DDR 1971 – Machtwechsel, Erich Honecker
übernahm das Ruder
Zu Beginn des Jahres hatten 13 Mitglieder und Kandidaten
des Politbüros der SED, das insgesamt aus 20 Personen
bestanden hatte, hinter dem Rücken von
Walter Ulbricht
einen Brief an Breschnew und das KPdSU-Politbüro
geschickt. In dem zur „Geheimen Verschlusssache“
erklärten Brief beklagten sich die DDR-Genossen darüber,
dass Ulbricht den Blick für die Realität verloren habe
und die wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten
nicht mehr richtig einschätzen könnte. Außerdem
kritisierten sie seine eigene Linie gegenüber der
Bundesrepublik, die so nicht mit Moskau abgesprochen
war. Sie baten Breschnew in dem Brief, Ulbricht zum
Rücktritt zu bewegen. Lediglich sein Amt als
Vorsitzender des Staatsrates und als Parteivorsitzender
sollte er weiterhin ausüben dürfen, wobei zugleich die
Befugnisse des Staatsrates eingeschränkt werden sollten.
Da Moskau ohnehin die beginnende Entspannungspolitik
unter Kontrolle halten wollte, um den eigenen
Führungsanspruch im Ostblock zu sichern, stimmte
Breschnew dem Anliegen zu. Es sollte ein „freiwilliger“
Rücktritt von
Walter Ulbricht werden. Im April 1971
wurde
Walter Ulbricht dann von Leonid Breschnew zum
Rücktritt aufgeFordert. Dieser trat dann auch „aus
Gesundheits- und Altersgründen“ zurück. Ihm folgte auf
der 16. Tagung des Zentralkomitees der SED am 3. Mai
1971 im Amt als Erster Sekretär des Zentralkomitees der
SED Erich Honecker. Er war einstimmig gewählt worden.
Auch als Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates
(NVR) wurde Ulbricht von Erich Honecker abgelöst. Der
58-jährige Politiker hatte sich bereits im Vorfeld des
Mauerbaus hervorgetan. Eigentlich galt er als ein
Vertreter des „harten Kurses“, der auch eine stärkere
Abgrenzung zur Bundesrepublik beinhaltete.
Die DDR wurde inzwischen international ernst genommen.
Es hatten 28 Staaten die DDR bereits diplomatisch
anerkannt. Als letztes war Chile dazugekommen, mit dem
die DDR am 16. März diplomatische Beziehungen aufnahm.
Um auch die Bevölkerung „bei Laune“ zu halten, waren im
Februar die Grundlöhne und Mindestrenten erhöht worden.
Auf den neuen Staatschef Honecker setzte die Bevölkerung
trotz seines bekannten harten Kurses große Hoffnungen.
Ein kleiner Teil erfüllte sich auch tatsächlich. Es
durfte großzügiger West-Musik gespielt werden und Jeans
waren salonfähig geworden. Und im Fernsehen wurde die
erste Folge der Krimi-Reihe „Polizeiruf 110“
ausgestrahlt. Für Postsendungen nach West-Berlin und in
die Bundesrepublik musste fortan Auslandsporto bezahlt
werden. Die BRD war damit offiziell Ausland geworden.
Der VIII. Parteitag der SED, der im Juni 1971 in der
Hauptstadt Ost-Berlin, stellt schließlich den
endgültigen Abschied von der Ära Ulbricht dar. Zudem
wurde die Direktive für den Fünfjahrplan 1971 bis 1975
verabschiedet. Die neue Hauptaufgabe hieß: „Einheit von
Wirtschafts- und Sozialpolitik“. Ulbricht hatte gar
nicht mehr an diesem Parteitag teilgenommen. Das
Grundsatzreferat hatte Erich Honecker gehalten, der eine
klare Abgrenzung gegenüber der Bundesrepublik
formulierte. Er sprach von der festen Verankerung der
DDR in der sozialistischen Staatengemeinschaft. Er zog
einen deutlichen Trennungsstrich zwischen der
„sozialistischen DDR“ und der „imperialistischen BRD“.
Im September war von Vertretern der Sowjetunion
(Außenminister Andrej Gromyko), Frankreichs
(Außenminister Maurice Schumann),
Großbritannien
(Außenminister Alec Douglas-Home) und den USA
(Außenminister William Rogers) das Viermächteabkommen
über Berlin (auch Berlin-Abkommen) im Rahmen der
beginnenden Entspannung im Ost-West-Konflikt
unterzeichnet worden, das unter anderem die Grundlagen
zum Rechtsstatus der geteilten Stadt Berlin festlegte.
Im November fanden in der DDR die Wahlen zur Volkskammer
statt. Bei einer Wahlbeteiligung von 98,48 Prozent
wurden 99,85 Prozent Ja-Stimmen und 0,15 Prozent
ungültige Stimmen verzeichnet. Dass dieses Ergebnis
nicht ganz auf demokratische Weise zustande gekommen
war, weiß man nicht erst in Rückschau.
Zum Ende dieses ereignisreichen Jahres 1971 wurde im
Dezember noch ein Transitabkommen zwischen der
Bundesrepublik und der
DDR abgeschlossen, das erste
Abkommen auf Regierungsebene. Ausgehandelt hatten es der
BRD-Staatssekretär Egon Bahr und der Leiter der
Ständigen Vertretung der DDR in der BRD, Michael Kohl.
Unterschrieben wurde es in Bonn. Das Transitabkommen
sollte Reisen zwischen
der BRD und West-Berlin
erleichtern. Es trat im Juni 1972 in Kraft.
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