großer Schatten war 1975 auf die DDR gefallen. Der
als Guillaume-Affäre benannte politisch bedeutsamste
Spionagefall der deutsch-deutschen Geschichte hatte
schlimme Folgen. Der engste Mitarbeiter des
Bundeskanzlers Willy Brandt, Günter Guillaume, war im
April 1974 als DDR-Agent enttarnt worden. Und nun war er
in Düsseldorf wegen Spionage für die DDR zu 13 Jahren
Haft verurteilt worden. Im Vorjahr war bereits kurz nach
seiner Enttarnung
Willy Brandt als Bundeskanzler
zurückgetreten.
Die DDR ging ihren Weg unbeirrt weiter. Im Dezember war
es zu einer Vereinbarung zwischen den beiden deutschen
Staaten über den Ausbau der Transitstrecken nach Berlin
gekommen.
Kritik oder gar Verleumdung ließ sich die DDR nach wie
vor nicht gefallen, selbst wenn die Vorwürfe der
Wahrheit entsprachen. So wurde beispielsweise der
Korrespondent des „Spiegel“, Jörg Mettke, wegen „grober
Verleumdung“ aus der DDR ausgewiesen. Mettke hatte über
Zwangsadoption berichtet. Nach dem Ende der DDR war für
alle klar, dass es sie tatsächlich gegeben hatte.
<<
DDR 60er Jahre
|
DDR
80er Jahre
>>